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Otto Hübener * 1891
In de Bost 39 (Altona, Nienstedten)
HIER WOHNTE
OTTO HÜBENER
JG. 1891
VERHAFTET NOV. 1944
GEFÄNGNIS
BERLIN LEHRTER STRASSE
ERMORDET 23.4.1945
Ernst Otto Hübener, geb. am 28.12.1891, verhaftet am 30.11.1944, Haft im Gefängnis Berlin, Lehrter Straße, ermordet am 23.4.1945
In de Bost 39
Bei der Gedenkfeier nach der Verlegung des Stolpersteins für Otto Hübener zitierte der Enkel aus einem Brief, den sein Großvater Weihnachten 1943 an alle Mitarbeiter schrieb: "Und dann ist alles, was wir durchzumachen haben, doch so schwer, dass man ungern darüber spricht, sondern am besten in Einsamkeit und jeder für sich versucht, damit fertig zu werden."
Ernst Otto Hübener wurde als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus ermordet. Im Sommer 1939 unterstützte er einen Kreis der Militäropposition, die den Kriegsausbruch verhindern wollte. Während des Krieges engagierte er sich in der Widerstandsgruppe um Hans Oster und Hans von Dohnanyi. Auch stand er in Verbindung zum Kreis der Attentäter vom 20. Juli 1944.
Ernst Otto Hübener wurde am 28. Dezember 1891 in Hamburg geboren. Vor dem Ersten Weltkrieg machte der gelernte Kaufmann in London die Bekanntschaft von Walter Jauch, der ebenfalls Kaufmann war. Mit ihm gründete er nach dem Krieg 1919 die Versicherungsmaklergesellschaft Jauch und Hübener in Hamburg, Trostbrücke 3, die bald zur bedeutendsten Versicherungs- und Rückversicherungsmaklerfirma des Kontinents wurde. Otto Hübeners Firmenanteil betrug 49 Prozent.
Er war verheiratet mit der Hamburgerin Thekla, geb. Möring, und hatte mit ihr zwei Söhne, die in den 1920er Jahren geboren wurden: Jürgen und Harald. Die Hübeners wohnten auf dem Landsitz der Familie, "In de Bost" 39 in Altona-Nienstedten, in unmittelbarer Nähe des Hirschparks.
1934 verhaftete die Gestapo Otto Hübener kurzzeitig im Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch". Ende Juni/Anfang Juli des Jahres hatten Kommandos der SS Ernst Röhm, den Stabschef der SA, weitere SA-Funktionäre sowie andere, von der nationalsozialistischen Führung als feindlich eingeschätzte Personen im Rahmen einer von Hitler und Göring lange vorbereiteten "Säuberung" ermordet. Zugrunde lagen machtpolitische Spannungen zwischen der SA und Teilen der NSDAP. Doch Otto Hübener kam wieder frei.
Im Sommer 1939 unterstützte er den Kreis der Militäropposition um Hans Oster und knüpfte Verbindungen zu britischen Stellen, um den drohenden Krieg in letzter Minute abzuwenden. Hans Oster, später Generalmajor und Stabschef der militärischen Abwehr unter Admiral Wilhelm Canaris, war ein angeheirateter Cousin von Otto Hübeners Geschäftspartner Walter Jauch. Bereits seit 1935 hatte Oster begonnen, ein Netzwerk von Kontakten zu Opponenten des NS-Regimes in Staat, Verwaltung und Sicherheitsorganen zu knüpfen. Während des Krieges arbeitete auch die Firma Hübeners für die Widerstandsgruppe bei der Abwehr um Hans Oster und Hans von Dohnanyi. Als diese im Frühjahr 1943 verhaftet wurden, ermittelte der Oberreichskriegsanwalt gegen Hübener, weil bei Dohnanyi Dokumente über ein Darlehen gefunden wurden, das Otto Hübener ihm gewährt hatte. Nach dem gescheiterten Attentat und Umsturzversuch des 20. Juli 1944 wurde Otto Hübener mehrfach ohne Ergebnis verhört. Teil der Ermittlungen waren unter anderem die Beziehungen von Jauch und Hübener zum militärischen Widerstand.
Als durch einen Aktenfund der Gestapo in Zossen in Brandenburg, wo das Oberkommando der Wehrmacht seit 1939 sein Hauptquartier hatte, die Verbindung zwischen dem Amt Ausland/Abwehr und den Verschwörern um Claus Schenk Graf von Stauffenberg deutlich geworden war, wurde Otto Hübener am 30. November 1944 in Hamburg verhaftet und in das Berliner Zellengefängnis Lehrter Straße eingeliefert. Das ehemalige Militärgefängnis wurde von 1935 bis zum Kriegsende als Wehmachtsgefängnis genutzt.
Am 7. April 1945 wurde Hans von Dohnanyi im KZ Sachsenhausen hingerichtet, zwei Tage später wurden Canaris, Oster und der Theologe Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg exekutiert. In der Nacht zum 23. April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, wurde Otto Hübener zusammen mit anderen Gefangenen, ohne dass eine Gerichtsverhandlung stattgefunden hatte, auf einem benachbarten Ruinengelände von einem Sonderkommando aus dem Reichssicherheitshauptamt ermordet.
Im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg wurden Zeugenaussagen vorgelegt: "Der Assekuranzmakler Otto Hübener ist im November 1944 durch die Gestapo verhaftet worden. Er wurde in das Untersuchungsgefängnis der Gestapo in Berlin, Prinz-Albrecht-Straße, eingeliefert. Am 19.4.1945 erhielt Fräulein Margot Lind, die bis dahin in ständiger Verbindung mit ihm gestanden hatte, die letzte Nachricht von ihm. Der Koch-Kalfaktor Heinz Hentschke hat ihn am 20.4.1945 zuletzt gesehen; bei der Räumung des Gefängnisses am 28.4.1945 war Hübener nicht mehr unter den Inhaftierten. Nach der Darstellung von Hentschke, Otto Runge, Dr. Ense und Superintendent Reinicke haben in der Zwischenzeit willkürliche Erschießungen stattgefunden. Dr. Ense hat bekundet, daß er sich mit Sicherheit daran erinnert, daß Hübener in der Nacht vom 22.4. bis zum 23.4.1945 abgeholt und dann höchstwahrscheinlich erschossen worden ist; er selbst gehörte zu dem ‚Entlassungstrupp‘ der nächsten Nacht und konnte dem Erschießungstode nur durch Zufall entrinnen."
Wahrscheinlich ist, dass Otto Hübener und die anderen Inhaftierten um Mitternacht abgeholt und in den frühen Morgenstunden des 23. April erschossen wurden.
Der Sohn Jürgen Hübener, zur Zeit der Verhaftung seines Vaters 14 Jahre alt, legte einen Bericht vor: "Mein verstorbener Vater, der Versicherungskaufmann Otto Hübener, wurde im November 1944 in seinem Büro in Hamburg verhaftet und nach Fuhlsbüttel verbracht. Nach kurzer Haftzeit wurde er im Zusammenhang mit den Ermittlungen ‚20. Juli‘ nach Berlin überführt. Die restliche Zeit bis zu seinem Tode am 23.4.1945 verbrachte er in den Verhörzellen des Reichsicherheitshauptamtes in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin. [In der Prinz-Albrecht-Straße 8, heute Niederkirchnerstraße, in Berlin-Kreuzberg, befand sich im Hauptquartier der Gestapo ein "Hausgefängnis" für die Unterbringung von Gefangenen, an deren Vernehmung die Gestapo ein besonderes Interesse hatte.] Die Verhöre zielten auf den Nachweis einer Teilnahme an der Verschwörung vom 20. Juli 1944. Näheres hierzu kann ich aus eigener Kenntnis nicht aussagen, weil mein Vater mir gegenüber nichts von seiner politischen Tätigkeit erwähnt hat. Zum Nachweis dafür, dass es sich hier um eine Verhaftung aus politischen Gründen gehandelt hat, darf ich auf folgendes hinweisen: Mein Vater war mit einer großen Zahl der an dem 20. Juli maßgeblich beteiligten Männer eng befreundet, insbesondere mit General Oster, der vor seiner Verhaftung in der Wohnung meines Vaters gewohnt hat."
Erhalten ist in den Akten ein Schreiben der Gestapo Hamburg vom 6. Dezember 1944 an das Wehrbezirkskommando V zu Hd. von Herrn Rittmeister Ravemann, Hamburg Altona, Bei der Johanniskirche 19/20. Es war um eine Nachuntersuchung des Sohnes Jürgen Otto Hübener gebeten worden, der wegen eines schweren Herzfehlers von der Einberufung zum Wehrdienst zurückgestellt worden war und in der Firma des Vaters beschäftigt sein sollte. "Wie festgestellt, trifft dies nicht zu. Der Vater des H. ist am 30.11.44 wegen staatsfeindlicher Betätigung in Haft genommen worden."
Die Todesnachricht erschütterte die Familie, denn nach der Verhaftung hatten alle geglaubt, Otto Hübener würde zurückkommen.
Stand September 2015
© Birgit Gewehr
Quellen: AB Hamburg und Altona; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 13870 (Otto Hübener); Cordes, Stolpersteine, S. 228 f.; Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Biographie Otto Hübener und Auskunft von Prof. Dr. Johannes Tuchel.