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Frieda Hamlet (geborene Hochfeld) * 1868
Caffamacherreihe vor dem Emporio-Hochaus (Hamburg-Mitte, Neustadt)
HIER WOHNTE
FRIEDA HAMLET
GEB. HOCHFELD
JG. 1868
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET
Frieda Hamlet, geb. Hochfeld, geb. am 19.4.1868 in Höxter, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 21.9.1942 im Vernichtungslager Treblinka
Caffamacherreihe vor dem Emporio-Hochhaus (Caffamacherreihe 81)
Frieda Hamlet wurde in Höxter an der Weser in Nordrhein-Westfalen geboren. Das Schicksal der dortigen Jüdinnen und Juden wurde von Fritz Ostkämper auf der Homepage des Pins-Forums ausführlich dokumentiert.
Friedas Urgroßmutter, die Witwe Fretgen Hochfeld (geb. 7.10.1739, gest. 4.4.1839), stammte aus dem Lippischen und ließ sich mit einigen ihrer erwachsenen Kindern im Jahre 1810 in Höxter nieder. Sie war hochbetagt im Alter von 99 Jahren verstorben. Ihr Sohn Aron Samson Hochfeld (geb. 30.5.1784, gest. 19.10.1872) hatte den Lebensunterhalt mit seinen Söhnen als Musiker verdient. Friedas Vater Josef, der am 25. Dezember 1832 in dieser kinderreichen Familie geboren worden war, hatte Flöte gespielt. Darüber schrieb Hermann Krekeler in seinem Buch "Höxters Dönekens aus unserer Väter Tagen": "Familie Hochfeld, Vater und seine fünf Söhne: Michel, Itzig, Mathies, David, Josef, der Vetter Schmul Hochfeld und der Lehrling Heinemann bildeten die Stadtkapelle. Der Alte strich den Baß, Michel die erste Violine, Mathies die zweite, Itzig die Bratsche, David blies Trompete, Schmul spielte Klarinette, Josef die Flöte und der Lehrling half Josef mit bei der Flöte. Sie spielten alle sehr gut und nur gute Sachen. Mozart, Beethoven, Lortzing, Flotow, Verdi etc. gehörten zu ihrem ständigen Repertoire. Sonntags spielten sie regelmäßig auf dem Felsenkeller, und Michel ging bei den Gästen herum und sammelte die Gelder ein. Man gab ihm ein ,Kastenmännchen‘ (2½ Silbergroschen). Alle Spieler stimmten gut zusammen, und nur der Flötenbläser Josef verlor manchmal die Noten und den Takt. Er war immer hungrig, und wenn er einen Gast sah, der ein Butterbrot mit Schinken verzehrte, dann lief ihm das Wasser im Munde zusammen, und er kam aus dem Takte. Aber er wußte sich zu helfen. Er blies dann über das Loch der Flöte weg; man hörte nur pf! pf! pf! Und dazwischen den leisen Ruf ,Heinemann, wo ist es?‘ pf! pf!, bis er den Takt wieder hatte."
Josef Hochfeld hatte am 3. September 1867 Minna Goldschmidt (geb. 13.12.1843) aus Lippspringe geheiratet. Sie bekamen fünfzehn Kinder: Frieda ihre älteste, war am 19. April 1868 geboren worden. Um seine große Familie ernähren zu können, arbeitete Josef Hochfeld neben seiner Tätigkeit als Auktionskommissar und Möbelhändler auch als Vertreter der königlichen-preußischen Hof-Pianoforte-Fabrik, er war Gerichtstaxator und Auswanderer-Agent des Norddeutschen Lloyd. Zudem bekleidete er das Amt des Schriftführers des 1864 gegründeten Turnvereins. Josef und Minna Hochfeld zogen 1901 nach Hannover, wo Josef am 8. März 1905, seine Frau Minna am 20. April 1909 verstarb.
Friedas Brüder besuchten das 1867 gegründete König-Wilhelm-Gymnasium in Höxter. Ob die Eltern auch bei ihren Töchtern Wert auf eine gute Schulbildung legten, ist nicht überliefert.
Am 3. Juli 1895 heiratete Frieda in ihrer Heimatstadt Höxter den am 2. März 1871 in Schötmar in Lippe-Detmold geborenen Viehhändler Max Hamlet. Sohn Alfred wurde am 24. Dezember 1897 in Dortmund geboren. Als Alfred drei Jahre alt war, übersiedelten die Eltern nach England. Dort besuchte Alfred bis 1912 die Volksschule in Maidenhead in Berkshire. Anschließend schickten ihn seine Eltern zu dem Viehhändler Isaak Katz nach Silixen in Lippe, um das Gewerbe seines Vaters zu erlernen. Nach Beendigung einer dreijährigen Ausbildung folgte Alfred seiner Mutter, die im Juli 1915 von London nach Hamburg gezogen war. Denn hier lebten auch vier von Friedas Geschwistern: Alexander Aron Hochfeld (geb. 26.1.1876, gest. 27.3.1951), Milius Hochfeld (s. dort), Alfred Hochfeld (geb. 23.4.1881, s. Stolpersteine in Hamburg-St. Georg) und Mary Hochfeld (geb. 19.8.1878), später verheiratete Stoll.
Alfred Hamlets Vater Max befand sich in "englischer Gefangenschaft", wahrscheinlich wurde er, wie sein Schwager Mathias Max Hochfeld (s. dort) nach Kriegsbeginn in England als feindlicher Ausländer interniert. Alfred wurde in Hamburg zum Heeresdienst eingezogen. Er nahm an den Kämpfen an der Somme, vor Verdun, in Ypern und der Champagne teil. 1918 kehrte er als Unteroffizier, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz II und dem Verwundetenabzeichen in Schwarz, aber auch einem Steckschuss nahe des Lendenwirbels und einer Kampfgasvergiftung aus dem Krieg zurück. Seine Mutter hatte mittlerweile eine eigene Wohnung im Wimmelsweg 9 im Stadtteil Winterhude gefunden. Und auch der Vater Max Hamlet lebte seit Anfang 1918 wieder bei seiner Familie. Ab 1920 wohnten das Ehepaar Hamlet und Sohn Alfred in der Gertigstraße 13.
1925 verließ Familie Hamlet Hamburg und zog nach Detmold in die Weinbergstraße 14. Max Hamlet, im Detmolder Adressbuch als Reisender verzeichnet, betrieb mit seinem Sohn Alfred eine Produktenhandlung en gros, sie handelten mit Edelpelzen und Fellen. Nach einer Geldstrafe, wegen "unlauteren Wettbewerbs", wurde das Geschäft in Detmold 1926 zwangsversteigert.
Nach eigenen Angaben kehrte Familie Hamlet im Mai 1926 nach Hamburg zurück. Anfangs wohnte sie zur Untermiete. 1927 war sie als Hauptmieter in Hamburg-Winterhude im Mühlenkamp 21 gemeldet. Ein Versuch, erneut in den Fellhandel einzusteigen, scheiterte: Da Max und Alfred Hamlet keine Kürschner waren, wurde ihnen der Handel untersagt. 1930 zog die Familie in die Schinkelstraße 10, wo sie eine Eierhandlung und ein Wild- und Geflügelgeschäft eröffnete. Das Geschäft florierte nicht und musste nach kurzer Zeit wieder aufgegeben werden. Vorübergehend wohnten Frieda und Max Hamlet 1931 bei ihrem Sohn Alfred, der als Untermieter in den Großen Bleichen 5 lebte. Im folgenden Jahr wurden sie Hauptmieter am Valentinskamp 62 und zogen 1935 erneut um, in die Caffamacherreihe 81. Ihren Lebensunterhalt versuchten sie durch Untervermietungen zu bestreiten, zudem wurden sie aus öffentlichen Mitteln unterstützt.
Das Ehepaar Hamlet war schwer zuckerkrank, Sohn Alfred hatte ein Nierenleiden und war eigentlich seit Anfang 1933 erwerbsunfähig. Er schlug sich mit Aushilfsarbeiten durch. Im September 1940 emigrierte er nach Belgien und wurde in Brüssel von einem "Emigranten Comitte" unterhalten. Zuletzt soll er sich in einem Hospital in Schaarbeek wegen seines Nierenleidens aufgehalten haben, danach verliert sich seine Spur.
Frieda Hamlet war jetzt auf sich allein gestellt, da ihr Mann Max bereits am 14. August 1937 im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg verstorben war. Sie wurde "lungentuberkulös" und nach einem Krankenhausaufenthalt von einer "jüdischen Schwester" überredet, ihre Wohnung aufzugeben. Sie gehörte zu den ersten Bewohnern, die in das neu eingerichtete jüdische Altenheim "Nordheim-Stift" in der Schlachterstraße 40/42 einzogen. Vier Parterrewohnungen des 1882 gegründeten Marcus-Nordheim-Stifts waren zu diesem Zweck umgebaut worden. Die bestehenden Altenheime der Jüdischen Gemeinde waren überbelegt, und die Einweisung in staatliche Versorgungsheime sollte so vermieden werden. Da sich Frieda Hamlet wegen ihrer Diabetes anders ernähren musste als die übrigen Heimbewohner und sie in ihrer neuen Unterkunft nicht kochen konnte, ging sie tagsüber zu ihrer jüngeren Schwester Mary Stoll, geb. Hochfeld, in die Greifswalderstraße 60.
Frieda Hamlet erhielt im "Nordheim-Stift" ihren Deportationsbefehl, sie wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt gebracht und von dort am 21. September 1942 weiter ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie ermordet wurde.
Die letzte Adresse ihrer Schwester Mary Stoll war als Untermieterin in der Eichenstraße 52 in Hamburg-Eimsbüttel. Sie wurde von ihrer Tochter Mathilde (geb. 14.8.1918) finanziell unterstützt, die als Verkäuferin im Modehaus der Gebrüder Robinsohn arbeitete, bis das Geschäft am Neuen Wall in der "Reichskristallnacht" demoliert und Anfang 1939 "arisiert" wurde. Mathilde galt gemäß den Rassengesetzen des NS-Staates als "Halbjüdin", da ihr Vater Johannes Stoll nichtjüdisch war. Obwohl Mary Stolls "privilegierte Mischehe" geschieden war, blieb sie zunächst unbehelligt. Sie verlor diesen Schutz, nachdem ihre Tochter am 16. Januar 1944 im Universitätskrankenhaus Eppendorf an Diphtherie verstorben war. Mary Stoll erhielt ihren Deportationsbefehl zwei Tage nach dem Tod ihrer Tochter. Am 19. Januar 1944 wurde sie mit einem Transport, in dem sich vorwiegend "Geltungsjuden", Partner aus aufgelösten "Mischehen" oder Witwen und Witwer, deren "arische" Ehepartner verstorben waren, befanden, nach Theresienstadt deportiert. Mary Stoll wurde am 15. Mai 1944 in Auschwitz ermordet.
Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl
Quellen: 1; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1252 (Hamlet, Frieda); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1251 (Hamlet, Alfred); StaH 332-5 Standesämter 1066 u 1416/1937; StaH 332-5 Standesämter 9947 u 84/1944; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; StaH 332-8 Meldewesen K 6193; StaH 22-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; Behrens: Stolpersteine, S. 92; Meyer: Verfolgung, S. 79-87; Bajohr: "Arisierung", S. 138; Fritz Ostkämper, Juden der ärmeren Schichten – die Familie Hochfeld in: Jacob Pins Gesellschaft Kunstverein Höxter e. V. Jüdische Bürger in Höxter, www.jacob-pins.de (Zugriff 3.2.2015) Dokumente und Ausführliche Informationen über Familie Hochfeld aus Höxer von Fritz Ostkämper am 3.7.2016; diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".