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Werner Hammerich * 1940
Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)
ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN
WERNER HAMMERICH
GEB. 10.4.1940
ERMORDET 27.3.1941
Weitere Stolpersteine in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer
Werner Hammerich, geb. am 10.4.1940 in Hamburg, getötet am 27.3.1941 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"
Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560
Werner Hammerich kam am 10. April 1940 in Hamburg-Wandsbek zur Welt. Seine Mutter, Paula Hoffmann, geb. Hammerich, war seit 1938 Witwe, sie hatte Werner als ihr viertes Kind zur Welt gebracht. Er war ein uneheliches Kind, evangelisch getauft und wuchs in ihrer Wohnung in Hamburg-Horn im Wilhelm-Wolf-Weg 44 (diese Straße, die vom Helma-Steinbach-Weg abging, existiert heute nicht mehr) mit seinen Geschwistern auf.
Werner konnte nicht gestillt werden und verweigerte zunächst jede Nahrungsaufnahme. Zwei Tage nach seiner Geburt wurde er von Dr. Siegel mit der Diagnose "Mongolismus" in das Allgemeine Krankenhaus Wandsbek überwiesen. Der vom 12. bis 22. April 1940 dort behandelnde Arzt, Dr. Andresen, stellte ebenfalls "typischer Mongolismus" fest und vermerkte, Werner zeige keine Trinkschwäche mehr. Die Anzeige dieses Falls ging daraufhin an das Hauptgesundheitsamt. Werner wurde noch einmal am 15. Oktober 1940 für einen Tag in das Krankenhaus Wandsbek gebracht, und ein Dr. Rübbe bestätigte dort die Diagnose.
Von der Fürsorge erhielt Paula Hoffmann im März 1941 die Aufforderung, mit ihrem Kind zum Gesundheitsamt zu kommen. Am 10. März 1941 brachte sie Werner mit einem Attest vom Hauptgesundheitsamt und der Diagnose "Geisteskrankheit" in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn". Dr. Knigge verzeichnete dazu: "Laut Attest des Hauptgesundheitsamtes wird das Kind von der Mutter zur Behandlung gebracht." Werner lebte dort nur siebzehn Tage.
Die letzten drei Tage protokollierte Friedrich Knigge: "25. III. 42. Ist somnolent [benommen] Atmung beschleunigt. 26. III. 42. Morgens 38,2 Temperatur, nachmittags 40,2 Grad. Puls klein, fliegend. Erscheinungen einer Pneumonie 27. III. 42. Exitus letalis [tödlicher Ausgang] Diagnose: Mongoloide Idiotie. Bei der Sektion stellte sich heraus, daß nicht wie angenommen eine Bronchosondern eine beiderseitige croupöse Pneumonie vorlag. Dr. Knigge"
Die Mutter erhielt am selben Tag um 16:30 Uhr folgendes Telegramm: "Sohn Werner verstorben erbitten Geburtsurkunde Anstalt Langenhorn" und vier Tage später ein weiteres: "Erbitten Sofortanruf 57 80 01. Langenhorn".
Im Sektionsprotokoll vom 29. März 1941 vermerkte Knigge: "Gehirn makroskopisch o.B. (wird eingelegt)". Ob für die Obduktion eine Genehmigung der Mutter eingeholt wurde, muss bezweifelt werden.
Werner Hammerich war das erste Kind, das in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" getötet wurde. Nach eigenen Aussagen vor dem Landgericht am 15. Januar 1946 verabreichte Friedrich Knigge ihm am 25. März eine Spritze mit dem Schlafmittel Luminal. Daraufhin verstarb Werner an einer Lungenentzündung, am 27. März 1941 um 14:30 Uhr in Haus F 7. Im Protokoll und der Todesbescheinigung gab Knigge als Todesursache "Mongoloide Idiotie, Bronchopneunomie" an, abgezeichnet mit der Unterschrift von Dr. Friedrich Ofterdinger und dem Stempel der Gesundheitsbehörde.
Werner wurde 11 Monate, 2 Wochen und 3 Tage alt.
Sieben Tage später wurde Werner Hammerich am 3. April 1941 um 9:00 von Langenhorn auf den Ohlsdorfer Friedhof Kapelle 12 überführt. Um 10:30 Uhr fand seine Beisetzung durch den Beerdigungsunternehmer Schröder, Martinistraße, auf Kosten der Sozialverwaltung statt, Grablage Bf 66, Reihe 47, Nr. 25. Seine Grabstelle ist nicht mehr erhalten.
Nach dem Krieg gab Friedrich Knigge in einer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht Hamburg zum Fall Werner Hammerich als Rechtfertigung an: Die Mutter sei mit der "Behandlung" einverstanden gewesen. Sie habe die "Behandlung sogar (gewünscht), damit nicht ihre gesunden Kinder weiterhin durch das Kind, das fortlaufend entsetzliche Grimassen schnitt, geängstigt würden". Friedrich Knigge fürchtete bei einer eventuellen Obduktion den Nachweis und tötete deshalb mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen der Kinder, wie bei Werner, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.
In ihrer Zeugenaussage vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht Hamburg am 15. Januar 1948 erinnerte sich Werners Mutter, die Witwe Paula Hoffmann, geb. Hammerich: "[…] der Arzt fragte mich, ob ich wüßte, wie es mit dem Kind stehe. Ich sagte daraufhin: ‚Ja‘. Er erklärte darauf, daß an dem Kind ein Eingriff gemacht werden würde, wenn ich dazu meine Zustimmung erteile. Der Zweck des Eingriffs wäre der, das Kind gesund zu machen. Anschließend fragte er mich, was ich wohl dazu sagen würde, wenn das Kind bei dem Eingriff sterben würde. Über die Antwort, die ich dem Arzt auf diese Frage erteilt habe, verweigere ich die Antwort. Ich habe die Vorgänge so in Erinnerung, daß ich am nächsten Tage Werner in die Krankenanstalt Langenhorn gebracht habe und einen Tag später bereits das Telegramm erhielt, daß Werner verstorben sei."
Der Mediziner Marc Burlon machte im Jahre 2006 eine erschreckende Entdeckung: Im Keller des Universitätskrankenhauses Eppendorf, in der neuropathologischen Sammlung, fand er die histologischen Präparate von Werner Hammerich zusammen mit denen der Kinder Gerda Behrmann, Marianne Harms und Dieter Kullak, Opfer der "Euthanasie"-Verbrechen in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn", und Agnes Erna Petersen (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de), Opfer der "Euthanasie"-Verbrechen in der "Kinderfachabteilung" des Kinderkrankenhauses Rothenburgsort.
Am 15. September 2012 wurden diese im Rahmen einer öffentlichen Trauerfeier zusammen auf dem Friedhof Ohlsdorf, dem Ehrenfeld für Verfolgte der NS-Herrschaft der Geschwister-Scholl-Stiftung, bestattet, Grablage Bo 73, Nr. 155.
Stand: Januar 2023
© Margot Löhr
Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0013 Bd. 060 Sonderakte Bd. 40, Schirbaum, Gottfried u. a., Akte 28357, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm u. a., S. 69, 132 f., 159 f.; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64155 u. 193/1941 Werner Hammerich; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9925 u. 193/1941 Werner Hammerich; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1941 Sta 1b Nr. 193 Werner Hammerich; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 Nr. 20 Akte 28357; Standesamt Hamburg-Wandsbek, Geburtsregister, Nr. 390/1940 Werner Hammerich; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister 1941, Nr. 2911; Hildegard Thevs: Stolpersteine in Hamburg-Rothenburgsort. Biographische Spurensuche, Hamburg 2011, S. 204 (Agnes Petersen).