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Regina Hirschfeld (geborene Kohn) * 1867
Kurzer Kamp 6 Altenheim (Hamburg-Nord, Fuhlsbüttel)
1942 Theresienstadt
tot 29.7.1942
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Regina Hirschfeld, geb. Kohn, geb. 29.8.1867 in Templin, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort umgekommen am 29.7.1942
Kurzer Kamp 6
Regina Hirschfeld, geb. Kohn, hörte auf den jüdischen Namen Riffke. Sie wurde am 29. August 1867 in Templin, Kreis Potsdam, als Tochter von Minna, geb. Jacoby, und Simon Kohn geboren. Als sie im Alter von 25 Jahren am 29. März 1893 Max Hirschfeld in ihrem Geburtsort heiratete, war ihr Vater bereits verstorben. Trauzeugen waren enge Verwandte aus Templin, der 73-jährige Joseph Jacoby und der 35-jährige Berthold Kohn. Ihr Ehemann stammte aus dem Regierungsbezirk Königsberg und war am 17. November 1865 in Preußisch Holland als Sohn von Rosalie, geb. Flatau, und Levin Heimann Hirschfeld zur Welt gekommen.
Regina Hirschfeld zog zusammen mit ihrem Ehemann 1903 nach Hamburg. Max Hirschfeld war Kaufmann und meldete am 25. Februar desselben Jahres sein Gewerbe an als Holzhändler und Inhaber der Firma "Ernst Müller Nachf.", Eiffestraße 308 (später Nr. 410). Neben einer Brennholzhandlung betrieb er eine Sägerei und ein Spaltwerk. Am 25. November 1912 wurde Max Hirschfeld nach Prüfung durch die Polizeibehörde in den Hamburger Staatsverband aufgenommen. Sein zu versteuerndes Einkommen betrug zu jener Zeit jährlich 1800,- Mark und lag deutlich mit 600,- Mark über der dafür festgelegten Grenze. Die Privatwohnung des Ehepaares befand sich in der Eiffestraße 255, 2. Stock, in der Nähe der Firma.
Wahrscheinlich hatte Regina Kohn ihren Ehemann über ihren Bruder Berthold Kohn (geb. 15.11.1857 in Templin) kennengelernt, auch er war im Holzgeschäft tätig. Dieser hatte am 3. Januar 1890 in Prenzlau die von dort stammende Eva Jacoby (geb. 1.10.1870) geheiratet. In Templin bekamen sie sechs Kinder: Dorothea (geb. 13.7.1893), Alfred (geb. 5.4.1896), die Zwillingstöchter Charlotte und Margarethe (geb. 19.10.1897), Rudolf (geb. 31.10.1898) und Gertrud (geb. 31.12.1899). In der folgenden Zeit verzog die Familie nach Eberswalde in die Eisenbahnstraße 10; Berthold Kohn führte dort seine Holzgroßhandlung. Das Zwillingsmädchen Margarethe verstarb am 22. November 1913 im Alter von 16 Jahren.
Blaue Augen, graue Haare, ovales Gesicht und von mittlerer Statur als besonderes Kennzeichen, so ist Regina Hirschfeld als 50-jährige im Reisepassprotokoll beschrieben. Im Sommer 1918 wollte sie verreisen und benötigte dafür einen Reisepass. Ob sie die Kontakte zur Familie pflegen wollte, ist nicht bekannt.
Regina und Max Hirschfeld hatten keine Kinder. In der Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde, der sie seit Februar 1914 angehörten, wurde für sie "gottgläubig" eingetragen, was auf eine liberale Glaubenseinstellung hindeutet.
Am 23. Juli 1923 verstarb unerwartet im Krankenhaus Bethesda ihr Ehemann im Alter von 54 Jahren. Max Hirschfeld hatte sich dort einer Blinddarmoperation unterziehen müssen und erlag zwei Tage später einer eitrigen Bauchfellentzündung. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel Ohlsdorf, Grablage B 9, Nr. 376. Regina Hirscheld wurde mit 53 Jahren Witwe. Sie zog danach in die Lübeckerstraße 89 um.
Siegfried Salomon Kohn (geb. 7.1.1884 in Berlin) unterstützte Regina Hirschfeld in dieser Zeit. Er war mit seiner Familie in ihre frühere Wohnung eingezogen. Er und sein Bruder Jakob Erich Kohn (geb. 18.7.1882 in Berlin) waren Neffen von Regina Hirschfeld, Söhne von Reginas 15 Jahre älterem Bruder Jakob Julius Kohn (geb. 7.5.1852 in Templin). Dieser hatte am 16. September 1881 in Berlin Henriette Gütel, geb. Salinger (geb. 23.7.1854 in Lychen, Kreis Templin), geheiratet. Sie waren dann ebenfalls nach Eberswalde verzogen. Dort verstarb Reginas Bruder Jakob am 17. Oktober 1904 mit 52 Jahren.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatten Reginas Neffen, die Brüder Siegfried Salomon Kohn und Jakob Erich Kohn, die Holzhandlung von Max Hirschfeld als Inhaber übernommen und mit einer Kohlenhandlung zusammen die Handelsgesellschaft "Gebr. Kohn" am 26. März 1919 in der Eiffestraße 410 gegründet. Ihre Mutter war mit ihnen ebenfalls nach Hamburg verzogen. Siegfried Kohn hatte im Juni 1916 in Friedrichsstadt seine von dort stammende Ehefrau Elsa Sophie, geb. Levy (geb. 7.10.1889), geheiratet. Im Jahr der Firmenübernahme war am 35. Geburtstag von Jakob Erich Kohn ihr Sohn Jakob Hans-Günther zur Welt gekommen, am 18. Juli 1917.
Erich Kohn und seine Ehefrau, die Modistin Edith, geb. Maquer (geb. 15.3.1871 in Lissa), wurden kurz vor der Firmengründung am 27. Oktober 1919 in Charlottenburg bei Berlin getraut; Max Hirschfeld fungierte als Trauzeuge. Ein tragisches Schicksal mussten sie sehr früh erleiden. Ihr einziges Kind, der kleine Max Gerd, der kurz nach dem Tod von Max Hirschfeld am 1. Dezember 1921 zur Welt gekommen war und seinen Namen trug, war schon mit zwei Jahren am 8. Juli 1923 in St. Peter verstorben. Es wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel Ohlsdorf bestattet, Kindergrablage ZZ 10, Nr. 539a.
Wenige Monate nach dem Tod von Regina Hirschfelds Ehemann starb auch ihre fünf Jahre ältere Schwester Emma (geb. 20.9.1862 in Templin) am 1. November 1921 in der Schäferkampsallee 29, dem Pflegeheim der Jüdischen Gemeinde. Sie hatte am 5. August 1887 den Kaufmann Julius Jacobsohn (geb. 9.1.1854 in Neustadt, Kreis Pinne) geheiratet und bis zu seinem Tod zusammen mit ihm in der Alexanderstraße 8 in Berlin gewohnt. Danach war sie zu der ihr verbliebenen Familie nach Hamburg gezogen.
Die Firma und deren Inhaber, die Brüder Kohn, litten ab 1933 zunehmend unter dem Boykott der jüdischen Geschäfte durch die nationalsozialistischen Machthaber. Siegfried Kohns Ehefrau Elsa Kohn, geb. Levy, nahm sich das Leben und verstarb am 15. März 1937 an einer Schlafmittelüberdosis. Kurz darauf verstarb am 25. April 1937 auch die Mutter der beiden Brüder, Reginas Schwägerin Henriette Kohn, in ihrer Wohnung Mettlerkampsweg 9. Siegfried Kohn war dadurch sehr belastet und litt zudem unter den Verfolgungen und unter dem Vermögens- und Geschäftsverlust. Am 8. September 1939 verstarb er mit 55 Jahren an einem Herzleiden. Alle wurden auf dem Friedhof Ilandkoppel beigesetzt, Elsa und Siegfried Kohn Grablage ZW 10, Nr. 70/69 und Henriette Kohn, geb. Salinger, Grablage ZX 10, Nr. 485. Die Firma "Gebr. Kohn" wurde im November 1939 im Handelsregister gelöscht.
Jakob Erich Kohn und seine Ehefrau Edith, geb. Maquer (Biographien siehe www.stolpersteine-hamburg.de), wurden am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert und ermordet. Für Jakob Erich Kohn ist im Sterberegister des Getto Lodz als Todesursache "Herzmuskelentartung" und als Todesdatum der 24. August 1942 angegeben. An Jakob Erich und Edith Kohn erinnern Stolpersteine im Mettlerkampsweg 9 in Hamburg-Hamm.
Mit dem Untergang der Firma der Familie Kohn entfiel auch Regina Hirschfelds Existenzgrundlage. Zudem musste sie in ein "Judenhaus" umziehen. Für sie war es das Mendelson-Israel-Stift, Wohnung Nr. 18. Bedürftig und auf soziale Hilfe angewiesen, lebte sie ab Januar 1941 von der jüdischen Wohlfahrt.
Regina Hirschfeld wurde am 19. Juli 1942 zusammen mit 22 weiteren Betroffenen aus dem Mendelson-Israel-Stift mit "Transport VI/2-287" in das Getto Theresienstadt deportiert. Nur zehn Tage später, einen Monat vor ihrem 75. Geburtstag, verstarb Regina Hirschfeld unter den dort herrschenden menschenunwürdigen und hoffnungslosen Zuständen.
Der weitere Schicksalsweg von Angehörigen der Familie
In Eberswalde war Reginas Schwägerin Eva Kohn, geb. Jacoby, bereits am 17. Dezember 1932 mit 62 Jahren verstorben. In der Verfolgungszeit war Berthold Kohn am 7. November 1939 um 11:15 Uhr in seiner Wohnung Eisenbahnstraße 10 in Eberswalde tot aufgefunden worden. Die näheren Umstände konnten nicht in Erfahrung gebracht werden. Als Todesursache ist im Sterberegister "Blasengeschwulst" angegeben.
Seine Töchter wurden Opfer der Shoah. Das Schicksal von Dorothea, verheiratet mit Paul Friedmann (geb. 1892 in Berlin), und von ihren beiden in Przemysl geborenen Kindern, Baruch Wolf (geb. 1919) und David (geb. 1920), ist nicht bekannt. Die Kinder hatten sich mit ihrem Onkel Werner Kohn mit der Haschara in Polenzwerder auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereitet.
Charlotte und Gertrud Kohn wurden von Eberswalde am 14. April 1942 über Potsdam-Berlin nach Warschau deportiert und ermordet.
Zwei von Berthold Kohns Söhnen, die das Eberswalder Wilhelm-Gymnasium besucht hatten, konnten fliehen. Alfred, der 1919 im Messingwerk tätig war, war 1939 nach Guayaquil, Ecuador entkommen. Dort verstarb er am 22. Juli 1980. Rudolf konnte Großbritannien erreichen. In Letchworth verstarb er am 4. Januar 1982.
Reginas Neffe aus Hamburg, Hans-Günther Kohn, der Sohn von Siegfried und Elsa Kohn, entkam der Verfolgung mit der Emigration 1940 nach Palästina. Beim Untergang seines Flüchtlingsschiffes verlor er seine letzte Habe und konnte nur sein Leben retten. Schwere seelische Probleme belasteten ihn in den kommenden Jahren des Neubeginns in Palästina/Israel. Er verstarb als Chanan Schimon Kohn in Tel-Hashomer am 13. Dezember 1960; er war 43 Jahre alt. Er hinterließ seine aus Berlin stammende Ehefrau Ehefrau Alice, geb. Nossen (geb. 1919), und die zwei in Chedera geborenen Kinder Michael und Raya.
Stand: Januar 2023
© Margot Löhr
Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; StaH, 231-3 Handelsregister, A 12 Bd. 48 Nr. F 37860 Ernst Martin Müller; StaH, 231-7 Handels-und Genossenschaftsregister, A1 Bd. 85 Nr. A 20697 Gebr. Kohn; StaH, 232-5 Vormundschaftswesen, 910 Kohn, Hans Günther; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 842 u. 485/1921 Max Hirschfeld, 8144 u. 154/1937 Elsa Kohn, 1070 u. 183/1937 Henriette Kohn, 1104 u. 562/1939 Siegfried Kohn; StaH, 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, AIf Bd. 254 Nr. E III 977 Max Hirschfeld, BIII 116347 Max Hirschfeld; StaH, 332-8 Meldewesen, A 24 Bd. 168 Nr. 8109/1918 Regina Hirschfeld; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 42708 Kohn, Hans Günther; StaH, 352-5 Gesundheitsbehörde, Todesbescheinigungen, 1921 Sta 22 Nr. 485 Max Hirschfeld, 1937 Sta 3 Nr. 154 Elsa Kohn, 1939 Sta 3 Nr. 562 Siegfried Kohn; StaH, 376-2 Gewerbepolizei, Spz VIII C 65 Nr. 7459 Max Hirschfeld; Standesamt Berlin IX, Heiratsregister, Nr. 375/1881 Jakob Julius Kohn u. HenrieteGütel Salinger; Standesamt Berlin VII a, Heiratsregister, Nr. 669/1887 Julius Jakobsohn u. Emma Kohn; Standesamt Berlin VII a, Sterberegister, Nr. 521/1912 Julius Jacobsohn; Standesamt Eberswalde, Sterberegister, Nr. 443/1904 Julius Jacobsohn; Standesamt Templin, Heiratsregister, Nr. 17/1893 Max Hirschfeld u. Regina Kohn; Standesamt Prenzlau, Heiratsregister, Nr. 1/1890 Berthold Kohn u. Eva Jacoby; Hamburger Adressbücher 1904–1943; Datenbankprojekt des Eduard-Duckesz-Fellow und der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie, Ohlsdorf 1915–1921, 1931–1939, B 9-376, ZW 10-69/70, 485, ZZ 10-539a, http://jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html, eingesehen am: 22.2.2022; Auskunft Peter Landé, Datei USHMM, Lodz Hospital 1942, 24.8.1942; Auskünfte Mayk Saborosch, Stadtarchiv Templin, Heiratsurkunde Nr.17/1893; Hildegard Thevs: Stolpersteine in Hamburg-Hamm. Biographische Spurensuche, Hamburg 2007, S. 116 (Jakob Erich Kohn); Jüdisches Bürgerverzeichnis für die Stadt Eberswalde, https://kreisarchiv.barnim.de/projekte/juedische-forschungen-im-barnim-1?mksearch%5Bpb-search126-pointer%5D=63&cHash=33d337b91cd17f1b987c37092bf58507, eingesehen am: 22.2.2022.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".