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Ernst Bauer
© Yad Vashem

Ernst Bauer * 1908

Breitenfelder Straße 4 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Breitenfelder Straße 4:
Inge Bauer, Lucia Bauer

Ernst Bauer, geb. 3.3.1908 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Inge Bauer, geb. Neufeld, geb. 9.11.1915 in Hamburg, am 8.11.1941 nach Minsk
deportiert

Breitenfelderstraße 4

Inge wuchs in einer großbürgerlichen Familie am Billhorner Röhrendamm 78 E auf. Ihr Vater Hermann Neufeld, geb. 4. März 1872, betrieb dort seit 1905 eine Zigarrenhandlung. Die Neufelds wohnten im 2. Stock des Hauses. Sie hatten eine Haushaltshilfe, sodass Regina, Inges Mutter (geb. 28. Februar 1880, geb. Katzenstein), im Geschäft mitarbeiten konnte. Inge war das jüngste Kind. Das älteste war Emmy, geboren 1906. Dann folgten 1909 Helmuth und 1911 Margot.

Inge besuchte neun Jahre lang die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße und anschließend eine Handelsschule. Im April 1932 verstarb ihr Vater. Die Mutter führte das Geschäft allein weiter, vielleicht mit Hilfe des Sohnes Helmuth.

Während der Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte waren auch die Neufeldschen Schaufenster beschmiert und das Tabakgeschäft so für die Kundschaft als "jüdisch" kenntlich gemacht worden. Vor der Tür standen Posten, kaufwillige Kundinnen und Kunden wurden eingeschüchtert. Die Folge war ein erheblicher Umsatzrückgang.

1933 heiratete Emmy Neufeld und wanderte nach Palästina aus. Sie erinnerte sich 1964, dass Inge "im Kaufmännischen so versiert [war], dass sie 1932, während sie noch die Handelsschule besuchte, imstande war, mich in meiner Bürotätigkeit während meines Sommerurlaubes nachmittags 4 Wochen zu vertreten. ... Als meine Schwester ihren Handelskurs mit Auszeichnung beendet hatte, war es für sie unmöglich geworden, im Jahre 1933 noch eine feste Anstellung als Jüdin zu bekommen, und sie machte Stundenarbeiten bei Firmen, die sich erstens selbst keine feste Angestellte halten konnten, da sie ja auch nicht wussten, wie lange sie ihren jüdischen Betrieb noch halten durften und die christlichen Firmen durften Juden offiziell nicht beschäftigen." Ab März 1939 bekam Inge auch keine "Stundenarbeiten" mehr und verdiente ihren Lebensunterhalt als Haushaltshilfe.

Im November 1938 wurde das Tabakgeschäft der Neufelds "arisiert". Es ist nicht bekannt, wovon Inges Mutter anschließend lebte. Wahrscheinlich im November 1939 zog Regina Neufeld in die Heinrich-Barth-Straße 10 zur Untermiete "bei Levin". Auch auf Inges Kultussteuerkartei ist diese Adresse angegeben. Ob sie dort mit ihrer Mutter lebte oder bei einer Familie, bei der sie als Haushaltshilfe arbeitete, ist nicht bekannt. Vielleicht hat sie so ihren späteren Ehemann Ernst Bauer kennengelernt, der zu der Zeit bereits mit seiner Mutter im Haus Heinrich-Barth-Straße 8 wohnte.

Inges Bruder Helmuth hielt sich seit Juni 1939 in Kopenhagen auf. Sein Schicksal ist nicht ungewöhnlich für einen deutschen Flüchtling: Er musste noch ein weiteres Mal das Land wechseln, bevor er sich nach dem Krieg endlich in den USA niederlassen konnte. Vom besetzten Dänemark aus wurde er im Oktober 1943 im Rahmen der Rettungsaktion für die Juden nach Schweden gebracht. Im August 1945 reiste er für eine Woche nach Dänemark und kehrte dann nach Stockholm zurück, wo er bis zu seiner Ausreise in die USA im Oktober 1946 bei der Jüdischen Gemeinde angestellt war.

Ernst Bauer war der Sohn von Leopold und Luzie Bauer (s. dort). Über seine Schulzeit ist nichts bekannt, aber wir wissen, dass er eine Lehre als Textilverkäufer machte. Er sei sehr wissbegierig gewesen und habe viel Zeitung gelesen, hat später sein Bruder über ihn erzählt. Anhand der Sozialversicherungsunterlagen lässt sich sein beruflicher Werdegang nachverfolgen: Von Dezember 1927 bis 1931 arbeitete Ernst in der Firma Rosenthal, im Juli und August verkürzt, wahrscheinlich wegen der Weltwirtschaftskrise. Wohl aus demselben Grund war er von November 1932 an arbeitslos. Im Februar 1937 bekam er wieder eine feste Anstellung und war in der Firma Hugo Hartig, Import und Export, Bankabteilung, tätig. Zu der Zeit konnte er auch seine Mutter unterstützen – auf deren Kultussteuerkartei wurde im Januar 1938 notiert: "Wird vom Sohn Ernst ernährt."

Im Zuge der Pogromnacht kam Ernst Bauer am 10. November 1938 in "Schutzhaft" und wurde erst am 25. Januar 1939 wieder entlassen. Im Anschluss an diese Zeit war er einen Monat krank. Von März bis Dezember 1939 arbeitete er bei der Firma Walter Bibow im Tiefbau als Erdarbeiter. Danach war er weiter bis zum Juli 1941 versicherungspflichtig beschäftigt, in welcher Funktion ist nicht bekannt.

Irgendwann im Frühjahr 1941 waren Inge Neufeld und ihre Mutter in das ehemalige Samuel Levy-Stift in die Bundesstraße 35 gezogen, das später ein "Judenhaus" wurde. Ernst Bauer wohnte dort wahrscheinlich schon ab Oktober 1940 mit seiner Mutter Luzie Bauer zusammen. Am 10. April 1941 heirateten Inge und Ernst. Das junge Ehe­paar fand anscheinend eine Unterkunft in ihrer vorigen Nachbarschaft, in der Heinrich-Barth-Straße 8. Ihre ge­mein­same Zeit war kurz. Zusammen mit Inges Schwester Margot, verheiratete Wimmer, deren Mann Wilhelm und dem einjährigen Bela Wimmer wurden sie mit dem Transport am 8. November 1941 nach Minsk deportiert.

Inges Mutter Regina Recha Neufeld verstarb am 20. August 1942 in der Bundesstraße 35.

© Sabine Brunotte

Quellen: 1; 4; StaH 522-1, Jüd. Gemeinden 992e2, Band 2; AfW 091115 Bauer, Inge; AfW 280280 Neufeld, Regina; Mündliche Auskunft Dr. Edith Theux, 3.8.2007; Dansk Jodisk Museum, E-Mail vom 2.3. 2010; Riksarkivet Stockholm, E-Mail vom 18.5.2010, Ref. 42-2010/2313; Verzeichnis Hamburger Börsenfirmen von 1933.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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