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Dora Guttentag * 1870
Abendrothsweg 19 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)
HIER WOHNTE
DORA GUTTENTAG
JG. 1870
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Abendrothsweg 19:
Edith Behrend, Clara Zipora Böhm, Marianne Lehmann, Ruth Weigert, Elise Wiesenthal, Ruth Wolfsohn, Werner Wolfsohn, Clara Wolfsohn
Dora Agnes Guttentag, geb. am 28.7.1870 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Abendrothsweg 19
Dora Guttentag, eine alleinstehende ältere Frau, gehört zu den vielen jüdischen Opfern der Nationalsozialisten, über die wir kaum etwas wissen. Sie hat nur wenige Spuren hinterlassen. Da sie keine überlebenden Familienangehörigen hinterließ, existiert im Staatsarchiv Hamburg nicht einmal eine Wiedergutmachungsakte zu ihr.
Lediglich in einem Register des Standesamtes von 1911 erscheint ihr Name. Dort zeigte sie im Juli den Tod ihres Vaters an. Ihre Mutter Bertha Guttentag, geb. Enoch, war fünf Monate zuvor, am 14. Februar 1911, im Alter von 75 Jahren verstorben. Ihr Vater, der Kaufmann Sigismund Bernhard Guttentag, "mosaischer Religion", war ebenso alt, als er im Israelitischen Krankenhaus starb. Er stammte gebürtig aus Breslau und war der "Sohn der verstorbenen Eheleute, Kaufmanns Jonas Guttentag und Friederike, geb. Guttentag, beide zuletzt wohnhaft in Breslau."
Dora Guttentag ist in dem Eintrag als ledig und ohne Beruf verzeichnet. Ihre Adresse sowie die ihres Vaters lautete Eppendorferbaum 38. Diese Anschrift für "S.B. Guttentag, Petroleummakler", erschien erstmals im Hamburger Adressbuch von 1911. In den Jahren zuvor war die Osterstraße 56 als Wohnung angegeben. Wahrscheinlich lebte auch Dora Guttentags drei Jahre ältere Schwester Ella (geb. 15.9.1867 in Hamburg) mit in dem Haushalt. Sie war ebenfalls nicht verheiratet.
Nach dem Tod ihres Vaters zog Dora zu Marianne Lehmann, einer Freundin. Dies geht aus einer handschriftlichen Notiz hervor, die sich in einer Akte des Oberfinanzpräsidenten aus dem Jahr 1940 befindet, die im Hamburger Staatsarchiv liegt. Die Dokumente in dieser Akte beziehen sich auf die "Sicherungsanordnung", die im Februar 1940 gegen "Fräulein Marianne Sara Lehmann" erlassen wurde, an die im Abendrothsweg 19 ebenfalls ein Stolperstein erinnert. Marianne Lehmann durfte fortan nur noch über monatlich 225 RM (Reichsmark) ihres eigenen Vermögens verfügen. Für alle weiteren eventuell notwendigen Ausgaben musste sie jeweils separat eine Genehmigung beim Oberfinanzpräsidenten einholen.
Auch Dora Guttentag wurde gezwungen, ihre finanziellen Verhältnisse offenzulegen. Im April 1940 besaß sie ein "Vermögen" von 1604 RM, das sich aus Wertpapieren (1100 RM), einem Sparguthaben (230 RM) und 274 RM Bargeld zusammensetzte. Der Text auf dem beiliegenden Zettel lautet: "Ich wohne seit 1911 mit meiner Freundin Mariana Sara Lehmann zusammen, zahle keine Miete und werde von ihr beköstigt. Meine sonstigen persönlichen Ausgaben bestreite ich selbst teils vom Sparkassenguthaben [,] im letzten Jahr von dem Erlös von Schmuck und Silber und dem Verkauf von Möbeln und sonstiger Gegenstände. Von diesem Erlös ist der Rest 274 M(ark). Zu meinen persönlichen Ausgaben rechne ich jährlich Bekleidung, Arzt, Zahnarzt, Fußarzt, Apotheke, Friseur, Schuhreparatur, Fahrgeld, Grabpflege, in geringem Maße Wohltätigkeit. Geschenke, Porto, Toilettengegenstände, und Verwaltungskosten bei der Dresdner Bank."
Auf Dora Guttenbergs Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde Hamburgs ist ihr "Vermögen" im Juni 1941 mit "ca. 1300.-" angegeben. In der Zeile darunter steht "kein Einkommen".
Wenige Monate später erhielten Dora Guttenberg und Marianne Lehmann in der Wohnung Abendrothsweg 19, 1. Stock, den Deportationsbefehl nach Riga. "Ausgeschieden den 6. Dez[ember] 1941 durch Abwanderung", ist beschönigend auf den Kultussteuerkarten vermerkt. Die beiden Frauen waren 71 und 66 Jahre alt.
Eigentlich hätte die Gestapo beide nach den Richtlinien, die das Reichssicherheitshauptamt für jede Deportation erließ, aufgrund ihres Alters nicht in eine Ostdeportation einreihen dürfen, sondern sie für die spätere Deportation nach Theresienstadt zurückstellen müssen.
Der Deportationstransport aus Hamburg wurde nicht ins Getto Riga, sondern in das Behelfslager Riga-Jungfernhof geleitet. Wann, wo und wie genau die Freundinnen zu Tode kamen, ist nicht bekannt.
Eineinhalb Jahre später, am 11. Juni 1943, wurde Dora Guttentags Schwester Ella nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 7. März 1944 umkam.
Stand: Oktober 2021
© Sabine Brunotte
Quellen: 1; 5; StaH 332-5_655; StaH 332-5_9701; StaH 314-15_R 1940_0138; Adressbücher Hamburg 1908 bis 1911 unter https://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/, letzter Zugriff 30.8.2021; http://www.statistik-des-holocaust.de/OT411206-10.jpg, http://www.statistik-des-holocaust.de/OT411206-16.jpg, letzter Zugriff 30.8.2021; https://collections.arolsen-archives.org/archive/5037661/?p=1&s=Ella%20Guttentag&doc_id=5037661, letzter Zugriff 30.8.2021; https://www.holocaust.cz/en/database-of-victims/victim/13584-ella-guttentag/, letzter Zugriff 30.8.2021.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".