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Max Himmel * 1887
Bismarckstraße 68 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)
HIER WOHNTE
MAX HIMMEL
JG. 1887
AUSGEWIESEN 1938
ZBASZYN
WIEDEREINREISE
1939 GEFÄNGNIS FUHLSBÜTTEL
1940 SACHSENHAUSEN
1940 DACHAU
ERMORDET 13.2.1941
Weitere Stolpersteine in Bismarckstraße 68:
Georg Himmel
Max Himmel, geb. am 17.12.1887 in Krukienice, abgeschoben am 28.10.1938 nach Zbaszyn, zurückgekehrt, mehrfach inhaftiert, im KZ Dachau ermordet am 13.2.1941
Georg Himmel, geb. am 19.11.1920 in Hamburg, abgeschoben am 28.10.1938 nach Zbaszyn, verschollen
Bismarckstraße 68
Max Himmel wurde in Galizien in der Nähe von Lemberg geboren. Er war Schneider. Er hatte schon viel von der Welt gesehen, als er im Frühjahr 1918 Johanna Emma Emilie Pfeffer aus Hamburg heiratete, die in der Familie liebevoll Hanni genannt wurde. Sie war evangelischen Glaubens und nichtjüdischer Herkunft. Max Himmel war unternehmungslustig und reisefreudig. Mit seiner jungen Frau fuhr er mit dem Motorrad los und sie guckten sich in der Welt um. Der erste Sohn Arnold (geb. 20.8. 1918) kam dann auch nicht wie seine jüngeren Geschwister Georg und Klara Dorothea (geb. 20.9. 1936) in Hamburg zur Welt, sondern in Norwegen.
Ende Januar 1920 hatte sich Max Himmel in Hamburg als Schneider bei der Handwerkskammer eintragen lassen mit der Eppendorfer Adresse Nissenstraße 9 I. Er nannte sein Geschäft "Wiener Damen- und Herrenschneiderei" – wohl in Anspielung auf seine Lehrzeit in Österreich. Während der Inflationszeit verrichtete er Lohnarbeit, ebenso im Jahre 1924. Mitte der 1920er Jahre machte er sich mit einem Kellergeschäft in der Bismarckstraße 68 selbstständig, doch das Geschäft florierte nicht. Von 1932 bis 1934 musste Max Himmel immer mal wieder Wohlfahrtsunterstützung beziehen. Mitte der 1930er Jahre zog die Familie in die Hoheluftchaussee 14 um, in eine Vierzimmerwohnung im Parterre links. Die monatliche Miete belief sich 1938 auf 60,58 Reichsmark.
Im Rahmen der "Polenaktion" wurde die Familie – d. h. Max und Johanna Himmel und die zwei noch nicht volljährigen Kinder Georg und Klara Dora – am 28. Oktober 1938 nach Zbaszyn/Neu-Bentschen abgeschoben. Die Polizei versiegelte die Räume in der Hoheluftchaussee. Die offizielle Regelung war so, dass nach der Versiegelung die Vormundschaftsgerichte auf Antrag der Ortspolizeibehörde für die Vermögensangelegenheiten Abwesenheitspfleger einsetzten. Die Vermögen wurden inventarisiert und die laufenden Geschäfte abgewickelt. Vertreter für Max Himmel war der jüdische "Konsulent" Siegfried Urias, der wiederum eine Untervollmacht an Johann Georg Pfeffer, Max Himmels Schwiegervater, erteilte. Im November/ Dezember wurde Hausrat verkauft und in der Schneiderei bearbeitete Kleidungsstücke an die Kunden gegeben, davon mussten Gas, Strom und Miete bezahlt werden. Einige Dinge wie Rasierklingen, Schuhbänder und auch eine Mundharmonika wurden von Hamburg nach Polen an Max Himmel geschickt. Die Einnahmen aus den Verkäufen überstiegen die Ausgaben um einen geringen Betrag. Diese Summe schenkte Max Himmel seinen Schwiegereltern.
Das Ehepaar Himmel kehrte Mitte 1939 mit der kleinen Tochter zurück nach Hamburg. Da war die Wohnung in der Hoheluftchaussee bereits anderweitig vermietet, vom Hausrat war nichts mehr vorhanden und über den Verbleib ließ sich nichts in Erfahrung bringen. Himmels kamen in der Neustädterstraße 20 bei Johanna Pfeffers Eltern unter. Max Himmel bemühte sich, eine Ausreise nach Polen in die Wege zu leiten. Er legte ein Umzugsgutverzeichnis mit den nötigsten Dingen des täglichen Lebens an. Der Antrag wurde im August 1939 genehmigt. Aber schon kurze Zeit später, nach Kriegsausbruch, wurde Max Himmel verhaftet – ebenso wie tausende andere sich noch in Deutschland befindende "polnische" Juden – und in Fuhlsbüttel inhaftiert. Er war herzkrank und verbrachte im Februar/März 1940 eine Zeit im Lazarett. Von Fuhlsbüttel kam er Anfang 1940 ins KZ Sachsenhausen und im August 1940 wurde er ins KZ Dachau transportiert, wo er starb. Die Urne mit seiner Asche wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf an der Ilandkoppel beigesetzt, wo später auch seine Ehefrau, sein Sohn Arnold und dessen Ehefrau begraben wurden.
Der Sohn Georg ist verschollen. Georg, der ab März 1936 in Hamburg eine Lehre als Feinmechaniker bei der Firma Gustav Fischer, Schönstraße 8 (damals St. Pauli) absolvierte und zu der Zeit in der Sternstraße 107 im Keller gewohnt hatte, musste vermutlich verfolgungsbedingt die Lehre abbrechen und ging dann auf Hachschara auf den Brüderhof. Anders als sein Bruder Arnold war er Zionist und wollte nach Palästina auswandern. Auf dem Brüderhof nördlich von Hamburg bereitete er sich darauf vor. Die Jugendorganisation Hechaluz unterhielt dort eine Zeit lang eine landwirtschaftliche Ausbildungsstätte. Der Brüderhof gehörte zum Rauhen Haus. Der Pächter erhielt einen monatlichen Zuschuss von der Reichsvereinigung der deutschen Juden. Auf dem Brüderhof sollten bis zu fünfzig jüdische Jugendliche in der Landwirtschaft ausgebildet werden. Ob er direkt vom Brüderhof nach Polen gebracht wurde, ist ungewiss. Es gibt Hinweise darauf, dass die "Chaluzim" vom Brüderhof nach drei Tagen in Zbaszyn wieder mit dem Zug nach Hamburg zurückfahren konnten, aber Georg kehrte nicht nach Hamburg zurück. Nach der Abschiebung in das Lager Zbaszyn an die polnische Grenze und der Schließung des Lagers blieb er in Polen, nachdem er vergeblich versucht hatte, wieder nach Hamburg zu kommen. Wahrscheinlich gelangte er 1942 ins galizische Lemberg, wo er sechs Monate in einer Niederlassung der Metrawatt AG Nürnberg als volksdeutscher Facharbeiter für das Militär arbeitete. Dort wurde er eines Tages auf offener Straße verhaftet, wie aus einem Schreiben der Metrawatt AG vom 16. Februar 1943 an die Mutter hervorgeht. Sein weiteres Schicksal ist ungewiss. Seine Mutter hatte offensichtlich vergeblich versucht, seine Entlassung zu erreichen. Erhalten ist ein Antwortschreiben des Kreishauptmanns in Brzezany, Bevölkerungswesen und Fürsorge, Generalgouvernement Distrikt Galizien, vom 11. Juni 1942: "Auf Ihr Schreiben vom 4.6.1942, wegen der Entlassung ihres Sohnes nach Hamburg, teile ich Ihnen mit, dass die Ablehnung nicht von hier erfolgte. Ich habe Ihr Schreiben der ablehnenden Stelle weitergereicht und um weitere Entscheidung gebeten." Anfang Januar 1943 bat ein Kollege aus Lemberg die Mutter um Auskunft. Er hatte Georg vor den Weihnachtstagen 1942 zuletzt gesehen und war erstaunt, dass Geld und Sachen zurückgelassen wurden.
Über den Sohn Arnold hat Karin Guth in dem Buch "Bornstraße 22" berichtet. Er hatte sich in Hamburg in Lieselotte Geistlich verliebt, eine "Halbjüdin", die mit Eltern und Geschwistern in das "Judenhaus" in der Bornstraße ziehen musste und am 10. März 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde. Lieselotte überlebte das Kriegsende und kehrte im Juni 1945 nach Hamburg zurück. Arnold Himmel und sie heirateten am 8. Dezember 1945 und lebten bis zu Arnolds Tod 1980 zusammen. Kinder hatten sie nicht.
Wie Arnold haben auch die Mutter Johanna und die Schwester Klara Dorothea überlebt. Johanna wurde nach der Inhaftierung ihres Mannes in Hamburg dienstverpflichtet und arbeitete als Flakhelferin am Großneumarkt. Nach Kriegsende musste sie erneut die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, denn Max Himmel, seine Ehefrau und seine Söhne waren während des Nationalsozialismus zu Staatenlosen erklärt worden. Klara heiratete und hatte zwei Söhne. 1989 nahm sie sich das Leben.
© Susanne Lohmeyer, Susanne Rosendahl
Quellen: 1; 2 (FVg 8469); 5; 8; StaH 213-8, 451 a E 1, 1 d und 451 a E 1, 1 e; StaH 332-5 Standesämter, 2334 + 952/1894; StaH 351-11, EG 171287 und 191120 Georg Himmel; StaH 621-1/86 Familienarchiv Siegfried Urias, Sig. 20; Bornstraße 22. Ein Erinnerungsbuch von Karin Guth, Hamburg 2001, S. 25ff.; www.jfhh.org/suche.php; Gespräch mit Ursula Geistlich am 21.12.2011; Peter Offenborn, S. 351ff.; Auskunft von Robert Parzer, Archiv und Museum Gedenkstätte Sachsenhausen; Sieghard Bußenius, Ausbildungsstätte, www.schoah.org/Schoah/bruederhof.