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Ferdinand Isenberg * 1875
Maria-Louisen-Straße 122 (Hamburg-Nord, Winterhude)
HIER WOHNTE
FERDINAND
ISENBERG
JG. 1875
VERHAFTET 15.2.1939
KZ FUHLSBÜTTEL
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
18.2.1939
Ferdinand Isenberg, geb. 21.3.1875, gestorben am 18.2.1939 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel
Die Vorfahren von Ferdinand Isenberg waren jüdische Leinenhändler in Krakau. Sein 1846 geborener Vater Hermann wanderte als junger Mann nach Amerika aus und übte das Hausierergewerbe aus. 1872 heiratete er Sophie Wassermann. Schon bald darauf kehrte das Ehepaar nach Europa zurück. Einen Sohn, Rudolf, ließen sie in Amerika aufwachsen.
Ferdinand Isenberg wurde in Hamburg geboren und wuchs als eines von acht weiteren Kindern des Ehepaares in der Straße Rutschbahn auf. Als junger Mann war er zunächst Lotterieeinehmer und Handelsvertreter für einen Wäschefabrikanten. Wahrscheinlich mit dessen Hilfe eröffnete er sein erstes eigenes Geschäft, das "Corsethaus Gazelle" am Steindamm 13. Von dort lieferte er auch die aufwändigen und mit Glasperlen oder Federn bunt geschmückten Corsagen für die Revuen, die damals auf St. Georg gezeigt wurden. Eine Zwischenhändlerin mit mehreren Näherinnen arbeitete ihm zu. Die Firma expandierte schnell, bald gab es "Gazelle"-Filialen auch in "bürgerlichen" Gegenden, z. B. in der Innenstadt, in Wandsbek, Barmbek, an der Hohenluft und in Harburg. Dort wurden Damenwäsche und Corsagen verkauft. Ein Verwandter schilderte Ferdinand Isenberg als einen sehr charmanten und großzügigen Menschen, der gerne lebte und leben ließ.
Seine Ehefrau Sophie, geb. Beck, die er im April 1914 geheiratet hatte, trat ihm zuliebe zum Judentum über. Gemeinsam wohnten sie in der Maria-Louisen-Straße 122.
Im Jahr 1938 begann für Ferdinand Isenberg, wie für viele andere jüdische Geschäftsleute auch, der Prozess der Ausplünderung durch den NS-Staat und seine Nutznießer. Im Juli 1938 wurde sein Vermögen unter Sicherungsanordnung gestellt. Mit dem Novemberpogrom wurde auch das geschäftliche Aus für die "Gazelle"-Filialen eingeleitet. Die Fenster mindestens einer Filiale – Lüneburger Straße 44 – wurden zerstört. Nach dem Pogrom wurde ein "Treuhänder" zum Verkauf des Unternehmens eingesetzt. Einige Filialen wurden sofort liquidiert, elf "Gazelle"-Läden wurden an ehemalige Verkäuferinnen verkauft (unter anderem auch die Filiale Lüneburger Straße 44), denen in zumindest vier Fällen der – ohnehin extrem niedrig angesetzte – Verkaufspreis von branchenfremden Geldgebern finanziert wurde, sie fungierten also wohl eher als "Strohfrauen" denn als eigenständige Unternehmerinnen. Die letzten noch existierenden Filialen verschwanden Ende der 1940er Jahre aus dem Hamburger Wirtschaftsleben, am 11. Februar 1950 wurde der Handelsregister-Eintrag endgültig gelöscht. (Weiteres zur "Gazelle" in: Astrid Louven, Ursula Pietsch, Stolpersteine in Hamburg-Wandsbek, Hamburg 2008, S. 81ff)
Ferdinand Isenberg wurde noch 1938 unter dem Vorwurf der "Rassenschande" festgenommen und im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel festgehalten. Dort nahm er sich am 18. Februar 1939 das Leben. Das Standesamt beurkundete die Todesursache "Erhängen/Selbstmord". Im "Hamburger Tageblatt" wurde dies als "Das Ende eines Schacherjuden" gefeiert.
Nach seinem Tod, im März 1939, trat seine Frau aus der Gemeinde aus und verhinderte damit, dass das auf sie als Erbin gefallene Privatvermögen des Geschäftsmannes vom NS-Staat unter Sicherungsanordnung gestellt wurde.
© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; Mail-Auskunft von Fr. Dr. Renate Bielefeld am 13. und 28.9.07; Standesamt Hamburg-Nord, Personenstandsbuch; Archiv Handelskammer, Akte 56/50; Hamburger Fremdenblatt, 20.2.1939; Adressbuch für Harburg und Wilhelmsburg 1 und den Landkreis 1934, Harburg 1934; dto. 1935; Einwohnerbuch für Harburg-Wilhelmsburg 1 und den Landkreis 1938, Harburg 1938; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg, Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933–1945, Hamburg 1997, S. 249; Herbert Diercks, Gedenkbuch Kola-Fu. Hamburg 1987, S. 25; Jürgen Sielemann, "Fragen und Antworten zur ‚Reichskristallnacht’ in Hamburg", in: Bewahren und Berichten. Festschrift für Hans-Dieter Loose zum 60. Geburtstag, S. 492 [Zeitschr. des Vereins f. Hamburgische Geschichte 83/1]; "Das Verschwinden der jüdischen Unternehmen" (‚Arisierung" in St. Georg Teil 2). In: Der lachende Drache, März 2006, S. 12.