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John Hausmann * 1884
Adolphsplatz 1 (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)
JOHN HAUSMANN
JG. 1884
FLUCHT 1941 FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ
ERMORDET 26.8.1942
Weitere Stolpersteine in Adolphsplatz 1:
Valentin Burchard, Leopold Cohn, Otto Friedeberg, Ludwig Moritz Mainz, Heinrich Mayer, Ivan Philip, Franz Max Rappolt, Paul Salomon, Max Stein, Dr. Heinrich Wohlwill, Cäsar Wolf, Leo Wolfsohn
John Hausmann, geb. am 22.11.1884 in Hamburg, gestorben am 26. oder 28.8.1942 in Auschwitz
Mitglied des Vorstands der Getreidebörse spätestens 1928–1933
Am 22. November 1884 kam John Hausmann als mittleres von drei Geschwistern einer jüdischen Familie in Hamburg zur Welt.
Sein Vater Louis Hausmann war im damaligen Ratibor in der preußischen Provinz Schlesien am 15. April 1835 geboren. Im Jahr 1868 war er nach Hamburg gezogen. Zunächst war er als Handlungsgehilfe gemeldet, doch schon 1872 mit einem Bank- und Geldwechselgeschäft an der Ellernthorsbrücke 11 verzeichnet. John Hausmanns Mutter Friederike, geb. Schönberg, war am 15. Dezember 1834 im damals ostpreußischen Stallupönen zur Welt gekommen. Ihr erstes Kind, die Tochter Gertrud, wurde 1881 noch auf St. Pauli in der Karolinenstraße 2 geboren. Im Geburtsjahr von John Hausmann, 1884, lebte die Familie bereits in einer Etagenwohnung in den Colonnaden 36. Bruder Walther wurde 1887 geboren, verstarb jedoch bereits im Alter von 4 Jahren. Zwischen 1887 und 1890 zog die Familie nach Harvestehude in eine Parterrewohnung in der Hansastraße 18.
Ungefähr Anfang 1893 meldete das Bank- und Geldwechselgeschäft Louis Hausmann Konkurs an. Louis Hausmann, in den Quellen auch als Fondshändler bzw. "Banquier" bezeichnet, wurde am 13. August 1893 als vermisst gemeldet und am 10. November 1893 tot in der Elbe aufgefunden. Friederike Hausmann trat mit Unterstützung zweier offiziell verpflichteter Assistenten die Vormundschaft über die beiden Kinder John und Gertrud an. Als Witwe zog sie mit ihnen zur Rutschbahn 23 um. Drei Jahre später, am 17. Oktober 1896, starb auch sie. Wie bereits ihr Sohn Walther wurden Louis und Friederike Hausmann auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf bestattet. Wo die noch minderjährigen Kinder John und Gertrud in den folgenden Jahren aufwuchsen, ist nicht bekannt.
Gertrud Hausmann wurde 1907 im Hamburger Melderegister nach New York abgemeldet, nachdem sie schon drei Jahre zuvor einmal dorthin gereist war. John Hausmann hatte mittlerweile seine Ausbildung beendet und arbeitete in der Firma J. H. Friedländer & Co., die ihr Kontor in unmittelbarer Nähe zu Rathaus und Börse in der Schauenburgerstraße 34 hatte. Das Unternehmen, das auf den Export und Import von Getreide, Ölsaaten und Spiritus spezialisiert war, bestand seit spätestens 1881. Es wurde zunächst als Kommanditgesellschaft, ab 1892 als Einzelunternehmen geführt und 1906 zur offenen Handelsgesellschaft mit Max Friedländer und seinem Sohn Jacob Oscar Friedländer als Gesellschafter. 1907 erhielt John Hausmann Gesamt- und 1913 Einzelprokura.
Vermutlich um 1909 hatte Hausmann, der damals noch in Eppendorf im Lehmweg 8 wohnte, die 1880 im elsässischen Ribeauville/Rappoltsweiler geborene Jüdin Hortense Weill (1880–1944) geheiratet. In Hamburg bekamen sie 1910 ihren ersten Sohn, Georg (1910–1942). Im Jahr darauf folgte Sohn Edgar Marcel, 1914 Paul und schließlich 1916 Alfred. Während des Ersten Weltkrieges kämpfte John Hausmann an der Front und wurde dafür mit dem Hamburgischen Hanseatenkreuz sowie dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer ausgezeichnet. Über die weiteren Lebensumstände der Familie bis in die 1930er Jahre ist nur wenig bekannt. Von 1910 bis 1912 lebte sie in einer Etagenwohnung in Harvestehude, Isestraße 12, und von 1913 bis 1922 im Parterre des Hauses Abendrothsweg 34 in Eppendorf.
Anfang 1920 trat John Hausmann als Gesellschafter bei J. H. Friedländer & Co. ein. 1922 erwarb er in Alsternähe in Winterhude das Haus Scheffelstraße 12. Seine Nachbarn in der Straße waren Professor, Architekt, Apotheker bzw. Fabrikbesitzer, was die gehobene Wohnlage verdeutlichte. 1927 zog die Familie wieder nach Harvestehude, in ihre neu erworbene Reihen-Stadtvilla St. Benedictstraße 15. In derselben Straße besaßen auch Edgar Eichholz von der Firma Eichholz & Loeser, Michael Goldstein von H.A.Jonas Söhne & Co. sowie Paul Salomon ihre Domizile.
Zu den Kinder- und Jugendjahren des ältesten Sohnes Georg Hausmann ist nichts überliefert. Edgar absolvierte nach dem Einjährigen-Examen am Gymnasium Johanneum eine kaufmännische Ausbildung. Paul besuchte bis 1934 die Oberrealschule Wichern in Hamburg. Und Alfred schloss 1935 seinen Schulbesuch am Johanneum mit der Abiturreife ab. Wie intensiv die Familie ihre jüdische Religion praktizierte, ist nicht bekannt. John Hausmann wurde von 1917 bis 1941 bei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg als Mitglied unter Nr. 4440, Edgar und Alfred von 1934 bis 1939 unter der Nr. 19369 bzw. Nr. 19593 geführt.
Als angesehenen Geschäftsmann und Mitgesellschafter von J. H. Friedländer & Co. hatte das Plenum der Handelskammer Hamburg John Hausmann in den Jahren 1928 bis 1933 zum Mitglied des Börsenvorstandes, Abteilung Getreide (Gerste, Mais, Weizen und Roggen) ernannt.Von 1926 bis 1933 war er Mitglied in der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns. Für die Kaufmannschaft war er 1931 und 1932 im Gremium für die Börsenzulassung tätig. Und er war Mitglied im Verein der Vermittler für Getreide, Mehl und Futtermittel der Hamburger Börse e. V. Daneben engagierte er sich auch im gemeinnützigen Bereich: Im Jahr 1926 war er bei der Stiftungsaufsicht eingetragen als einer der "Verwalter" der seit 1923 bestehenden Otto Friedeberg Stiftung, die bedürftige Mitglieder des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse und deren Angehörige unterstützte, unabhängig von ihrer Konfession.
Schon bald nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten wuchsen im Verein der Vermittler für Getreide, Mehl und Futtermittel der Hamburger Börse Bedenken, die neue Regierung werde die Zusammenarbeit mit Organisationen einstellen, die auch Bürger mosaischen Glaubens zu ihren Mitgliedern zählten. Es mehrten sich die Stimmen, "nichtarische" Mitglieder müssten leider "im Interesse der Landwirtschaft und des Handels für absehbare Zeit ausscheiden." Andere wiederum traten vehement für die jüdischen Mitglieder ein und betonten, im Vorstand säßen außerordentlich ehrbare Kaufleute, man solle sich nicht an der Religion stoßen. Mitglied Toepfer erklärte: "Da das Judentum im internationalen Getreidehandel tätig sei, sollte man sich nicht scheuen, einen sachverständigen Juden, wie z. B. Herrn Hausmann in den Vorstand zu wählen." Da jedoch viele Mitglieder nur noch einen rein "arischen" Vorstand anstrebten, trat Hausmann, ebenso wie Otto Friedeberg, Leopold Cohn und Leopold Hiller, mit dem 31. März 1933 aus dem Verein der Vermittler für Getreide, Mehl und Futtermittel der Hamburger Börse aus.
Noch im Januar 1933 war John Hausmann erneut in den Vorstand der Getreidebörse gewählt worden. Doch am 12. Mai des Jahres setzte der Verein der Getreidehändler ihn nicht mehr auf seine Vorschlagsliste an die Handelskammer für die Vorstandsneuwahl. Am 30. Juni 1933 meldete man der Handelskammer, sämtliche Vorstandsmitglieder der Getreidebörse, darunter Hausmann, hätten ihr Mandat zur Verfügung gestellt. Im neuen Vorstand nach der Gleichschaltung war John Hausmann nicht mehr vertreten, ebenso wenig wie andere Juden.
Dennoch verliefen die Geschicke der Familie Hausmann auch nach 1933 zunächst nicht aussichtslos. Sohn Paul studierte 1935 an der Universität Lausanne/Schweiz und 1935/36 an der Universität Hamburg Philologie und Rechtswissenschaften. Alfred begann 1936 eine kaufmännische Ausbildung. Georg zog in jenem Jahr nach Paris, um im Heimatland seiner Mutter als Sprachlehrer zu arbeiten. Und Edgar, der nach Abschluss seiner Kaufmannslehre für eine Firma in London und Paris erste berufliche Erfahrungen gesammelt hatte, war mit Jahresbeginn 1934 in die väterliche Firma eingetreten "mit der Aussicht, später Mitinhaber zu werden". 1937 erteilten J. H. Friedländer & Co. ihm Gesamtprokura und ein Jahr später Einzelprokura. Das Unternehmen, das einen hervorragenden Ruf genoss, arbeitete hauptsächlich im Auslandsgeschäft. Der Rechtsberater von John Hausmann wies 1940 darauf hin: "Noch in den Jahren 1937 und 1938, zu einer Zeit, wo die Beschaffung von Devisen für den Bezug von Rohstoffen besonders dringend war, hat die Firma J. H. Friedländer & Co. aus ihrem wertvollen Transitgeschäft die Summe [aus englischen Pfund und holländischen Gulden im Gegenwert von] 435.000 Goldmark in Devisen an die Reichsbank abgeführt". Im Frühjahr 1938 löste sich die OHG auf und John Hausmann wurde zum Alleininhaber.
Ungeachtet ihrer Wirtschaftsleistung standen J. H. Friedländer & Co. jedoch – wie alle von Juden geführten Unternehmen – spätestens seit 1936/37 im Fokus wachsender "Arisierungsbestrebungen" staatlicher Organe. Und 1938 hatte auch die Industrie- und Handelskammer die Firma in ihrer "Zusammenstellung über ‚sogenannte’ nichtarische Firmen nach Geschäftszweigen" verzeichnet, auch wenn sie diese "Nur für den internen Dienstgebrauch" führte.
Als erster der Familie Hausmann fasste Sohn Paul, mittlerweile ausgebildeter Gymnastiklehrer und Kosmetiker, den Entschluss, Deutschland zu verlassen. Um ein Visum für sein Zielland Uruguay zu erhalten und dort seinen Unterhalt zu bestreiten, bis er eine Anstellung finden würde, schenkte John Hausmann ihm einen höheren Geldbetrag. Am 30. April 1938 reiste Paul Hausmann per Schiff nach Montevideo. Von dort wanderte er Anfang Februar 1941 weiter nach Argentinien. Sein Bruder Alfred musste am 31. Mai 1938 seine Lehre bei der Drogengroßhandlung Landauer & Co. am Grimm 22 abbrechenund verlor seine Stelle, da dieser Betrieb "arisiert" wurde. Die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten, die auch bei John Hausmann eine Auswanderungsabsicht vermutete und die Kapitalflucht befürchtete, erließ am 9. Juni 1938 gegen ihn "Sicherungsanordnung". Von diesem Zeitpunkt ab durfte er über seine Vermögenswerte nur noch mit Einverständnis der Devisenstelle verfügen. Im Dezember 1938 erhielt er immerhin die Genehmigung, seinem in Paris lebenden Sohn, der als Devisenausländer galt, eine größere Summe als Geldgeschenk auf ein gesperrtes Konto bei Firma M. M. Warburg KG zu überweisen.
Erste massive Folgen der NS-Judenpolitik bekam Sohn Edgar zu spüren. Im Zuge der "November-Aktion" als Reaktion auf die Reichspogromnacht wurde er am 10. November 1938 festgenommen und in das KZ Sachsenhausen überstellt. Als er von dort am 20. Dezember 1938 wieder entlassen wurde, entschied er, baldmöglichst nach Frankreich auszuwandern. Seine Mutter reiste daraufhin nach Paris, um dort die Hilfe ihrer Verwandten in Anspruch zu nehmen. In Frankreich geboren, hatte sie bereits im Jahr 1920 wieder die französische Staatsangehörigkeit angenommen. Als Ausländerin gelang es ihr, durch die Verlegung ihres Wohnsitzes für einen dauerhaften Aufenthalt in Frankreich Teile ihres persönlichen Vermögens dorthin zu transferieren. Ihre bei der M. M. Warburg KG geführten Konten wurden von dem Bankhaus jedoch Anfang Januar 1939 in ein Auswanderersperrkonto, ihr Depot bei Warburg in ein Auswandererdepot umgewandelt. Das Gleiche erfolgte mit dem Konto des in Paris lebenden Georg Hausmann.
Bereits zu diesem Zeitpunkt plante John Hausmann, seiner Frau nach Frankreich zu folgen. Zunächst wollte er jedoch noch in Hamburg seine Vermögensverhältnisse regeln. Es lag ihm am Herzen, seine Firma, die überwiegend "arisches Personal" beschäftigte, "in die richtigen Hände [zu] bringen". Mit Vertrag vom 31. Januar 1939 wurden J. H. Friedländer & Co. durch die Übereignung an die Getreide- und Futtermittel-Gesellschaft A. Lüthke & Co., Jungfernstieg 30, "arisiert". Der Vertrag wurde am 29. März 1939 durch den damaligen Reichsstatthalter in Hamburg genehmigt. Die Ablösesummen für die Warenvorräte und das Inventar wurden auf das beim Bankhaus M. M. Warburg geführte Sperrkonto Hausmann eingezahlt. Vertraglich hatte John sich verpflichtet, die neuen Inhaber einzuarbeiten. Am 29. Dezember 1939 vermerkte das Handelsregister die Firma als erloschen.
Die Tätigkeit des Sohnes Edgar in der väterlichen Firma war mit dem 31. Dezember 1938 beendet worden. Sein Vater nahm am 8. Februar 1939 von ihm Abschied, als Edgar sich zur Auswanderung nach Bangkok im damaligen Siam einschiffte. Ende des Vorjahres hatte er ihm und Alfred noch – wie zuvor ihren Brüdern – größere Geldbeträge zukommen lassen.
Als Nächstes verkaufte John Hausmann die drei Liegenschaften, die er besaß: mit Vertrag vom 9. Februar 1939 das Grundstück Eichenstraße 52 an Kurt Andreas Ernst Becher für einen Kaufpreis von 82.500 RM, mit Vertrag vom 23. März 1939 das Grundstück St. Benedictstraße 15 an Sophie Ellerbrock zum Kaufpreis von 34.000 RM sowie mit Vertrag vom 2. Mai 1939 das Grundstück Isestraße 69 an Ernst von Spreckelsen für den Kaufpreis von 99.000 RM. Die deutlich niedrigeren Nettoerlöse gingen auf das Sicherungskonto von John Hausmann.
Spätestens ab Frühjahr 1939 bereitete auch John Hausmann sich auf die Auswanderung vor. Sein Vermögen, das von der M. M. Warburg KG für das Jahr 1938 noch mit 800.000 RM angegeben war, schmolz durch die Begleichung von Zwangsabgaben: Für sich und seine Frau entrichtete er durch Hergabe von Wertpapieren 113.565 RM Reichsfluchtsteuer und 243.406 RM Judenvermögensabgabe. An die Deutsche Golddiskontbank zahlte er 146.000 RM in bar und an den Jüdischen Religionsverband 25.739 RM Auswandererabgabe. Mitte Mai 1939 bezifferte die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten das restliche Vermögen nur noch auf 261.257 RM.
Nach Räumung seines Hauses in der St. Benedictstraße 15 zog John Hausmann in ein provisorisches Quartier in Streit’s Hotel am Jungfernstieg 38. Kunstgegenstände, Gold- und Silbersachen, Elektrogeräte und Briefmarken wurden taxiert und mussten verkauft werden. Das zur Mitnahme vorgesehene Umzugsgut wurde verpackt und beim Hauptzollamt eingeliefert. Am 19. Juni 1939 erhielt Hausmann die "Unbedenklichkeitsbescheinigung" für seinen Pass. Zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und zum Begleichen einzelner Forderungen genehmigte man ihm die Abhebung geringer Geldbeträge von seinem Auswanderersperrkonto bei der M. M. Warburg KG.
Am 8. Juli 1939 verließ der Sohn Alfred Hausmann Deutschland in Richtung England, um dort auf die Möglichkeit zur Weiterreise in die USA zu warten. John selbst gelang es dann im Juli/August 1939, in zwei Tranchen den überwiegenden Teil – immerhin insgesamt 232.565 RM – seines noch existierenden Inlandvermögens aus Bankguthaben und Wertpapieren durch sogenannte Türkentransfers ins Ausland zu schaffen. Dabei handelte es sich um ein "von Warburg & Co. zusammen mit der Hamburger Warburg-Bank organisiertes Kompensationsgeschäft", das es ab Mitte 1939 deutschen Juden ermöglichte, trotz der nach Beginn des Krieges verhängten Transfersperre größere Vermögenswerte im Ausland in Sicherheit zu bringen. Im September hob die Devisenstelle die "Sicherungsanordnung" für John Hausmann wieder auf. Und Ende Dezember erteilte auch das Finanzamt Hamburg-Altstadt seine "Unbedenklichkeitsbescheinigung" für Johns beabsichtigte Auswanderung.
Doch durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges schob sich seine Ausreise immer weiter hinaus. Hatte er zunächst noch beabsichtigt, zu seiner Frau nach Frankreich zu ziehen, gab er zu Jahresende die USA und im Mai 1940 Uruguay, das Aufenthaltsland seines Sohnes Paul, als Ziel an. Schließlich erteilte ihm die Passierscheinhauptstelle Berlin des Oberkommandos des Heeres im Frühjahr 1941 die Erlaubnis, ins besetzte Paris einzureisen und dort mit seiner Ehefrau Hortense zusammen zu wohnen. Im Januar 1941 wurde endlich das zwischenzeitlich eingelagerte Umzugsgut nach Frankreich verbracht und am 12. Juni 1941 John Hausmann beim Hamburger Einwohneramt als ausgewandert abgemeldet. Über sein restliches noch in Deutschland verbliebenes Vermögen wurde im Folgejahr die staatspolizeiliche Sicherstellung ausgesprochen.
Alfred war, da Staatsangehöriger des Kriegsgegners, im Juli 1940 als "enemy alien" von der englischen Regierung interniert und erst mit einem Visum für die USA im November 1940 wieder freigelassen worden. Da er jedoch keine Überfahrt erhielt, verfiel dieses Visum, und er blieb weiterhin in London. John Hausmanns ältester Sohn Georg war in Frankreich mit Kriegsbeginn ebenfalls interniert worden. 1941 befand er sich dort noch im Konzentrationslager und hoffte darauf, nach Übersee auswandern zu können.
Das Wiedersehen ihrer Eltern in Paris war nicht von Dauer. John Hausmann, der im besetzten Frankreich den "Judenstern" tragen musste, wurde am 16. Juli 1942 von deutschen Truppen festgenommen und in das Durchgangslager Drancy gebracht. Von dort wurde er am 29. Juli mit Transport 12, Zug 901-7, ins KZ Auschwitz-Birkenau verschleppt, wo er zusammen mit weiteren 999 Menschen am 31. Juli 1942 ankam. Zwei Jahre später, am 28. Juli 1944, wurde Hortense Hausmann inhaftiert und nach Drancy gebracht. Am 31. Juli deportierte man sie mit dem Transport 77, der am 3. August 1944 mit 1.300 Personen Auschwitz erreichte. Im Juli 1942 wurde auch Sohn Georg(es) aufgegriffen und in Drancy interniert. Er war einer von 1.000 Menschen, die am 9. September mit Transport 30 nach Auschwitz-Birkenau verschleppt wurden und dort am 11. September 1942 ankamen. John Hausmann starb im August 1942, Sohn Georg vermutlich im September des Jahres und Hortense Hausmann im Juli/August 1944 im Konzentrationslager.
Sohn Paul war am 6. Februar 1941 von Uruguay nach Argentinien gezogen. Ohne abgeschlossene Ausbildung schlug er sich dort über lange Jahre als Privatlehrer durch. Ein schon vor seiner Emigration bestehendes Augenleiden verschlimmerte sich aufgrund unzureichender Ernährung und problematischer Lichtverhältnisse, so dass er nur noch zu 50 Prozent erwerbsfähig war und an der Armutsgrenze lebte. Seine letzte Wohnadresse lag 1966 in Buenos Aires.
Sohn Alfred hatte in London in einer Lederwarenfabrik gearbeitet. Im Juni 1941 hatte er in der englischen Hauptstadt Gertrud Levin geheiratet und mit ihr 1944 Tochter Miriam bekommen. 1947 wanderte die Familie weiter in die USA. Zunächst wohnte sie in Milwaukee, Wisconsin. 1952 zog sie nach San Francisco, Kalifornien, wo 1953 eine zweite Tochter, Ruth, zur Welt kam. Alfred war dort mindestens bis 1965 als Angestellter in einer Großhandlung für Apotheken und Drogerien beschäftigt.
Edgar Hausmann hatte nach seiner Auswanderung in Bangkok bei einer Reis-Großhandelsfirma gearbeitet. Infolge der japanischen Besetzung war diese im Dezember 1941 geschlossen worden, wodurch er vorübergehend von Gelegenheitsarbeiten und seinen Ersparnissen leben musste, bis das Unternehmen ihn wieder einstellte. 1948 zog er nach Italien, wo er sich wegen einer vermutlich im Konzentrationslager entstandenen Kehlkopftuberkulose behandeln ließ. Als einziges der überlebenden Kinder von John und Hortense Hausmann kehrte Edgar nach Deutschland zurück. Im Sommer 1950 zog er mit seiner Ehefrau Nedda geb. Abramovitusch (1920–1998) nach Hamburg und war bald darauf wieder in der St. Benedictstraße 15 gemeldet. 1952 kam ihr Sohn Philipp zur Welt. 1957 wurde Edgar eine 60-prozentige Erwerbsminderung wegen Lungentuberkulose, beruhend auf der NS-Verfolgung, zugestanden.
Noch von Italien aus hatte Edgar Hausmann 1949 über einen Hamburger Rechtsanwalt in seinem und im Namen seiner Brüder Paul und Alfred Wiedergutmachungsansprüche bezüglich der Firma J. H. Friedländer & Co. angemeldet, deren letzter Alleininhaber ihr Vater John gewesen war.Am 16. September 1949 wurden das Unternehmen unter seinem alten Namen und Edgar Hausmann als Inhaber auf Grund des Gesetzes No. 59 der Britischen Militärregierung wieder im Handelsregister eingetragen. In die OHG nahm Edgar auch einen Nachkommen der ehemaligen Erwerberfirma Lüthke als Mitgesellschafter auf. Seit 1958 führte Edgar die Firma J. H. Friedländer & Co. – bis 1967 noch mit Sitz Jungfernstieg 30 – wechselnd als Alleininhaber, als Kommanditgesellschaft und wieder als Alleininhaber, bis sie 1985 als erloschen registriert wurde.
Für die Schäden an Freiheit, Vermögen, beruflicher Verdrängung und für die geleisteten Sonderabgaben, die die Eltern John und Hortense Hausmann durch die NS-Verfolgung erlitten hatten, wurde den Söhnen aufgrund ihrer 1953/54 eingereichten Wiedergutmachungsanträge in den Jahren 1956, 1960 und 1962 Entschädigung zugesprochen. Die drei von John Hausmann 1939 unter Druck veräußerten Grundstücke wurden seinen überlebenden Söhnen nach Restitutionsverfahren vor dem Landgericht Hamburg 1950 zurückerstattet. Die gegenseitigen Ansprüche zwischen der Erbengemeinschaft und den damaligen Erwerbern glich man dabei aus. Edgar Hausmann lebte fortan wieder in seinem früheren Elternhaus St. Benedictstraße 15.
Für John und Hortense Hausmann sowie ihren Sohn Georg liegen Gedenktafeln auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf, Ilandkoppel.
© Text mit freundlicher Genehmigung der Handelskammer Hamburg (Hrsg.) entnommen aus: "Gegen das Vergessen. Opfer totalitärer Verfolgung aus dem Ehren- und Hauptamt der Handelskammer Hamburg". Hamburg 2019
Stand: Oktober 2019
© Dr. Karin Gröwer
Quellen: 1; 2; 5; 8; HK-Archiv 100.B.1.21 (Verzeichnis der jüdischen Betriebe nach Geschäftszweigen, 1938); HK-Archiv 53.D.10.2 (Ernennung der Mitglieder des Vorstandes der Getreidebörse (Gerste, Mais, Weizen und Roggen) in den Jahren 1928, 1929, 1930, 1931, 1932, 1933, 1934); HK-Archiv 53.D.2.2.9 (Ernennung der Mitglieder der Allgemeinen Abteilung des Börsenvorstandes (Börsenkommission) 1926–1934); HK-Archiv Firmenaktenarchiv (Handelsregisterauszüge: Friedländer Handelsregister A 4359); HK-Archiv I.6.G.3.6.14 (Geschäftsverteilung der Handelskammer für 1932, 1933 und die einstweilige Geschäftsverteilung vom Juni 33 nach der Gleichschaltung); SHWA V8/17 (Verein der Vermittler für Getreide, Mehl und Futtermittel der Hamburger Börse E. V. zu Hamburg 1933, Vorstand Sitzungsprotokolle); StAHH 231-3_A 12 Band 24 (Firmenregister 28788); StAHH 231-3_A 13 Band 9 (Gesellschaftsregister I 24280); StAHH 231-7_A 1 Band 16 (Handelsregister A 4359); StAHH 232-2_E II 9808 (Nachlasssachen Louis Hausmann); StAHH 314-15_F 911 (Oberfinanzpräsident, Alfred Hausmann); StAHH 314-15_F 912 (Oberfinanzpräsident, Edgar Hausmann); StAHH 314-15_F 913 (Oberfinanzpräsident, Georg Hausmann); StAHH 314-15_F 914 (Oberfinanzpräsident, Hortense Hausmann); StAHH 314-15_F 915 (Oberfinanzpräsident, John Israel Hausmann); StAHH 314-15_F 916 (Oberfinanzpräsident, Paul Hausmann); StAHH 332-5_2003 (Standesamt Hamburg 02, Geburtsregister 1881 Nr. 2181); StAHH 332-5_2084 (Standesamt Hamburg 02, Geburtsregister 1884 Nr. 5496); StAHH 332-5_7865 (Standesamt Hamburg 03, Sterberegister 1892 Nr. 1878); StAHH 332-5_9029 (Standesamt Hamburg 03, Geburtsregister 1887 Nr. 5713); StAHH 332-8_Film 6216 (Melderegister); StAHH 351-11_39984 (Amt für Wiedergutmachung, Wiedergutmachungsakte – Renten – Paul Hausmann); StAHH 351-11_7448 (Amt für Wiedergutmachung, Alfred Hausmann); StAHH 351-11_7715 (Amt für Wiedergutmachung, Edgar Hausmann); StAHH 351-11_7716 (Amt für Wiedergutmachung, Paul Hausmann); StAHH 351-8_B 735 (Aufsicht über Stiftungen, Otto Friedeberg-Stiftung (1923–1976)); StAHH 373-7 I, VIII A 1 Band 158 (Hamburger Passagierlisten, Mikrofilmnummer K_1785); StAHH 373-7 I, VIII A 1 Band 195 (Hamburger Passagierlisten, Mikrofilmnummer K_1802); Bajohr, Frank: "Arisierung" in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933–1945, Hamburg 1997, S. 173ff; Hamburger Adressbuch; Hauser, Dorothea: Zwischen Gehen und Bleiben. Das Sekretariat Warburg und sein Netzwerk des Vertrauens 1938–1941, in: Heim, Susanne/Meyer, Beate/Nicosia, Francis R. (Hrsg.): "Wer bleibt, opfert seine Jahre, vielleicht sein Leben". Deutsche Juden 1938–1941, Göttingen 2010, S. 115–133, S. 124ff; Liste von Deportierten aus Frankreich. Le Mémorial de la déportation des juifs de France, Beate et Serge Klarsfeld, Paris 1978; Offizielles Hamburger Börsen-Adressbuch.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".