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Ernst Knappe * 1881
Hamburger Hochstraße 19 (Altona, Altona-Altstadt)
HIER WOHNTE
ERNST KNAPPE
JG. 1881
VERHAFTET 1936/38
KZ FUHLSBÜTTEL
ERMORDET 11.7.1941
SACHSENHAUSEN
Johannes Ernst Knappe, geb. am 20.9.1881, gestorben nach dem 7.6.1941 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein
Hamburger Hochstraße 19
Ernst Knappe und sein Zwillingsbruder Hermann kamen 1881 in der Bahrenfelderstraße Nr. 283 im zweiten Stockwerk als Söhne des Zigarrenarbeiters Ernst Heinrich Gustav Knappe und dessen Frau Rahel, geb. Wolff, zur Welt. Die Mutter war jüdischer Abstammung. Zusammen mit weiteren Geschwistern wuchs Ernst Knappe in Ottensen auf, wurde evangelisch-lutherisch getauft und lernte nach dem Besuch der Volksschule zunächst wie sein Vater den Beruf des Zigarrenmachers. Nach der Lehre arbeitete er bei Bauern, als Schankwirtsgehilfe und in einer Holzsägerei. Um 1915 starb sein uneheliches Kind, das er mit einer geschiedenen Frau gezeugt hatte. Im Ersten Weltkrieg wurde er von 1915 bis 1918 als "garnisonsdiensttauglich" eingezogen, diente also nicht an der Front. Nach dem Krieg hatte er erneut verschiedene Stellungen inne, in der Holzbranche, im Gastwirtsgewerbe, im Hafen und auf der Werft Blohm & Voss. Von 1927 bis 1931 will er einen eigenen Krämerladen geführt haben.
1936 wurde Ernst Knappe erstmals wegen des Verdachts der homosexuellen Betätigung in Altona beim dortigen Amtsgericht gerichtsbekannt, doch konnte ihm keine strafbare Handlung nachgewiesen werden.
Am 12. Januar 1938 machte der zu einer Diebesbande gehörende Packer Egon Alexander (geb. 1918, ab Februar 1942 "Frontbewährung") in Verhören der Kriminalpolizei die Aussage, ein einziges Mal im Jahr 1934 mit einem "Knopp, Knapp oder Knappe", der in Altona "in der Reichenstraße/Großen Bergstraße neben einem Geschäft von Leder-Schüler" gewohnt habe, sexuelle Handlungen ausgeführt zu haben. Die daraufhin angestellten Ermittlungen führten noch am Nachmittag desselben Tages zur Festnahme Ernst Knappes, der von 1933 bis 1935 in der Großen Bergstraße Nr. 35 gemeldet gewesen war. Nach ersten Verhören wurde er in "Schutzhaft" genommen. Durch die preisgegebenen Namen von Sexualkontakten Egon Alexanders ereilte den in Eimsbüttel wohnhaften Ernst Wenkel (geb. 1901, gestorben 1939 KZ Sachsenhausen, vgl. "Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg Hoheluft-West", Bd. 2) ein ähnlich tragisches Schicksal.
Ernst Knappes "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel dauerte fast einen Monat. Während dieser Zeit ließ die Kriminalpolizei den 56-Jährigen immer wieder im Stadthaus zu Verhören vorführen, er musste schließlich eine "Lebensbeichte" über sein Sexualleben ablegen. Während er im ersten Verhör homosexuelle Kontakte abstritt und angab, mit Frauen "geschlechtlich zu verkehren", so gab er unter dem Druck der KZ-Haft zu, seit dem Ersten Weltkrieg auch mit Männern, darunter Strichjungen und in zwei Fällen mit Jugendlichen, verkehrt zu haben. Von einem Bekannten habe er den Spitznamen "Erna" erhalten. Am 17. Februar 1938 wurde Ernst Knappe in reguläre Untersuchungshaft überführt und am 28. April 1938 vom Landgericht Hamburg nach den §§ 175 und 175 a Ziffer 3 (Verführung zweier Jugendlicher) zu einer dreijährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte büßte er für fünf Jahre ein. Am 17. Mai 1938 wurde er deshalb ins Zuchthaus Fuhlsbüttel überstellt und nach Ablauf der regulären Strafzeit am 18. Januar 1941 nicht in Freiheit, sondern zur Polizeibehörde entlassen.
Es ist davon auszugehen, dass er bis zu seiner Überstellung am 8. März 1941 ins KZ Sachsenhausen in Polizeihaft, vermutlich dem innerstädtischen Polizeigefängnis Hütten, verblieb. Ernst Knappe erhielt im KZ die Häftlingsnummer 36606 und wurde als "Halbjude" mit der Häftlingskategorie "BVer Jude" (= "jüdischer Berufsverbrecher") klassifiziert. Wahrscheinlich war Ernst Knappe durch die lange Zuchthausstrafe als 59-jähriger Mann gesundheitlich geschwächt, denn er kam bereits am 12. März 1941 in den Krankenbau des Lagers. Am 7. Juni 1941 erscheint sein Name auf einer zur Verschleierung "Kommando S" genannten Transportliste mit Personen, die in die Euthanasie-Tötungsanstalt Sonnenstein bei Pirna geschickt werden sollten. 269 überwiegend arbeitsunfähige Personen, darunter viele homosexuelle Männer, wurden von dem Arzt und SS-Obersturmbannführer Friedrich Mennecke zur Ermordung ausgewählt und an drei Tagen, 4., 5. und 7. Juni 1941, auf Lastwagen nach Sonnenstein transportiert und in dortigen Gaskammern mit Kohlenmonoxid erstickt. Offiziell wurden die Todesumstände verschleiert und für Ernst Knappe ein "natürlicher" Tod am 11. Juli 1941 in Oranienburg auf einer fingierten Sterbeurkunde bescheinigt.
Der tatsächliche Todesort ist erst nach der Stolpersteinsetzung bekannt geworden, weshalb auf dem Stein vor Ernst Knappes letztem Wohnsitz, einer Parterrewohnung in der Hamburger Hochstraße 19 in der Altonaer Altstadt an der Grenze zum Stadtteil St. Pauli, noch die Aufschrift "KZ SACHSENHAUSEN ERMORDET 11.7.1941" auftaucht.
Seine zuletzt in Hamburg wohnhafte Mutter starb vor 1938, sein Zwillingsbruder überlebte den nationalsozialistischen Terror nur kurze Zeit und starb 1946 im Alter von 65 Jahren. Noch im März 1945 hatte er bis zur Kapitulation als Zwangsarbeiter in der Bauverwaltung bei der Trümmerbeseitigung helfen müssen. Ein schweres Lungenleiden, an dem er starb, wurde nach dem Krieg vom Amt für Wiedergutmachung nicht als "verfolgungsbedingt" anerkannt.
Stand September 2015
© Bernhard Rosenkranz (†) / Ulf Bollmann
Quellen: AB Ottensen 1881; StaH, 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E1, 1b; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 4424/38; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 13 und 18902; StaH 332-5 Standesämter, 6154 (Eintrag Nr. 510 und 511); StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 6572 und 6573; Dank an Monika Liebscher, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, für eine Auskunft vom 19.9.2014 mit Hinweisen aus dem FSB-Archiv Moskau, N-19092/Tom 97, Bl. 066 und N 19092/Tom 83, Bl. 011 (= Archiv Sachsenhausen, JSU 1/97, Bl. 066 und JSU 1/83, Bl. 011), dem Russischen Staatlichen Militärarchiv Moskau, 1367/1/54, Bl. 284 (= Archiv Sachsenhausen, D 1 A/1054, Bl. 060) und dem Standesamt Oranienburg, Nr. 1183/1941 (II), Bl. 48; 11; Müller/ Sternweiler, Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, S. 19; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 225.