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Frida Gutmann * 1877

Oberaltenallee 72 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


HIER WOHNTE
FRIDA GUTMANN
JG. 1877
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Frida Gutmann, geb. 9.2.1877 in Hamburg, deportiert 19.7.1942 ins Getto Theresienstadt, 21.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka

Oberaltenallee 72 (früher: Oberaltenallee 20, Versorgungsheim Oberaltenallee)

Frida Gutmann war die Älteste von sechs Geschwistern. Ihre Vorfahren lebten als jüdische Textilkaufleute in Fürth/Franken. Als erster von ihnen wurde der am 28.9.1784 in Fürth geborene Feitel Gutmann in Hamburg sesshaft. Aus seiner im Dezember 1819 geschlossenen Ehe mit Hannchen, geb. Nachum, gingen sechs Söhne und eine Tochter hervor.

Zwei von ihnen, Levy und Zadig, blieben in Hamburg, wo sich ihre Familien durch Heirat eng verbanden: Levy Gutmann (1824 – 1899) heiratete Fanny Benjamin, die schon 1860 mit 35 Jahren starb. Ihr ältester Sohn, Hermann, wurde am 17.1.1851 in Rendsburg geboren.
Hermann Gutmann baute sich eine Existenz als Versicherungsagent auf und heiratete seine Cousine Bertha Gutmann (geb. 25.6.1854 in Hamburg). Sie war die älteste Tochter seines Onkels Zadig Gutmann (1826 - 1908) und dessen Ehefrau Elise, geb. Biesenthal, (1830 - 1872) aus Hagenow in Mecklenburg. Aus deren Ehe waren nach unserer Kenntnis elf Kinder hervorgegangen.

Hermann und Bertha Gutmann hatten am 16. Juni 1876 in Hamburg geheiratet, wo sie zunächst auch wohnten. Ihr Leben spielte sich im Grenzbereich zwischen den Städten Hamburg und Altona ab. Am 9. Februar 1877 kam in der Sophienstraße 27 in St. Pauli als erstes ihrer sechs Kinder die Tochter Frida zur Welt. Nach einem Umzug in die Kielerstraße 75 wurden dort am 15. Juni 1878 der Sohn Ernst und die beiden Töchter Elise, am 9. Oktober 1879, und Olga, am 22. Juni 1884, geboren. Ernst blieb der einzige Sohn.

Offenbar hatte Hermann Gutmann schon nach der Geburt seines Sohnes Ernst eine zweite Adresse in der Papenstraße 17 in Altona-Ottensen, die später zum Hauptwohnsitz wurde. Dort kamen die beiden jüngsten Schwestern Frida Gutmanns zur Welt, Paula am 14. April 1889 und Anna am 31. März 1894.

Hermann Gutmann schloss sich der Hochdeutschen Israelitengemeinde Altona an, wo er bis 1928 als steuerpflichtiges Mitglied blieb. Er und seine Ehefrau Bertha wurden auf dem Jüdischen Friedhof am Bornkampsweg in Bahrenfeld beerdigt.

Für alle Kinder bestand damals eine achtjährige Schulpflicht. Frida Gutmanns Geschwister erwarben einen Schulabschluss, der sie zu einer Berufsausbildung befähigte: Ernst Gutmann wurde Versicherungsvertreter wie sein Vater Levy. Elise Gutmann arbeitete als Buchhalterin und Olga Gutmann als Privatlehrerin für Sprachen. Paula Gutmann wurde Schneiderin und Anna Gutmann ging ins Kaufmännische. Ob auch Frida Gutmann eine Schul- und weitere Ausbildung erhielt, lässt sich anhand der vorliegenden Quellen nicht klären.

Als Hermann Gutmann am 25. Januar 1905 im Israelitischen Krankenhaus in Altona starb, wohnte die Familie in der Holländischen Reihe 4 in Ottensen. Außer Anna waren alle Kinder mündig. Die Verantwortung als Familienoberhaupt ging an Ernst Gutmann über. Er übernahm auch die Firma seines Vaters.

1907 zog Ernst Gutmann in die Lessingstraße 24. Dort war auch seine Mutter Bertha als "Witwe H. Gutmann", wie es damals die Regel war, gemeldet. Als Olga Gutmann selbstständige Sprachlehrerin wurde, erhielt auch sie 1908 einen eigenen Eintrag im Altonaer Adressbuch. Die noch nicht erwerbstätigen Töchter wohnten mit im selben Haushalt. 1911 zog Familie Gutmann in die Fritz-Reuter-Straße 24.

Als Ernst Gutmann im April 1913 heiratete, trennte er sich von seiner Mutter und den Schwestern. Er bezog mit seiner Ehefrau Franziska, geb. Dittmer, die aus einer lutherischen Familie stammte, eine Mietwohnung in der Papenstraße 17 III, während der andere Teil der Familie, Frida eingeschlossen, in die Oelkersallee 34 II zog.
Franziska und Ernst Gutmanns erstes Kind, die Tochter Hedwig, kam dort kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs, am 12.9.1914, zur Welt.

Frida Gutmann verbrachte einen vorübergehenden Aufenthalt in Kollow bei Trittau, vermutlich in einem Genesungsheim. 1915 stieß sie wieder zu ihrer Mutter, die kurz zuvor mit Elise, Olga und Anna in die Glückburgstraße 10 gezogen war. Schon am 20. Januar 1916 wurde Frida in der Diakonischen Stiftung Kropp im Kreis Schleswig aufgenommen. Über ihre Krankheitsgeschichte ist nichts außer den Aufenthalten in entsprechenden Anstalten seit 1916 bekannt. Da war sie bereits 32 Jahre alt.

Als am 23.1.1917 Franziska Gutmann ihre Tochter Paula zur Welt brachte, stand Ernst Gutmann im Feld, wie es damals hieß. Er hatte sich 1916 freiwillig zum Militär gemeldet. Paula wurde nach ihrer 1889 geborenen Tante Paula benannt, die bereits nach Chile ausgewandert war und dort 1916 geheiratet hatte.

Mehrfach verwundet und mit dem Eisernen Kreuz II ausgezeichnet, kehrte Ernst Gutmann 1918 zu seiner Familie und in den Beruf zurück, wie auch die jüngste Tochter Anna. Sie hatte sich im April 1918 zum Hilfsdienst "in der Etappe" (hinter der Front) gemeldet und fand nun Arbeit beim Arbeitsamt der Stadt Altona. Als sie einer Kriegswitwe ihren Arbeitsplatz überlassen musste, entschloss sie sich zur Auswanderung ebenfalls nach Chile. Am 1. Januar 1921 trat sie in Santiago de Chile bei der dortigen Niederlassung von Ferrostaal eine Stelle als Sekretärin an.

1920 zog Bertha Gutmann in das Leja-Stift, Große Bergstraße 250, Haus 3, eine Stiftung für alleinstehende alte Frauen. Als Frida am 19. November 1920 aus der Anstalt in Kropp entlassen wurde, kam sie zunächst bei ihrer Mutter unter.

Am 28. Juni 1922 wurde Frida Gutmann im städtischen Altersheim Norderstraße 23 in Altona aufgenommen. Wer die Einweisung veranlasst hatte, die Begründung dafür und wer für die Kosten aufkam, ist nicht bekannt. Sie wurde von dort aus ins Allgemeine Krankenhaus in der Allee 164 eingewiesen und wohnte noch einmal für kurze Zeit bei ihrer Mutter im Leja-Stift. Wie sich später zeigte, wurde aus ihrer Rückkehr ins Altersheim am 5. Dezember 1922 ein Daueraufenthalt.

Elise und Olga Gutmann zogen zusammen in die Lessingstraße 21, wo Elise bis zu ihrem Tod am 22. August 1922 lebte. Beide waren berufstätig, Elise als Buchhalterin, Olga als Sprachlehrerin. Nach dem Tod ihrer Schwester zog Olga Gutmann in die Düppelstraße 2 in Altona-Nord und wurde in der Hochdeutschen Israelitengemeinde Altona wie ihr Bruder Ernst als selbstständiges Mitglied geführt. Sie blieben der Jüdischen Gemeinde in den Jahren 1923 bis 1926 jeweils einen Quartalsbeitrag an Gemeindesteuer schuldig. Olga Gutmann wurde im September 1928 die Restschuld erlassen, Ernst Gutmann beglich den Rückstand 1927. Am 31. März 1928 trat er aus der Jüdischen Gemeinde Altona aus, ohne aus dem Judentum auszutreten, wie auf seiner Steuerkarte vermerkt ist.

Bertha Gutmann zog 1925 ein letztes Mal um, in das Israelitische Altersheim in der Blücherstraße 20. Dort starb sie am 6. Februar 1926. Olga Gutmann starb am 2. April 1929 im städtischen Krankenhaus in Altona. Sie wurde wie ihre Eltern und ihre Schwester Elise auf dem Jüdischen Friedhof in Bahrenfeld beerdigt.

Sechs Jahre nach ihrem ersten Krankenhausaufenthalt wurde Frida Gutmann am 25. Januar 1929 noch einmal im städtischen Krankenhaus in der Allee 164 aufgenommen, Eine Diagnose ist nicht bekannt. Nach zehn Tagen kehrte sie ins Altersheim Altona zurück, wo sie bis 1938 blieb.

Am 30. März 1937 bestand Paula Gutmann ihre Gesellinnenprüfung im Damenschneiderhandwerk und fand gleich eine Anstellung. Sie blieb bei ihren Eltern in der Papenstraße 17 wohnen. Aufgrund des Großhamburggesetzes wurde das preußische Altona nach Hamburg eingemeindet. Zu den Folgen gehörten nicht nur Umbenennungen zahlreicher Straßen, sondern auch der Zusammenschluss der Jüdischen Gemeinden.

Bis dahin hatten die politischen Veränderungen seit der nationalistischen Machtübernahme Frida Gutmanns Leben wie auch das ihres Bruders Ernst und seiner Familie nicht einschneidend berührt. Das änderte sich dramatisch 1938.

1938 erhielt Ernst Gutmann Berufsverbot. Als "arische" Ehefrau durfte Franziska Gutmann die Firma fortführen, verlor aber Kunden, weil sie nicht bereit war, sich von ihrem jüdischen Ehemann scheiden zu lassen.

Am Jahresende kam Ernst Gutmann in Bedrängnis durch die Gestapo. Sein Cousin Walter Gutmann, ein Enkel von Zadig und Elise Gutmann, hatte in zwei Flugschriften die Führungsspitze des NS-Regimes angeklagt und war verhaftet worden. (s. derselbe in www.stolpersteine-hamburg.de) Auf der Suche nach Mittätern, wurde Ernst Gutmann verdächtigt, ihm dabei geholfen zu haben. Als ihm keine Mitarbeit nachzuweisen war, wurde er zwar aus der Haft entlassen, hatte aber schwere gesundheitliche Schäden davongetragen.

Er betrieb umgehend seine Emigration zu seinen Schwestern in Chile und unterstützte seine Tochter Paula, die ebenfalls ihre Auswanderung nach Chile beantragte.

Zu einem nicht zu ermittelnden Zeitpunkt hatte Ernst Gutmann die Vormundschaft für seine Schwester Frida übernommen. Am 3. März 1939 wurde auf ihrer Geburtsurkunde als Beischrift vermerkt, er habe ihren Zwangnamen "Sara" beim Standesamt eintragen lassen. Er verließ allein Hamburg am 29. April 1939. An wen die Vormundschaft für seine Schwester Frida über überging, geht aus den überlieferten im Hamburger Staatsarchiv vorhandenen Akten nicht hervor.

Bei der Volkszählung im Mai 1939 wurde Frida Gutmann im Altonaer Versorgungsheim in der Norderstraße 23, wie das Altersheim nun hieß, registriert. Wenige Wochen später, am 3. Juni 1939, wechselte sie in das Versorgungsheim Oberaltenallee 60 nach Hamburg. Obwohl anzunehmen ist, dass Frida Gutmann Fürsorgeunterstützung erhielt, ließ sich kein Beleg dafür finden.

Franziska Gutmann blieb bei ihrer an Lungentuberkulose leidenden Tochter Hedwig in Hamburg zurück, auch noch nach deren Tod am 4. September 1939, weil ihre Schwester in Paula in Chile in bescheidenen Verhältnissen lebte und Anna auf Weisung der Firmenzentrale in Essen ihre langjährige Stellung bei Ferrostaal zum 31. Dezember 1938 gekündigt wurde. Sie bürgte dennoch für ihren Bruder, der seinerseits die Auswanderung seiner Tochter Paula bezahlte. Paula Gutmann verließ Hamburg noch im September 1939.

1940 musste Frida Gutmann zwangsweise dem Jüdischen Religionsverband, wie die Deutsch-Israelitische Gemeinde nun hieß, beitreten. Auf ihrer Kultussteuerkarteikarte gibt es einen indirekten Hinweis auf ein geringes Einkommen aus dem Jahr 1941. Es handelte sich um eine Rente in Höhe von 26,19 Mark. Ein Betrag von 327,40 Mark, der außerdem angegeben ist, könnte eine Ersparnis sein. Die Herkunft dieser Beträge und ihr Verbleib sind ungeklärt.

Ob Frida Gutmann bewusst geworden ist, dass außer ihrer Schwägerin Franziska keine weiteren nahen Angehörigen mehr in Hamburg lebten, wissen wir nicht. Ihre Tante Marianne Gutmann, die Schwester ihrer Mutter Bertha, lebte in der Staatskrankenanstalt Langenhorn. Von dort wurde sie mit dem ersten Transport von Juden aus Hamburg, der nach Brandenburg an der Havel ging, am 23. September 1940 deportiert und noch am selben Tag mit Kohlenstoffmonoxid ermordet. Ihre Nichte Berta Turbahn wurde zwei Monate später in "Schutzhaft" genommen und kam nicht wieder frei. (s. für beide www.stolpersteine-hamburg.de)

Für Frida Gutmann war nun der Jüdische Religionsverband zuständig. Sie wurde in einem sogenannten Judenhaus in Altona untergebracht. Es handelte sich dabei um das jüdische Alten- und Pflegeheim Grüne Straße 5 (heute Kirchenstraße 5).

Im Juni 1942 ordnete das Reichssicherheitshauptamt sog. Alterstransporte aus dem Deutschen Reich ins sog. Altersgetto Theresienstadt an. Aus Hamburg verließen Großtransporte am 15. Und 19. Juli 1942 die Stadt. Frida Gutmann musste sich wie die anderen für den 19. Juli Einbestellten in der Volksschule Schanzenstraße einfinden. Ein Lkw brachte sie zum Hannoverschen Bahnhof, wo der Personenzug mit 785 Jüdinnen und Juden aus Hamburg und einigen Nachbarorten abfuhr.
Die ehemalige Garnisonsstadt galt als Altersgetto, in das man sich wie in einem Altersheim einkaufen musste. Wer mittellos war wie Frida Gutmann, wurde von den Wohlhabenden mit finanziert, denn als Vorauszahlung wurde nicht nur der berechnete Betrag eingezogen, sondern das gesamte noch verfügbare Vermögen. Verantwortlich war vor Ort der Jüdische Religionsverband, der die Mittel an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland weiterleitete, die es auf ein Konto transferierte, auf das das Reichssicherheitshauptamt Zugriff hatte.

Bei ihrer Ankunft in Theresienstadt im Hochsommer 1942 war das Getto überfüllt. Da wir nichts über Frida Gutmanns körperlichen und mentalen Zustand wissen, können wir nur davon ausgehen, dass sie wie alle Deportierten zusammen mit Frauen unter primitivsten Umständen untergebracht war. Unter den damaligen unhygienischen Umständen grassierten Infektionskrankheiten, unter dem Mangel an Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung starben viele der Neuankömmlinge bald nach ihrer Ankunft.

Zur "Entlastung des Gettos" wurden "Evakuierungszüge" in Vernichtungslager geschickt. Im Zuge dieser Maßnahme wurde Frida Gutmann am 21. September 1942 nach Treblinka weiter deportiert, wo sie wahrscheinlich unmittelbar nach ihrer Ankunft mit Kohlenstoffmonoxid aus Lkw-Abgasen ermordet wurde.

© Hildegard Thevs

Quellen: 1; StaHH, 2 R 1439/2214; FVg 3380, 4402; 4; 5 digital; 7; 9; Hamburger Adressbücher; StaHH 232-1 Vormundschaft, Serie I, 9206, Serie II, 3293; 332-8 = 714-4, A 34, K 4439 Melderegister; 351-11 Wiedergutmachung, 3951, 7115, 17917; Micheline Gutmann, Descendance de Jacob Gutmann, rijo research 2.0; Jüdische Stätten in Hamburg, Hrsg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden und Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, 1995; Ingo Wille, Transport in den Tod, Hamburg/Berlin 2017; https://www.sternschanze1942.de/hindelchen-elias-und-josef-karp/ Abruf 21.6.2023.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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