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Bertha Heyn * 1896

Wrangelstraße 14 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Wrangelstraße 14:
Gutchen Wolff

Bertha Heyn, geb. am 24.11.1896 in Hamburg, deportiert nach Riga am 6.12.1941

Wrangelstraße 14

Bertha Heyns Eltern waren Eduard und Toni Heyn, geb. Burgheim. Der 1891 geschlossenen Ehe entstammten drei Kinder. Das älteste Kind, der Sohn Ernst, starb bereits wenige Tage nach seiner Geburt 1892. 1894 und 1896 wurden die Töchter Charlotte und Bertha geboren. Damals lebte die Familie in der Hamburger Neustadt. In der Geburtsurkunde von Bertha ist als Adresse Wexstraße 6 angegeben. Der Vater Eduard, geboren am 18.8.1858 in Neuhaus an der Oste, starb bereits im März 1907, als die Töchter erst 13 und 11 Jahre alt waren. Die Mutter (geb. 5.1.1861) stammte aus Bromberg in der Provinz Posen.

Bertha lebte zusammen mit ihrer Mutter, ihrer zwei Jahre älteren Schwester Charlotte und dann, ab 1927, auch mit Charlottes unehelicher Tochter Elisabeth (geb. 13.1.1927) in der Gneisenaustraße 43. Sie war Schneiderin und arbeitete für Privatkunden. Vermutlich erkrankte sie schon 1928 an Tuberkulose. Anfang 1929 verbrachte sie einen Monat zur Erholung in Mölln. Bis zum Mai nahm sie sich dort ein Zimmer und kehrte erst danach nach Hamburg zurück.

Sie konnte ihre Lungenerkrankung aber nicht überwinden und verbrachte 1936, 1937 und 1939 jeweils mehrere Wochen in der M.A. von Rothschild’schen Lungenheilstätte in Nordrach im Schwarzwald, nachdem sie 1936 schon einige Wochen im Allgemeinen Krankenhaus (AK) Barmbek hatte verbringen müssen. Die Lungenheilstätte im Schwarzwald war 1903 für jüdische Patientinnen gegründet worden, wurde auf Anweisung der Stifterin Baronin Adelheid de Rothschild (1853-1935) orthodox geführt und hielt die jüdischen Speiseregeln ein, was Bertha wichtig war. Zwar hatte die Behandlung durchaus Erfolge, ihr Zustand verschlechterte sich aber zuhause immer wieder und eine neue Behandlung wurde notwendig.

In der Hamburger Wohnung war das Verhältnis zu ihrer Schwester immer angespannter geworden. Das war vermutlich auch durch die Krankheit bedingt, denn Charlotte musste eine Ansteckung für sich, die Tochter Elisabeth und ihre Mutter befürchten. Bertha, so vermerkte ihre Fürsorgeakte, wirkte sehr einsam, unglücklich und psychisch belastet.

Im Juli 1936 kehrte sie von ihrem ersten Aufenthalt in Nordrach zurück und pflegte dann in Hamburg ihre Mutter, deren gesundheitlicher Zustand sich immer mehr verschlechterte. Nach dem Tod der Mutter am 14. Mai 1937 mussten die Schwestern die Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung aufgeben. Die drei Frauen hatten schon lange in prekären finanziellen Verhältnissen gelebt. Die Mutter bekam etwas Rente, Charlotte erhielt von dem verheirateten Vater ihres Kindes 50 RM Alimente, und Bertha nähte für Privatkunden. Nachdem sie krank und arbeitsunfähig geworden war, wurde sie geringfügig von der Wohlfahrt unterstützt. Sie war aber nach Meinung der Behörde immer noch eingeschränkt arbeitsfähig und wurde angewiesen, sich um Arbeit zu bemühen. Ihr Aufnahmebogen der Wohlfahrtsbehörde datiert vom 9. Juli 1929. Zeitweise wurde ihre Unterstützung eingestellt.

Nachdem Bertha die Zeit von September 1937 bis zum März 1938 wieder in der Lungenheilstätte verbracht hatte, zog sie für einige Tage in eine Wohnung im Brockmannsweg 3 ein, wo eine Freundin lebte, die ebenfalls krank und mittellos war. Von dort wechselte sie für drei Monate in die Gneisenaustraße 6 I und dann im Sommer 1938 in die Wrangelstraße 14 bei Curjel. Von Mai 1939 bis März 1940 war zum dritten Mal eine Kur in der M.A. von Rothschild’schen Lungenheilstätte notwendig.

Natürlich war die Kostenübernahme für eine jüdische Patientin mittlerweile ein Problem. Die Regelung war so, dass die Fürsorgestelle für Lungenleidende die Hälfte der Kosten auf die Jüdische Gemeinde abwälzen konnte. Im März 1939 hatte Bertha der Sozialverwaltung mitgeteilt, dass sie eine Erbschaft von 990 Mark gemacht hatte. In einer internen Fürsorgeakte findet sich ein Schreiben mit der Empfehlung, die Erbschaft für die Erstattung früherer Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, "da der Betrag sonst für die Heilstättenkosten verwendet wird und nur die jüdische Gemeinde den Vorteil davon hat".

Die Schwester Charlotte und ihre Tochter zogen nach dem Tod der Mutter erst zu Freundinnen in die Hegestraße 89 und dann 1939 in den zweiten Stock der Wrangelstraße 37, wo sie noch einen Untermieter, Herrn Mannheim, hatten. Im Gegensatz zu Bertha gelang Charlotte, die in Hamburg - so lange es möglich war –, als Verkäuferin gearbeitet hatte, die Emigration. Zwei Vettern in den USA hatten sie unterstützt. Als sie und ihre Tochter ein Visum für die USA erhielten, scheiterten sie bei der Buchung einer Schiffspassage, doch im Herbst 1941, während des Zweiten Weltkriegs, konnten beide als zwei der letzten Juden Deutschland verlassen. Sie bekamen kurzfristig die Aufforderung, mit dem Zug von Berlin nach Barcelona zu fahren. Dort strandeten sie allerdings. Es gab keine Möglichkeit für die Überfahrt nach Amerika. Sie lebten zwei Jahre in Spanien, bevor sie am 8. Juni 1943 auf einem Frachter von Lissabon nach Philadelphia gelangen konnten.

Obwohl beide Schwestern ab 1939 in der Wrangelstraße – Charlotte in der Nr. 37 und Bertha in der Nr. 14 - wohnten, hatten sie keinen Kontakt mehr. Auch Bertha hatte in die USA flüchten wollen, aber da sie tuberkulosekrank war, war es für sie unmöglich, die Gesundheitsprüfung zu bestehen. So musste sie bleiben.

Ihr Name tauchte schon auf der Ausfallliste für die Deportation nach Lodz am 25. Oktober 1941 auf, war dort aber durchgestrichen. Knapp zwei Monate später wurde sie nach Riga-Jungfernhof deportiert. Da war sie 45 Jahre alt. Weitere Spuren von ihr gibt es nicht.

Stand: August 2020
© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 4; 5; StaH 332-5_2777/350; StaH 332-5_851/50; StaH 332-5_7988/165; StaH 332-5_329/4848; StaH 332-5_2291/4829; StaH 332-5_2406/3971; StaH 332-5_2340/216; StaH 351-14_1288; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992e 2 Bd 3, Deportationsliste; Hamburger Adressbücher; Elizabeth Heyn, The Teller in the Tale, https://www.alemannia-judaica.de/nordrach_synagoge.htm.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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