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Julius Hamburger * 1910
Grindelhof 30 (TTS) (Eimsbüttel, Rotherbaum)
1942 Auschwitz
ermordet
Weitere Stolpersteine in Grindelhof 30 (TTS):
Dr. Walter Bacher, Emil Emanuel Badrian, Asriel Brager, Ilse Brager, Sally Brager, Dr. Joseph Carlebach, Dr. Hermann Freudenberger, Josua Falk Friedlaender, Walter Nathan Herz, Bertha Hirsch, Leopold Hirsch, Dr. Alberto Jonas, Benno Kesstecher, Heinz Leidersdorf, Richard Levi, Emil Nachum, Mathias Stein, Artur Toczek
Julius Hamburger, geb. am 23.11.1910 in Neu-Isenburg bei Frankfurt am Main, deportiert nach Auschwitz am 11.7.1942, ermordet
Grindelhof 30
Julius Hamburgers Eltern waren Fritz Hamburger und dessen Frau Franziska, geborene Lehmann. Zunächst absolvierte er in Frankfurt am Main das Reformrealgymnasium des Philanthropins – einer jüdischen Schule – und bestand dort am 24. März 1930 das Abitur. Vom 1. Mai 1930 bis zum 29. Februar 1932 besuchte er die Pädagogische Akademie in Frankfurt am Main. Bereits am 4. Januar 1932 wurde zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen zugelassen und erhielt zur schriftlichen Bearbeitung die Aufgabe "Die ethisch-pädagogischen Gedanken bei Martin Buber". Die mündliche Prüfung legte er am 18. März 1932 ab. Er absolvierte beides mit Erfolg und erhielt insgesamt in Erziehungswissenschaft die Note "gut" und in der "fachlichen Unterrichtslehre" die Note "genügend". Nach diesem Ergebnis und nach der Beurteilung seiner Tätigkeit in der Akademieschule bestand er seine Lehrerausbildung mit "gut". Zugleich erwarb er die Lehrbefähigung für den jüdischen Religionsunterricht und durfte Musikunterricht erteilen.
Zusätzlich bildete sich Julius Hamburger durch die Teilnahme an Arbeitsgruppen im Fach Philosophie weiter. Außerdem hörte er an der Frankfurter Universität "deutschkundliche" Vorlesungen sowie solche des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. An der Hoffmanschen Jeschiwah in Frankfurt, einer jüdischen Hochschule für das Studium der Tora und des Talmud, vertiefte er seine Kenntnisse dieser Schriftwerke.
Von Ostern 1932 bis Januar 1933 unterrichtete er an zwei städtischen Frankfurter Volksschulen. Anschließend wurde er als Lehrer an die Talmud Tora Schule in Burgreppach/Unterfranken berufen, an der er bis Dezember 1937 tätig war. Ab Januar 1938 war er Erzieher im jüdischen Kinderheim "Awaha" in Berlin, das er im August desselben Jahres verließ, um an einer Schule der Berliner Jüdischen Gemeinde sein zweites Lehrerexamen abzulegen.
Am 4. August 1938 bewarb sich Julius Hamburger von Berlin aus an der Hamburger Talmud Tora Schule als Lehrer. Seit dem 15. August 1938 unterrichtete er dort, wofür die Schule zunächst die Genehmigung der Schulverwaltung der Stadt Hamburg benötigte und anschließend die Staatspolizei informieren musste. Julius Hamburger wurde allerdings nur von Monat zu Monat beschäftigt, wovon diverse Schreiben in den überlieferten Schulunterlagen ebenso zeugen wie Listen, in denen er monatlich die Barauszahlung seines Gehalts handschriftlich quittieren musste. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass viele Lehrerinnen und Lehrer kurzfristig aus Deutschland flohen oder fliehen mussten und ein solcher Modus den zunehmend unter Verfolgungsdruck stehenden Jüdinnen und Juden die Emigration erleichterte. Wer diese nicht plante, für den gab es allerdings keine Sicherheit, auch im nächsten Monat noch ein Einkommen zu haben.
Im März 1940 stellte die Talmud Tora Schule Julius Hamburger ein Zeugnis aus, das ihm hohe pädagogische Kompetenz bescheinigte. Danach erteilte er mit "größter Gewissenhaftigkeit und feinem pädagogischem Geschick" einen "anschaulichen und anregenden Unterricht", in dem die Schüler in allen Fächern "gediegenes Wissen" erwerben konnten. Zugleich kümmere er sich aber auch "wie ein Freund und Kamerad um das persönliche Ergehen seiner Zöglinge", "die ihm daher ihr volles Vertrauen schenken".
Im April 1939 wurde die Talmud Tora Schule mit der Israelitischen Töchterschule aus der Karolinenstraße am Grindelhof zusammengelegt. Weil jedoch die Hochschule für Lehrerfortbildung das Gebäude "umgehend" beanspruchte, zog die vereinigte Schule im September 1939 wieder in die Karolinenstraße. 1940 waren dort noch 23 Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt, bei 415 Schülerinnen und Schülern (233 Jungen, 182 Mädchen).
Julius Hamburger unterrichtete jedoch nicht nur an der Talmud Tora Schule, er übernahm 1940 auch die religiöse Betreuung der Kinder des Mädchenwaisenhauses Paulinenstift am Laufgraben 37. Dafür erhielt er im April 1940 eine Bescheinigung der Schule, in der diese festhielt, er dürfe "im Einvernehmen mit der Geheimen Staatspolizei (Herr Polizeioberinspektor Göttsche)" während der Sommermonate auch nach 20 Uhr "an den Freitagabenden sowie an den Vorabenden der Feiertage und an diesen selbst die Straße betreten", um sich vom Laufgraben in seine Wohnung an der Schlüterstraße zu begeben. Die Bescheinigung war erforderlich, denn Jüdinnen und Juden durften seit dem 25. September 1939 nach 20 Uhr ihre Wohnungen nicht mehr verlassen.
Eine ähnliche Bescheinigung benötigte Julius Hamburger drei Monate später erneut. Da wurde er "in Vertretung des Luftschutzhauswartes im Schulhause zum erweiterten Selbstschutz als Brandwache herangezogen". Hierfür musste er die Straße nach 21 Uhr betreten und brauchte auch dazu eine Ausnahmegenehmigung.
Am 27. April 1941 teilte ihm Max Plaut vom Jüdischen Religionsverband Hamburg mit, dass er ihm "auf Veranlassung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland im Zuge der behördlich angeordneten Sparmaßnahmen" zum 30. Juni 1941 und damit zum Ende des Schuljahres 1940/41 kündigen müsse. Die Gemeindeverwaltung setzte ihn anschließend als Erzieher im Waisenhaus Papendamm 3 ein. Bis dahin hatte er zur Untermiete in der Schlüterstraße 63 bei Seligmann gewohnt, nun zog er in das Waisenhaus. Mit den letzten Kindern des Waisenhauses sowie mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wurde Julius Hamburger am 11. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Er wurde 31 Jahre alt.
Stand: Juli 2017
© Frauke Steinhäuser
Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 552-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Bd. 4, Transport nach Auschwitz am 11. Juli 1942, Liste 1; StaH 362-6/10 Talmud-Tora-Schule 1899–1942; Randt: Die Talmud-Tora-Schule, S. 245.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".