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Frieda Henck (geborene Struckmann) * 1873
Papenstraße 34-42 (Wandsbek, Eilbek)
HIER WOHNTE
FRIEDA HENCK
GEB. STRUCKMANN
JG. 1873
EINGEWIESEN 1935
HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN
"VERLEGT" 1943
HEILANSTALT AM STEINHOF / WIEN
ERMORDET 13.3.1945
Frieda Henck, geb. Struckmann, geb. am 26.8.1873 in Neu-Lüblow/Mecklenburg, verlegt am 16.8.1943 in die Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien, verstorben am 13.5.1945
Papenstraße 34–42 (Papenstraße 38)
Gerade volljährig geworden und mit einer reichen Mitgift ausgestattet, wurde Frieda Struckmann am 27. November 1894 mit dem Tischler Wilhelm Heinrich Christian Henck in Neustadt/Mecklenburg (heute: Neustadt-Glewe) getraut.
Ihre Eltern, Friedrich Joachim Heinrich und Hanna Sofie Friederike, geborene Henning, sowie die drei Geschwister gehörten der evangelisch-lutherischen Kirche an und lebten in Neu-Lüblow bei Ludwigslust.
Frieda war eine gute Schülerin. Sie hatte die Volksschule nach achtjährigem Besuch verlassen und bis zu ihrer Heirat als Hausangestellte gearbeitet. Als erstes ihrer drei Kinder brachte sie 1895 die Tochter Bertha zur Welt, Albert und Karla folgten. Die Kinder waren volljährig, als nach über 25-jähriger Dauer die Ehe von Frieda und Wilhelm Henck 1921 geschieden wurde. Zu den Gründen führte Frieda Henck an, dass ihr Ehemann ihr Vermögen verbraucht hatte.
Wann Frieda Henck begann, Stimmen zu hören und dann leise vor sich hin zu sprechen, ist nicht bekannt. Sie lebte bei ihrer Tochter Bertha in der Papenstraße 38, bis die Belastung für die Familie zu groß wurde. 1933 wurde sie in der für ihren Wohnort zuständigen Pflegeanstalt Sachsenberg bei Schwerin aufgenommen und mit der Diagnose, sie lebe "unter dem Einfluss von Sinnestäuschungen und Wahnideen", bald wieder entlassen.
Da sie weder zu ihrer Tochter zurückkehren noch selbstständig leben konnte, wurde sie im Alter von 60 Jahren im November 1933 im Versorgungsheim Hamburg-Farmsen untergebracht.
Nach ihren eigenen Angaben gefiel es ihr dort gut, aber nur ein halbes Jahr später, am 25. April 1934, wurde Frieda zur Beobachtung in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg eingewiesen. Sie war eine kleine Person von 152 cm Körpergröße, die bei ihrer Aufnahme in Friedrichsberg 56 kg wog. Schon ein Jahr später wurde die Staatskrankenanstalt geräumt, um Platz für geistig gesunde Kranke zu machen. Insgesamt 700 Patienten und Patientinnen wurden in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt, die dadurch völlig überfüllt war.
Mit der Diagnose "Dementia paranoides, Schizophrenie" kam Frieda Henck am 3. Juni 1935 mit einem Sammeltransport nach Langenhorn. Für die Kosten ihrer Unterbringung kam die Fürsorgebehörde auf. Frieda war "kein schwerer Fall". Sie wusste, wer sie war, wo sie sich befand, konnte sich zeitlich orientieren und war in ihrer Merkfähigkeit nicht stark gemindert. Hin und wieder geriet sie in heftige Erregungszustände, war aber im Allgemeinen apathisch und affektarm.
Zur Entlastung der Einrichtung verlegte die Direktion der Anstalt Langenhorn Frauen, die angeblich an schwersten Behinderungen litten, auf die Anscharhöhe, eine diakonische Einrichtung in Hamburg-Eppendorf, wo zudem die Pflegesätze niedriger waren. Obwohl nicht schwerst behindert, wurde Frieda Henck nach sechs Wochen in "Langenhorn" dorthin überwiesen und im traditionsreichen Emilienstift untergebracht.
Sie arbeitete nun im Gemüsekeller. Ihre Angehörigen holten sie in den Jahren 1936 und 1937 über die Weihnachtsfeiertage nach Hause, im August 1938 wurde sie noch einmal für vier Tage zu ihnen beurlaubt. Nach jedem Besuch traten die Erregungszustände verstärkt auf. Frieda Henck wurde im Stift als fleißige Handarbeiterin geschätzt. Ob sich ihr Verhalten änderte oder nur die Beurteilung, ließ sich nicht feststellen, jedenfalls wurde sie im Mai 1942 als zerfahren, abweisend und halluzinierend beschrieben.
Als im August 1943 die Direktion der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn auch ehemalige Patientinnen und Patienten sammelte und in weiter entfernte Anstalten verlegte, um im Rahmen der katastrophenmedizinischen Planung des Deutschen Reiches und der Hamburger Gesundheitsbehörde Platz für Kranke und Verwundete zu schaffen, wurde Frieda Henck am 16. August in die Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien verlegt. Sie gehörte zu einem Transport von 72 Frauen aus Langenhorn und 228 Mädchen und Frauen aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten, der am folgenden Tag in Wien eintraf. Bei ihrer Aufnahme war sie freundlich und auskunftsfreudig, wusste, dass sie wegen der Luftangriffe auf Hamburg nach Wien gekommen sei und behauptete, sich hier sicher zu fühlen, nur habe sie Sehnsucht nach ihren Kindern, zu denen sie auch Nichte und Enkel zählte.
Frieda Henck hielt sich im Tagesraum auf, half bei Näharbeiten, war ruhig und zufrieden, berichtete die Direktion an eine der Töchter im November 1943; so blieb es bis Anfang 1944. Auf ihr Schreiben hatte die Direktion wegen der Ausbombung der Tochter keine Antwort erhalten. Am 22. Februar 1944 füllte die Anstaltsleitung den Meldebogen für die "Euthanasie"-Zentrale, T4, in Berlin aus und schrieb hinein, dass Frieda Henck an Beziehungs- und Verfolgungsideen leide, keinen Besuch bekäme und unbeschäftigt sei, zwei Negativkriterien, die über ihr Leben bzw. ihren Tod entschieden. Im Gegensatz zu diesen Angaben standen die Berichte des ärztlichen und des Pflegepersonals. Danach konnte sie in der Nähstube arbeiten, auch wenn sie immer wieder unter Durchfall litt. Sie verlor zwischenzeitlich an Gewicht, nahm aber wieder auf 41 kg, ihr Aufnahmegewicht, zu. Im Februar 1945 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand so sehr, dass die Direktion der Anstalt eine Nachricht an eine der Töchter in Hamburg schickte, die jedoch, ebenso wie die spätere Todesnachricht, als unzustellbar zurück kam. Frieda Henck erlebte noch das Ende des Krieges und des "Dritten Reichs", starb aber fünf Tage später am 13. Mai 1945 an Herzmuskeldegeneration, Arteriosklerose und Enterocolitis, einer Entzündung von Dünn- und Dickdarm. Sie wurde 71 Jahre alt.
Es dauerte bis 1947, bis ihre Familie von ihrem Tod erfuhr.
Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs
Quellen: StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 1995/1, 21667; Krankenakte der Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt, Wien, fotografiert von Ingo Wille im Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien, 2012; Jenner, Harald, 100 Jahre Anscharhöhe 1886–1986; Wunder, Michael, Exodus, in Wunder, Genkel, Jenner, Auf dieser schiefen Ebene, S. 189ff.