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Arthur Hauptmann * 1869
Woldsenweg 6 (Hamburg-Nord, Eppendorf)
1942 Theresienstadt
1942 Treblinka ermordet
Weitere Stolpersteine in Woldsenweg 6:
Selma Hauptmann
Arthur Hauptmann, geb. 28.4.1869 in Kreuzburg/ Oberschlesien, deportiert 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert 21.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka
Selma Hauptmann, geb. Baumgarten, geb. 27.10.1868 in Berlin, deportiert 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert 21.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka
Woldsenweg 6
Arthur und Selma Hauptmann wohnten seit 1900 in Hamburg. Ihre Söhne Walter Moritz Hauptmann (geb. 6.4. 1905) und Gerhard Hauptmann (geb. 23.2.1913) wurden hier geboren. Die Familie lebte am längsten (u. a. von 1913–1933) im Woldsenweg 6 im Stadtteil Eppendorf. Arthur Hauptmann ließ sich im März 1906 von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg als Mitglied registrieren. Auch für die Söhne wurde, nach deren religiöser Mündigkeit und wirtschaftlicher Eigenständigkeit, eine eigene Kultussteuerkarte ausgefüllt. 1909 erwarb Arthur Hauptmann das Bürgerrecht der Hansestadt.
Erstmalig wies das Hamburger Adressbuch von 1900 Arthur Hauptmann als Redakteur der "Neuen Hamburger Zeitung" aus, einem 1896 gegründeten links-liberalen Blatt des Girardet-Verlags für bürgerliche Leser. Justus Hendel, der Schwiegersohn von Wilhelm Girardet (Essen), leitete das Blatt, Chefredakteur war seit 1902 Curt Platen (seit 1910 Bürgerschaftsmitglied der DDP), es arbeiteten 12 bis 15 Redakteure und rund 200 bis 250 Angestellte. Als Arthur Hauptmann 1909 das Bürgerrecht der Hansestadt erwarb, wurde er dort als Handelsredakteur vermerkt.
Die "Neue Hamburger Zeitung", die einen anspruchsvollen Kulturteil, aber kein Massenpublikum hatte, wurde mit Gewinnen des unpolitischen Anzeigenblatts "General-Anzeiger für Hamburg-Altona" innerhalb des Verlags finanziert. Beide Zeitungen saßen am Gänsemarkt 21/22 im verlagseigenen "Girardet-Haus", das 1896 in hellem Sandstein erbaut worden war, rückwärtig (Poststraße 20) schloss sich das Druckereigebäude von 1913/1914 in rotem Klinker an. Im August 1922 fusionierten beide Blätter zum Hamburger Anzeiger. Erfolgreich kombinierte das neue Blatt Positionen der gebildeten Mittelschicht und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) der Weimarer Regierungskoalition mit einem umfangreichen Anzeigenteil. Ab Mitte der 1920-er Jahre war sie die auflagenstärkste Hamburger Zeitung. Auch im Adressbuch von 1928 wurde Arthur Hauptmann als Schriftleiter (= Redakteur) ausgewiesen.
In der Wirtschaftskrise stieg die tägliche Auflage des Hamburger Anzeigers von 135.000 Exemplaren (1927) über 139.000 (1928) und 148.000 (1929) auf 159.000 Exemplare (1930). Die Mehrzahl der Kommentare verfasste der neue Chefredakteur Alois Winbauer und bezog dabei eine äußerst kritische Haltung gegenüber Hitler und der NSDAP. Am 27. Februar 1933 und 5. März 1933 wurden die Verlagsräume am Gänsemarkt von SA-Männern gestürmt, um Belegschaft und Herausgeber einzuschüchtern. 1933 brachte die NSDAP durch ein neues Gesetz und personelle Säuberungen die gesamte Presse unter ihre Kontrolle. Dies traf auch den Hamburger Anzeiger. die Zeitung wurde ab dem 29. März 1933 verboten und der bisherige Chefredakteur Alois Winbauer entlassen. Am 20. April 1933 erschien das Blatt unter dem alten Namen wieder, hatte aber inhaltlich nichts mehr mit dem Vorläufer gemein. Chefredakteur war nun Hans Jacobi, der Hauptschriftleiter des NSDAP-Organs "Hamburger Tageblatt". Der Herausgeber und Mitinhaber Julius Hendel konnte dem nicht entgegensetzen. Mit dem Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 mussten Journalisten nun für ihre Berufsausübung einen Antrag stellen, der eine "arische Abstammung" und NS-freundliche Gesinnung voraussetzte.
Dies traf Arthur Hauptmann nicht mehr. Er hatte bereits im Zuge der internationalen Weltwirtschaftskrise 1929 seine Anstellung beim Hamburger Anzeiger verloren und arbeitete, mittlerweile 64 Jahre alt, nun als Bankangestellter. Trotzdem fand sich noch 1932 und 1933 sein Name mit der Berufsangabe "Schriftführer" und der Wohnadresse Woldsenweg 6 im Hamburger Adressbuch.
Im November 1930 machte sich der ältere Sohn Walter Hauptmann (siehe dessen Biografie) als Vertreter im Mineralölhandel selbständig. Er arbeitete von der elterlichen Privatadresse Woldsenweg 6 aus. Walter Hauptmann war seit Mitte der 1930-er Jahre mit Gertrud, geb. Winckler, geschiedene Klöhn (geb. 1.10.1908 in Hamburg) verheiratet. Vermutlich 1936, nach seiner Heirat, zog er aus der elterlichen Wohnung in die Straße Rehagen 13 II.Stock aus, doch die Ehe scheiterte. Nach der Trennung kehrte er ab Juni 1937 wieder zu seinen Eltern zurück, die seit April 1937 im selben Haus ein Stockwerk höher wohnten.
Walter Hauptmann gab sich staatlichen Stellen gegenüber als evangelisch und "arisch" aus, was bis 1937 unbeanstandet blieb. Seine finanziell angespannte Situation und die Auftragsflaute seiner Firma versuchte er durch kleinere Tricks zu verschleiern. Ein daraus resultierendes Strafverfahren und die Verurteilung im Juli 1937 zu zwei Wochen Haft sah er zu Recht als Auftakt für weitere Diskriminierungs- und Verfolgungsschritte. Noch im Juli 1937 wurde die Firma von Walter Hauptmann im Handelsregister gelöscht. Er selbst floh, vermutlich nach Verbüßung seiner Haftstrafe, Anfang September 1937 in Richtung Frankreich. Unklar ist, ob das Ehepaar geschieden war und ob sie gemeinsam oder getrennt oder die Ehefrau gar nicht auswanderten. Der Reichsanzeiger vom 16. Juni 1939 jedenfalls zeigte die Ausbürgerung von Walter Hauptmann und seiner Ehefrau Gertrud Hauptmann geb. Winckler an.
Walters Bruder Gerhard Hauptmann reiste im Dezember 1937 in die USA aus.
Arthur und Selma Hauptmann, die bis 1933 im Hamburger Adressbuch mit der Eppendorfer Wohnadresse Woldsenweg 6 eingetragen waren, lebten von 1934 bis 1937 vermutlich zur Untermiete. 1936 meldete Arthur Hauptmann der jüdischen Gemeinde, er sei erwerbslos. Erst nach der Flucht seines älteren Sohnes ins Ausland tauchte Arthur Hauptmann im Adressbuch von 1938 wieder mit einem Eintrag "Hauptmann, Arth., Rehhagen 13, Tel. 52 58 52" auf. Unter dieser Hummelsbütteler Adresse war vorher der Sohn als Hauptmieter mit der Berufsbezeichnung "Handelsvertreter" (1935) bzw. "Mineralölvertr." (1937) verzeichnet gewesen. Zwei Jahre später vermerkte die Jüdische Gemeinde auf der Kultussteuerkarte für die 68 und 69 Jahre alten Eheleute Hauptmann "kein Einkommen u. kein Vermögen".
Eine Emigration wäre nur mit massiver finanzieller Unterstützung des Familienumfeldes möglich gewesen. Ende November 1940 waren die mittellosen Eheleute auf die "Winterhilfe" der Jüdischen Gemeinde angewiesen. Am 2. Juli 1941 wurden sie vom Wohnungsamt in eine kleine Wohnung in der Bundesstraße 43 (Rotherbaum) eingewiesen, die dortigen 56 Wohnungen der 1890/91 erbauten John R. Warburg Stiftung dienten als "Judenhaus" der Vorbereitung der Deportationen.
Am 15. Juli 1942 wurden Arthur und Selma Hauptmann ins Getto Theresienstadt und von dort am 21. September 1942 weiter ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort vermutlich bald nach der Ankunft ermordet. Ihr genaues Todesdatum ist nicht bekannt. Für sie wurden im Februar 2008 Stolpersteine vor ihrem ehemaligen Wohnhaus im Woldsenweg 6 (Eppendorf) verlegt.
Walter Hauptmann wurde vom Lager Drancy aus am 15. Mai 1944 ins Getto Kaunas (russisch Kowno, deutsch Kauen) im besetzten Litauen deportiert. Über sein Todesdatum und den Sterbeort liegen keine Angaben vor. Für ihn wurde in der Brahmsallee 18 ein Stolperstein verlegt.
Stand September 2015
© Björn Eggert
Quellen: StaH 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen), 05142/38 (Walter Hauptmann); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 16 (Bürger-Register 1906–1910, Buchstabe A-H), Arthur Hauptmann; StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), B III 101 829 (Akte zu Arthur Hauptmann, 1909); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Arthur Hauptmann, Gerhard Hauptmann, Walter Hauptmann; StaH 731-1 (Handschriftensammlung), 1313 (Uwe Teuchert, Die Gleichschaltung der Hamburger Tageszeitungen 1933, Diplomarbeit an der Universität Hamburg, Hamburg 1984, S. 43–45 u. 79–82 Hamburger Anzeiger); StaH 731-8 (Zeitungsausschnittsammlung), A 773 (Winbauer, Alois); Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv (Walter Hauptmann, HR-Nr. A 36752); Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933–45 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen, München 1985, Band 1, S. 176 (Walter Hauptmann, Reichsanzeiger Nr. 136); Bundesarchiv Koblenz, Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Internet; Staatsarchiv Hamburg, Gedenkbuch. Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg 1995, Seite 150 (Arthur Hauptmann, Selma Hauptmann, Walter Hauptmann); Memorial de la Shoah (Frankreich), Internet (Deportationsliste mit dem Namen von Walter Hauptmann); Hermann Hipp, DuMont Kunst-Reiseführer Hamburg, 1990, S. 188, 191 (Girardet-Haus); Werner Skrentny (Hrsg.), Hamburg zu Fuß, Hamburg 1987, S. 32 (Hamburger Anzeiger); Hamburger Adressbuch 1900, 1904–1910, 1913, 1921, 1928, 1932–1935, 1937–1939; Hamburger Adressbuch (Straßenverzeichnis, Brahmsallee 18), 1938; Hamburger Fernsprechbuch 1931; Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1935, S. 345 (Walter Hauptmann); wikipedia, Hamburger Anzeiger (eingesehen am 6.5.2014); www.ancestry.de (eingesehen am 7.10.2014, Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei Gertrud Hauptmann geb. Winckler).