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Gerda Ingeborg Hass * 1929
Mittelweg 22/24 (Eimsbüttel, Rotherbaum)
HIER WOHNTE
GERDA INGEBORG
HASS
JG. 1929
EINGEWIESEN 1932
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 9.3.1943
MESERITZ-OBRAWALDE
ERMORDET 12.4.1943
Gerda Hass, geb. 12.11.1929 in Altona, aufgenommen in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 7.4.1932, verlegt in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn am 9.3.1943, verlegt in die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde am 9.4.1943, gestorben am 23.4.1943
Mittelweg 22-24 (Rotherbaum)
Gerda Hass, geboren am 12. November 1929 in der damals noch selbständigen Stadt Altona, war das älteste Kind des Schusters Wilhelm Hass, geboren am 17. Oktober 1902 in Borsfleth bei Glückstadt, und seiner Ehefrau Lina Christine Bertha, geb. Waitz, geboren am 8. Oktober 1900 in Hamburg. Gerdas Eltern hatten am 20. April 1929 in Hamburg geheiratet. Sie bekamen bis 1938 weitere fünf Kinder, von denen eines sehr früh gestorben sein soll.
Die Familie wohnte dann im Mittelweg 22-24 im Stadtteil Rotherbaum.
Im Februar 1932 wies ein niedergelassener Arzt die gut zweijährige Gerda Hass wegen einer chronischen Nierenerkrankung und Entwicklungsstörungen in die Klinik des Hamburger Säuglingsheim e.V., in der nahen Hochallee 1 ein. Die Ärzte der Klinik diagnostizierten, wie sie in der Überweisung an die damaligen Alsterdorfer Anstalten schrieben, "eine ausgesprochene Idiotie" ("Idiotie" ist ein veralteter heute nicht mehr gebräuchlicher Begriff für eine schwere Form der Intelligenzminderung). Auffällig war wohl auch, dass Gerda Hass im Bett zudem wiegende Bewegungen machte und, wenn sie an der Hand von jemandem lief, beide Knie beugte.
Gerda Hass wurde am 7. April 1932 in den Alsterdorfer Anstalten aufgenommen. Der Anstaltsarzt Gerhard Kreyenberg vermerkte im Juli 1932 zur Begründung eines weiterhin notwendigen Anstaltsaufenthalts, Gerda Hass leide an Schwachsinn erheblichen Grades (Der heute nicht mehr verwendete Begriff "Schwachsinn" bezeichnete eine Intelligenzminderung bzw. angeborene Intelligenzschwäche). Sie sei in der Körperpflege unselbständig, schreie viel, sei überhaupt sehr schwer zu behandeln, schlage sich häufig mit der Faust auf den Kopf. Sie sei nur schwer sauber zu halten, können schlecht laufen, spreche nicht, vertrage sich schlecht mit ihren Mitzöglingen, bedürfe dauernder Beaufsichtigung.
Diese Beurteilung wiederholte sich inhaltlich in den folgenden Jahren. Laut Patientenakte lag Gerda Hass während des Winters 1939/1940 täglich angegurtet im Bett oder wurde durch eine Schutzjacke (umgangssprachlich "Zwangsjacke") weitgehend bewegungseingeschränkt, denn sie habe mit dem Kopf gegen ihr Bett, gegen Wände und Tisch geschlagen, so dass sie blutete.
Im Sommer 1941 hieß es, Gerda habe sich ruhig verhalten, gern im Garten mit Spielsachen beschäftigt und sei fröhlich gewesen. Für die Zeit ab Herbst 1941 findet in der Patientenakte wieder das anfängliche Verhaltensmuster. Anfang 1943 unterstellte Gerhard Kreyenberg dem Mädchen gar absichtsvolle negative Charakterzüge: "Sie wirft mit Absicht Töpfe mit Inhalt unter die Betten und hüpft vor Schadenfreude und Vergnügen, wenn andere schimpfen und sich ärgern. Sie freut sich auch, wenn andere Kinder bestraft werden."
Gerda Hass wurde am 9. März 1943 zusammen mit mindestens sieben weiteren Bewohnerinnen in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt. NSDAP- und SA-Mitglied Kreyenberg notierte an diesem Tag, Gerda Hass leide an Idiotie, zeige einen starken Zerstörungstrieb, schreie viel und gellend, sei unbeeinflussbar. Die Verlegung nach Langenhorn sei erforderlich. Dort wiederholte der Anstaltsarzt Saupe im Wesentlichen diese Beurteilungen.
Einen Monat nach ihrer Überweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn wurde Gerda Hass am 9. April 1943 mit 49 weiteren Patientinnen in die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde in der damaligen Provinz Brandenburg (heute Polen) transportiert.
Diese Anstalt war 1942 Teil der dezentralen "Euthanasie" geworden. Unmittelbar nach der Ankunft der Patientinnen und Patienten entschied das ärztliche Personal aufgrund der körperlichen Verfassung darüber, ob jemand sofort zur Tötung bestimmt wurde oder zunächst noch arbeiten musste, z.B. in der Gärtnerei oder in der Nähwerkstatt. Die nicht mehr Arbeitsfähigen erhielten Medikamente, die zum Tode führten.
Gerda Hass starb drei Tage nach ihrer Abreise aus Langenhorn am 12. April 1943 in Meseritz-Obrawalde, laut Eintrag in der Patientenakte an "Lungenentzündung".
Es kann als sicher angenommen werden, dass Gerda Hass eines gewaltsamen Todes gestorben ist.
Stand: November 2021
© Ingo Wille
Quellen: StaH 332-5 Standesämter 13205 Heiratsregister Nr. 233 Wilhelm Hass/Lina Christine Bertha Waitz, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1995/1 Nr. 31308 Gerda Hass; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Patientenakte V 263 (Gerda Hass). Michael Wunder, Die Transporte in die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde, in: Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 377 ff.