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Manfred Bala * 1939
Amelungstraße 4 (Hamburg-Mitte, Neustadt)
HIER WOHNTE
MANFRED BALA
JG. 1939
DEPORTIERT 1943
’HEILANSTALT’
KALMENHOF
ERMORDET 11.11.1943
Weitere Stolpersteine in Amelungstraße 4:
Harriet Elias
Manfred Bala, geb. am 27.12.1939 in Hamburg, eingewiesen am 18.1.1943 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt am 7.8.1943 in die Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof in Idstein, ermordet am 11.11.1943
Amelungstraße 4 (Amelungstraße 6)
Als Manfred Bala am 27. Dezember 1939 in einer Frauenklinik in Altona geboren wurde, befand sich seine Mutter Edith Gertrud Bala (geb. 27.4.1917) in schwierigen finanziellen Verhältnissen. Sie bestritt ihren Lebensunterhalt als Hausangestellte und Arbeiterin, zum Zeitpunkt der Schwangerschaft war sie beschäftigungslos. Edith Bala war als uneheliches Kind der Erna Fehn, geb. Bala (geb. 27.12.1886 in Mołodycz) und des Nieters Theodor Kostka (geb. 21.12.1888 in Körnitz) im ehemaligen Gängeviertel der Neustadt im Amidammachergang 10 aufgewachsen. Ihre Mutter hatte 1921 den Hafenarbeiter Peter Fehn (geb. 4.8.1880 in Rottelsdorf) geheiratet, Halbschwester Maria kam kurz zuvor auf die Welt.
Edith besuchte zunächst eine katholische Schule und lebte dann eine Zeit lang im Waisenhaus in der Averhofstraße, weil Erna Fehn ihre Töchter wegen einer Nervenerkrankung nicht mehr angemessen versorgen konnte. Nach dem Tod der Mutter, sie starb am 1. April 1938, bewohnte Edith Bala ein spärlich möbliertes Zimmer in der Amelungstraße 6 zur Untermiete bei Ösinghaus. Da sie weder für sich noch für ihr Kind ein Bett besaß, wurde Manfred zunächst in verschiedenen Kinderheimen untergebracht. Wer sein Vater war, ist nicht überliefert.
Im Juli 1941 wurde Manfred wieder in die Obhut seiner Mutter entlassen, bis ihr das Jugendamt 1942 wegen "völliger Vernachlässigung" des Kindes das Sorgerecht entzog. Manfred wurde unter Vormundschaft gestellt und kam in das Johannes-Petersen-Heim nach Volksdorf (1906 von der Pestalozzi-Stiftung von Freimaurern gegründet). Kurz nach seiner Unterbringung ersuchte seine Erzieherin Leni Maack um die Verlegung in eine "geeignete Umgebung". Nach ihrer Ansicht war Manfred ein "schwachsinniges" Kind und belastete die Gruppengemeinschaft. Sie beschrieb ihn als vollkommen hilflos, unberechenbar und schwer zu beaufsichtigen. Am 20. Oktober 1942 wurde Manfred mit einer Scharlacherkrankung ins Krankenhaus St. Georg eingewiesen. Nach einer Untersuchung urteilte die Ärztin Puls: "nicht unintelligenter Ausdruck, lacht und weint durcheinander, lässt sich nicht beruhigen. Sonst fröhlich, ruhig, für sein Alter geistig stark unterentwickelt".
Am 18. Januar 1943 wurde der dreijährige Manfred "unsauber" und mit zerrissener Kleidung aus dem Johannes-Petersen-Heim in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) abgegeben. Er sprach noch nicht, Laufen hatte er bereits gelernt.
Doch auch in Alsterdorf blieb Manfred Bala kaum Zeit sich einzugewöhnen. Sieben Monate später, am 7. August, gehörte er zu den Jungen zwischen zwei und zwölf Jahren, die unter dem Vorwand, der Anstaltsbetrieb könne wegen der Beschädigung durch alliierte Luftangriffe in der Nacht auf den 13. Juli 1943 nicht mehr aufrechterhalten werden, in den Kalmenhof zu Idstein im Taunus kamen. Der Transport wurde durch die "Gemeinnützige Krankentransport GmbH", kurz Gekrat, ausgeführt. Ausgewählt wurden, wie es im Anstaltsjargon hieß, "tiefstehende Pfleglinge".
Die "Idiotenanstalt Calmenhof" war 1888 als eine freigemeinnützige Einrichtung von wohlhabenden christlichen und jüdischen Frankfurter und Wiesbadener Bürgern gegründet worden. In der ursprünglich pädagogisch fortschrittlich orientierten Anstalt erhielten Kinder mit Lernbehinderungen eine schulische und berufliche Ausbildung. In den 1920er Jahren wurde die Anstalt in "Heilerziehungsanstalt Kalmenhof" umbenannt.
Während des Nationalsozialismus wurde der Kalmenhof in die erste Phase des "Euthanasie"-Programms der sogenannten Aktion-T4, eine Tarnbezeichnung nach dem Sitz der Berliner Bürozentrale in der Tiergartenstraße 4, einbezogen. Die Patientinnen und Patienten wurden von dort der benachbarten Tötungsanstalt Hadamar zugeführt. Nach dem offiziellen Stopp im August 1941 entschieden im Anschluss, in der zweiten dezentralen Phase der Euthanasie, die verantwortlichen Anstaltsärzte über die Tötungen behinderter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener.
"Im Kalmenhof regiert jetzt der Tod." So beschrieb 1942 der Idsteiner Pfarrer Boecker, Mitglied der Bekennenden Kirche, der zu den Beerdigungen auf dem Anstaltsfriedhof herangezogen wurde, die dortigen Zustände. In der Ende 1941 eingerichteten "Kinderfachabteilung" wurde gezielt durch Medikamente oder Vernachlässigung getötet. Die Selektionen der Kinder wurden während der Rundgänge des Anstaltsdirektors Wilhelm Großmann und der Ärztin Mathilde Weber vorgenommen. 32 der Alsterdorfer Kinder kamen nach ihrer Ankunft sofort in die "Kinderfachabteilung". Manfred Bala gehörte zu den übrigen 20 Kindern, die zunächst in einer anderen Abteilung der Anstalt untergebracht wurden. Aber auch sie entgingen ihrem Schicksal nicht. Manfred Bala, noch keine vier Jahre alt, fand am 11. November 1943 im Kalmenhof den Tod. Am selben Tag wurde auch der kleine Klaus-Dieter Braasch (s. dort) dazu bestimmt. Von den 52 Kindern aus den Alsterdorfer Anstalten erlebte nur ein einziges Kind das Kriegsende.
Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl
Quellen: StaH 332-5 Standesämter 7204 u 357/1938; StaH 332-5 Standesämter 3398 u 1/1921; StaH 24-111 Amstgericht Altona 8297 (Vormundschaftswesen); Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf V40 Manfred Bala; Wunder: Exodus, S. 189–195.