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Dr. Ernst Kaufmann * 1880

Hochallee 75 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1943 Theresienstadt
1944 weiterdeportiert nach Auschwitz

further stumbling stones in Hochallee 75:
Olga Beer, Dr. Hermann Gerson, Käthe Kaufmann, Betty Kurzynski

Dr. Ernst Kaufmann, geb. 16.3.1880 in Hamburg, deportiert am 9.6.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 9.10.1944 nach Auschwitz

Hochallee 75 (Harvestehude)

Ernst Kaufmann war 1880 in Hamburg-Altstadt (Kleine Reichenstraße 1) in der Wohnung seiner Eltern, dem Hamburger "Wundarzt, Geburtshelfer und Ohrenarzt" Dr. David Kaufmann (1839-1907) und Jette, genannt "Julie" Kaufmann, geb. Heckscher (1843-1919), geboren worden. Er hatte drei ältere Geschwister: Anna, später verheiratete Bernhard (1866-1959), Pauline Kaufmann (1868-1906) und Walter Kaufmann (1877-1949).

Die Eltern waren beide in Hamburg geboren worden. Der Vater besaß seit 1863 das Hamburger Bürgerrecht. Die Ehe wurde am 1. Januar 1865 vor der Deutsch-Israelitischen Gemeinde geschlossen.

Die Grundlage für den gesellschaftlichen Aufstieg hatte Ernst Kaufmanns von Biala (Russland) nach Hamburg zugezogener Großvater Wolff Kaufmann (1786-1875) gelegt, indem er seinen Sohn David Medizin studieren ließ. Das Geld hierfür erwirtschaftete Wolf Kaufmann mit einem Buchantiquariat; im Adressbuch stand "handelt mit hebräischen Büchern und sonstigen Gegenständen". Das Geschäft befand sich von 1835 bis 1875 in der Hamburger Neustadt.

Nach dem Besuch der Vorschule Thomsen wechselte Ernst Kaufmann im März 1889 auf die renommierte Gelehrtenschule des Johanneums, die er im Februar 1898 mit dem Abiturzeugnis abschloss. Seine besten Schulnoten erwarb er in Englisch und Französisch, teilweise auch in Mathematik. Betragen und Fleiß wurden mit gut bewertet. Zusammen mit Ernst Kaufmann legten 12 weitere Schüler die Abiturprüfung ab, davon 10 mit evangelischer und 2 mit jüdischer Konfession.

Er studierte Jura an den Universitäten Freiburg/ Breisgau (1898), München (1898-1899) und Berlin (1899-1900) und wurde im Dezember 1901 an der Universität Rostock promoviert.

Der 188 cm große Ernst Kaufmann besaß aufgrund seines Abiturs einen Berechtigungsschein für einen einjährigen Militärdienst bei einer Waffengattung seiner Wahl. Wegen seines Studiums wurde er bis 1903 vom Militärdienst zurückgestellt. Hinter dem im Musterungsbuch vermerkten "8.7.02 König. Cur. Inf. Regt. 1" ist die Angabe der Reserveorganisation "Landsturm I mit Waffe" notiert.

Fünf Jahre zuvor soll sein Bruder Walter seinen Militärdienst beim III. Bataillon des 1. Bayerischen Infanterie Regiments König in München abgeleistet haben. Beim Stadtarchiv München fand sich jedoch ein entsprechender Meldebogen für den Aufenthalt während der Militärdienstzeit weder für Walter noch für Ernst Kaufmann.

Ab Juni 1905 war Ernst Kaufmann in Hamburg als Rechtsanwalt zugelassen. 1906 trat er in die Anwaltskanzlei von Dr. Albert Cohen (geb. 4.12.1871 in Hamburg) an der Dammtorstraße 12 ein. Nachdem das neue Kontorhaus "Goldener Schwan" 1912 in der Dammtorstraße 27 fertiggestellt war, bezog die Rechtsanwaltskanzlei dort im 2. Stock neue Räume. Nach dem Ausscheiden von Albert Cohen 1920 wurde Dr. Edgar Haas (1877-1946) in die Sozietät als Partner aufgenommen. Er schied im November 1933 aus, an seiner Stelle nahm Ernst Kaufmann nun Dr. Walter Klaas in seine Kanzlei auf.

In seinem Personalbogen findet sich der Vermerk "21.12.1910 aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ausgetreten" und "bekenntnislos". Dies passt zu der Entscheidung seiner Eltern, ihn am Johanneum weder am christlichen Religionsunterricht noch am Hebräisch-Unterricht teilnehmen zu lassen. Trotzdem gehörte Ernst Kaufmann, vermutlich aufgrund seiner Heirat mit Dora May im Jahre 1909, seit Gründung 1913 der jüdischen Z. H. May + Frau-Stiftung deren Vorstand an und war dessen Schriftführer. Ihre Kinder ließen Ernst und Dora Kaufmann evangelisch taufen. Auch der Bruder Walter Kaufmann besaß zum Zeitpunkt seiner Heirat 1913 die evangelisch-lutherische Religionszugehörigkeit.

Ernst Kaufmann wohnte mit seinen Eltern zuletzt am Eppendorfer Baum 6/ Harvestehude (1907-1909). Nach seiner Heirat zog er 1910 mit seiner Frau in die nahegelegene Eppendorfer Landstraße 18 II. Stock (Eppendorf). Im Juni 1913 zogen sie mit zwei Kindern von der Eppendorfer Landstraße/ Ecke Hegestieg in die Hochallee 75 (Harvestehude). Im Hamburger Adressbuch von 1914 war er bereits als Eigentümer des um 1900 erbauten Hauses vermerkt. Die mit Ernst und Käthe Kaufmann befreundete Käthe Schlesinger berichtete, "dass er seine Wohnungseinrichtung von seinem Schwager Hermann Haas, der Künstler war, hatte entwerfen lassen". (Hermann Haas (1878-1935) war Architekt, Maler und Möbeldesigner, mit Olga Haas, geb. May (1873-1944) verheiratet und zuletzt in Aachen wohnhaft.)

Mahagoni-Möbel, Tier-Figuren (Hunde, Katze, Känguru), Bilder, eine große chinesische/ japanische Vase, Deckelvasen, Kristallkaraffen mit Silbereinfassung und ein großer geschnitzter Elefant zeigten beispielhaft den Kunstliebhaber Ernst Kaufmann. Im Haus gab es auch ein Musikzimmer mit Bechstein-Flügel und Geige. Ein Ess-Service für 24 Personen verweist auf die Größe der Gesellschaften, auf die sich Kaufmanns einstellten. Das Haus hatte eine Veranda zum Garten und einen separaten Raum für Koffer. Die Küche war mit modernen Geräten ausgestattet, u.a. mit Elektroherd Marke Graetzor, Kühlschrank Marke Electrolux und elektrischem Kochtopf.

Seine verwitwete Mutter zog 1914 in eine Wohnung ganz in seiner Nähe, in die Hochallee 119.

Ernst Kaufmann hatte am 8. Juli 1909 in Berlin-Charlottenburg Dora May (1884-1944) geheiratet; Trauzeugen waren sein Bruder Walter und der Schwager Felix Meyerhof (verheiratet mit Bettina May) aus Berlin. Der Schwiegervater Otto May (1834-1908) war Inhaber des Bankgeschäfts Adler & May in Hamburg (Graskeller 16) gewesen und besaß seit 1858 einen Hamburger "Großbürgerbrief", den finanziell besser gestellte Einwohner der Hansestadt erwerben konnten.

Ernst und Dora Kaufmann bekamen drei Kinder: Charlotte "Lotte", später verheiratete Gruhn (1910-2006), Herbert Otto (1911-2002) und Rudolf Ernst Felix (geb. 1918). Die Ehe wurde nach 16 Jahren am 3. Februar 1926 geschieden.

11 Wochen später heiratete Ernst Kaufmann am 28. April 1926 Käthe Eggeling, geb. Norden, die von der Curschmannstraße 15 zu ihm in die Hochallee 75 zog. Käthe Norden (geb. 8.10.1886 in Hamburg) war vermutlich mit einem Herrn Eggeling verlobt gewesen, der im Ersten Weltkrieg als Soldat starb. 1917 nahm sie seinen Familiennamen an. Auch bei der zweiten Heirat war sein Bruder Walter Trauzeuge.

Ernst Kaufmann hatte als Soldat am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Auf seinem Personalbogen bei der Justizverwaltung wurde unter Kriegsdienst "ja" notiert. Über seinen Dienstgrad und seine Einheit liegen uns keine Informationen vor.

Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten bedeutete auch für Ernst Kaufmann eine systematische Entrechtung und finanzielle Ausplünderung.

Bald nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gelangt waren, erließen sie Berufsverbote gegen jüdische Rechtsanwälte, indem sie deren Zulassung annullierten: "Auf Grund des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 7. April 1933 (Reichsgesetzblatt I S. 188) wird die Ihnen erteilte Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht, dem Landgericht und dem Amtsgericht in Hamburg zurückgenommen. Der Präses der Landesjustizverwaltung gez. Dr. Rothenberger 25. April 1933." Davon ausgenommen waren einstweilen Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs.

Aufgrund eines Verbots zum 1. Juni 1936, Gemeinschaftsbüros "jüdischer" und "arischer" Anwälte zu führen, mussten Ernst Kaufmann und Walter Klaas ihre Kanzlei auflösen und zwei eigenständige Rechtsanwaltsbüros einrichten. Zum 30. November 1938 wurde Ernst Kaufmann wie allen jüdischen Anwälten die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Sein Name stand auf einer Liste mit den Namen von 67 nicht mehr zugelassenen jüdischen Rechtsanwälten, die am 5. Dezember 1938 "An alle Dienststellen des Landgerichts Hamburg (einschließlich Altona)" geschickt wurde. Einigen von ihnen gestattete das NS-Regime die rechtliche Vertretung von Jüdinnen und Juden.

Ernst Kaufmanns Bewerbung als "jüdischer Konsulent" Mitte 1939 wurde abgelehnt. Er arbeitete nun als "Hilfsarbeiter" bei "Konsulent" Dr. Manfred Zadik (1887-1965) in der Jungmannstraße 1/ Othmarschen. Auf der Geburtsurkunde von Ernst Kaufmann wurde im Dezember 1938 der zusätzliche Zwangsvorname "Israel" eingetragen, den er - wie alle Juden - fortan auch bei Unterschriften verwenden musste.

Sein Vermögen musste er der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten nachweisen. Dort wurde im Januar 1939 eine Vermögenssperre gegen ihn erlassen. Eine Woche zuvor hatte Zollinspektor Werner mit einer stereotypen Unterstellung eine vorläufige "Sicherungsanordnung" erwirkt: "Herr Dr. Kaufmann und seine Ehefrau sind Juden. Bei den in letzter Zeit mit Juden gemachten Erfahrungen ist es erforderlich, Verfügungen über ihr Vermögen nur mit Genehmigung zuzulassen."

Belief sich sein Vermögen im Mai 1939 noch auf 78.400 Reichsmark, so wurden davon 28.000 RM "Judenvermögensabgabe" (25% des "abgabepflichtigen Vermögens") und 14.000 RM "Reichsfluchtsteuer" eingefordert, hinzu kamen 3.800 RM steuerliche Nachteile. Mit diesen scheinlegalen Maßnahmen hatte sich der NS-Staat schon nach wenigen Monaten rund die Hälfte seines Vermögens angeeignet. Das beim Bankhaus M. M. Warburg & Co. eingelagerte Tischsilber sowie zwei goldene Uhren mussten im Juni 1940 bei der Ankaufstelle im Bäckerbreitergang 73 abgeliefert werden. Hierfür erhielten die Eigentümer 270 RM brutto. Zwanzig Jahre später wurde der tatsächliche Wert im Zuge des Entschädigungsverfahrens von einem Sachverständigen mit 4.000 DM (ca. 2.000 Euro) veranschlagt.

Freundschaftlichen Kontakt unterhielten Ernst und Käthe Kaufmann zu der Zahnärztin Dr. Johanna Meyer-Udewald. Er beriet sie auch dann noch, als sie bereits in die Niederlande emigriert war und er keine Zulassung als Rechtsanwalt mehr hatte. Am 3. Februar 1939 schrieb er an sie: "Ich bin, wie Sie sehen, auch noch hier, und es steht noch nicht fest, ob und wann ich meinen Sohn (in Antwerpen) besuchen kann. Sobald das der Fall ist, werde ich nicht verfehlen, Sie zu benachrichtigen (…) und grüsse Sie herzlichst". Am 3. November 1939 hatte sich bei Ernst und Käthe Kaufmann noch nichts geklärt, im Brief schrieb er: "Wie es mit uns wird, weiss ich noch nicht, doch ist es möglich, dass sich in einiger Zeit doch noch irgend etwas entscheidet." Mit Schreiben vom 12. Februar 1940 bedankte sich Ernst Kaufmann bei Johanna Meyer-Udewald für ein Paket aus Antwerpen und schrieb zu seiner Situation: "(…) unter unserer jetzigen Privatadresse Hamburg 20, Heilwigstr. 29, Pension Alsterufer. Dort wohnen wir zurzeit, nachdem wir unseren Hausstand in der Hochallee bereits vor einigen Monaten haben verpacken lassen. Die weitere Entwicklung in dieser Richtung steht noch nicht fest. (…)."

Allen drei Kindern aus der ersten Ehe von Ernst Kaufmann gelang die Emigration in die USA. Seine verwitwete Cousine Helene Müller, geb. Kaufmann (geb. 1879) konnte im April 1938 nach England ausreisen. Auch sein Bruder Walter Kaufmann emigrierte mit Ehefrau und Tochter im Februar 1939 nach England.

Zum 1. Januar 1940 erhielt Ernst Kaufmann dann eine Zulassung als "Konsulent" (Rechtsvertreter) für jüdische Klienten. Er durfte nun bei Gericht keine Robe mehr tragen und musste ab September 1941 auch im Gerichtssaal an seiner Kleidung einen "Judenstern" tragen. Für seine Tätigkeit als Konsulent musste er an den NS-Staat eine "Konsulentenabgabe" in Höhe von 29.717 RM entrichten. Als Sekretärin arbeitete bei ihm die Stenotypistin Anna Rosenberg (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), die 1933 vom Landgericht Hamburg entlassen worden war und u.a. 1939 für Manfred Zadik tätig war. Im Juni 1940 eröffnete Ernst Kaufmann seine neue Kanzlei in die Königstraße 21/22.

Nachdem das Deutsche Reich sein Haus in der Hochallee 75 eingezogen, aber nicht im Grundbuch umgeschrieben hatte, vermietete die "Hamburgische Grundstücksverwaltungs-Gesellschaft von 1938 mbH" die Immobilie im Auftrag des Oberfinanzpräsidenten.

Ernst Kaufmann wohnte ab 5. September 1939 mit seiner Ehefrau in der erwähnten Pension Alsterufer von Sophie Gilg in der Heilwigstraße 29/ Harvestehude und danach in dem vom NS-Regime zum "Judenhaus" erklärten ehemaligen Stiftsgebäude in der Agathenstraße 3/ Eimsbüttel. Beide Adressen stehen auf seiner Kultussteuerkarte von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde, als er – wie alle Juden, die nicht in Mischehe lebten – ab 1939 Mitglied der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland werden musste, deren Hamburger Zweigstelle die ehemalige jüdische Gemeinde war.

Sein Ausreiseantrag vom 12. April 1939 nach Antwerpen/Belgien, wohin sein Sohn Herbert Kaufmann bereits 1933 ausgereist war, wurde kurzzeitig wegen einer "Devisenermittlungssache" verzögert: Bei der Prüfung des Umzugsgutes durch die Zollfahndungsstelle Hamburg am 18. April 1939 im Büro Dammtorstraße 27 kam es zu einem Zwischenfall. Zollsekretär Janßen ließ den im Büro befindlichen Geldschrank öffnen und fand dort neben Unterlagen auch 600 Reichsmark Bargeld dessen Herkunft er erläutert haben wollte. Laut Ernst Kaufmann handelte es sich um Unterstützungsgelder, die ihm von reicheren Angehörigen zur Verteilung an ärmere Angehörige übergeben wurden. Er nahm während der Prüfung zwei Geldumschläge an sich, die er in seinen Mantel steckte. Der Zollfahnder bemerkte auch dies und forderte Aufklärung. Die Herkunft dieser weiteren Geldbeträge gab Ernst Kaufmann einerseits mit Beträgen von "Anderkonten" sowie Geldern aus seinem Wohnhaus an. Der Zollfahnder unterstellte eine Falschaussage und forderte Unterstützung von seiner Dienststelle an, woraufhin Zollinspektor Kusch und Zollsekretär Tams die Ermittlungen übernahmen. Es gab weitere Befragungen, selbst die seit 14 Jahren beschäftigte Mitarbeiterin Else Müller wurde vorgeladen und befragt. Im ersten Bericht und in den Protokollen der Verhöre wurde Ernst Kaufmann bereits als Täter abgestempelt. Die Wortwahl war kurz und scharf gewählt. Dennoch und überraschend enthielt der Ermittlungsbericht vom 24. April 1939 neben der Zusammenfassung der Recherche am Ende die Entlastung, denn "kann ein schlüssiger Beweis für den Versuch einer strafbaren Handlung nicht erbracht werden. Die am 17.4.39 ausgesprochene Beschlagnahmeder Bargeldbeträge wäre aufzuheben." Warum die Emigration dennoch nicht zustande kam, ist den Dokumenten im Archiv allerdings nicht zu entnehmen.

Für Dezember 1939/ Januar 1940 sind Zahlungen für Käthe Kaufmanns Behandlungen beim praktischen Arzt Dr. Ernst Wolffson (1881-1955) belegt, wobei Rückschlüsse auf die Patientin und ihre Krankheit möglich sind. Medikamente für sie wurden 1940 in der Schwan-Apotheke von W. Mielck in der Dammtorstraße 27 gekauft. 1941 beantragte Ernst Kaufmann Geld für eine Haushaltshilfe, da seine Ehefrau an einer "schweren Nervenlähmung" erkrankt sei. Nach Zustimmung der Devisenstelle konnte 1941 die Haushaltshilfe Fanny Weinreich, geb. Abraham (geb. 1905) eingestellt werden.

Am 23. September 1942 mussten Ernst und Käthe Kaufmann in das zum "Judenhaus" erklärte Gebäude Grindelallee 21 Haus B Parterre bzw. Haus 2 umziehen. Am 8. Juni 1943 wurde den jüdischen "Konsulenten" ihre Zulassung entzogen.

Der vom NS-Regime vollständig entrechtete Ernst Kaufmann wurde am 9. Juni 1943 zusammen mit seiner Ehefrau ins Getto Theresienstadt deportiert. Unter dem Vorwand es handele sich um ein "Altersgetto" und dort würde ihnen "Unterkunft und Verpflegung, Wäsche und ärztliche Versorgung auf Lebenszeit" gewährt, musste er zuvor einen "Heimeinkaufsvertrag" über 13.500 RM abschließen. Sein restliches Kapital wurde"als "volks- und staatsfeindliches Vermögen (…) zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen".

Im Getto Theresienstadt wurden Ernst und Käthe Kaufmann in einem Zimmer in der Parkstraße 1 einquartiert. Käthe Kaufmann starb dort nach sieben Wochen am 1. August 1943 an einer Lungenentzündung. Ernst Kaufmann wurde über ein Jahr später, am 9. Oktober 1944, in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Nach der Deportation von Ernst Kaufmann wurde Dr. Morris Samson die Abwicklung von Kaufmanns Kanzlei als "Konsulent" übertragen, entschied Landgerichtspräsident Dr. Ferdinand Korn (geb. 1891 in Hameln) am 12. Juni 1943. Er wies diesem auch den bisherigen Hilfsarbeiter Kaufmanns, den Dr. Kurt Ledien zu.

Auch der letzten Habe Kaufmanns bemächtigte sich der NS-Staat: Die Wohnungseinrichtung wurde beschlagnahmt und am 20. Juli 1943 über den Gerichtsvollzieher Arthur Gerlach versteigert, der im Auftrag des Hamburger Oberfinanzpräsidenten Auktionen von Raubgut durchführte. Diese Versteigerung wurde im Hamburger Tageblatt "öffentlich bekannt gemacht" und erbrachte rund 6.200 RM. Kunstwerke, wie Ölgemälde, Bilder, Plastiken und Porzellan wurden auf den Versteigerungslisten weder mit Künstlerangabe noch mit einer ungefähren Datierung angegeben. Zuvor hatte die Staatspolizei-Leitstelle Hamburg 287 Bücher aus dem wertvollen, mehrere tausend Bände umfassenden Bibliotheksbestand von Ernst Kaufmann beschlagnahmt, ihr Verbleib ist bis heute ungeklärt.

Einer der kommerziellen Einkäufer bei dieser Raubgut-Auktion war das Buch- und Kunstantiquariat von Dr. Adolf Dethmann in der Gerhofstraße 2-8. Zu dessen Erwerbungen gehörten bei dieser Versteigerung ein Ölbild mit Pferdemotiv im Goldrahmen (82 RM), 9 Bände Ibsen (25 RM), 6 Bände Bernhard Shaw (16 RM) und 4 Bände Stendahl (22 RM). 1944 ersteigerte Dr. Dethmann zudem aus der Kaufmann-Bibliothek noch 59 Bände Goethe (320 RM), 44 Bände Jean Paul (120 RM), 4 Bände Lenotre (10 RM) sowie 6 Bände Max Kahlbeck über Brahms (30 RM) und diverse Kunstblätter. (Dr. Adolf Dethmann (geb. 1896) ehemaliger kaufmännischer Leiter der Junkers-Werke, hatte nach seiner Inhaftierung 1933 im Dessauer Gefängnis drei Jahre später in Hamburg ein Antiquariat eröffnet; er war kein Mitglied der NSDAP.)

Der NS-Staat eignete sich auch die "Kontoreinrichtung" von Ernst Kaufmann an; "Die Gegenstände waren vom Oberfinanzpräsidenten Hamburg beschlagnahmt. Sie wurden der Firma Hahn & Co., welcher nach Ausbombung in 1943 die unbenutzten Räume zugewiesen wurden, am 8.9.1943 vom Oberfinanzpräsidenten Hamburg vermietet und späterhin am 8.3.1944 gegen Bezahlung von RM 3.106,- verkauft". Den geringen Preis für die komplette Ausstattung der Kanzlei mit 3 Bürozimmern und 2 Aktenkammern hatte das Gerichtsvollzieheramt festgelegt.

Eine spätere Versteigerung von Gold- und Silbersachen sowie Fachbüchern, Noten und Kunstblättern aus der Kanzlei erbrachte am 3. Mai 1944 über den Gerichtsvollzieher Arthur Gerlach rund 2.000 RM. Angekündigt war die Auktion "einer Partie Fundsachen" im Versteigerungshaus der Gerichtsvollzieherei (Drehbahn 36) über das Hamburger Tageblatt. Eine letzte Versteigerung seines Eigentums erfolgte am 11. Oktober 1944.

An Ernst Kaufmann und Käthe Kaufmann erinnern seit 2004 Stolpersteine vor ihrem Haus in der Hochallee 75. Ernst Kaufmanns Name steht seit 2007 auf einer Tafel "Anwälte erinnern" im DAV (Deutscher Anwaltsverein)-Haus in Berlin.

Die geschiedene Ehefrau Ernst Kaufmanns hatte 1926 den Rechtsanwalt am Reichsgericht Harald Hansen (1882-1940) geheiratet, war zum Katholizismus konvertiert und zu ihrem Mann nach Leipzig gezogen. Das Ehepaar wohnte 1938 und 1939 in Leipzig in der Mozartstraße 21a. Dora Hansen wurde am 21. Januar 1942 von Leipzig ins Getto Riga deportiert. Als ihr Todesjahr wird im Gedenkbuch des Bundesarchivs 1944 angegeben.

© Björn Eggert/Christina Igla

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH)213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 2493 (Ernst Kaufmann); StaH 213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 2494 (Ernst Kaufmann); StaH 213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 2496 (Ernst Kaufmann); StaH214-1 (Gerichtsvollzieherwesen), 389 (Versteigerungslisten Wohnungseinrichtung Dr. Ernst Kaufmann); StaH 221-11 (Entnazifizierung), CR 2465 (Dr. Adolf Dethmann); StaH 241-2 (Justizverwaltung – Personalakten), P 2830 (Ernst Kaufmann); StaH 241-2 (Justizverwaltung – Personalakten), A 258 (Rechtsanwalt Dr. Albert Cohen, 1897 als RA zugelassen, 1920 Löschung beantragt, 1933 als RA in Antwerpen niedergelassen); StaH 241-2 (Justizverwaltung – Personalakten), A 3206 (Ferdinand B. R. Korn); StaH 314-15(Oberfinanzpräsident), R 1939/0230 (Sicherungsanordnung gegen Ernst u. Käthe Kaufmann); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), V1/158 (Grundstücksverwaltung Hochallee 75); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 1272 (Auswanderungsakte Ernst u. Käthe Kaufmann); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), F 1791 (Helene Müller geb. Kaufmann); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht 1866-1875), A Nr. 7 (Geburtsregister 2092/1866, Anna Kaufmann); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht 1866-1875), A Nr. 51 (Geburtsregister 3225/1868, Pauline Kaufmann); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht 1866-1875), A Nr. 249 (Geburtsregister 2102/1873, Olga May); StaH 332-3 (Zivilstandsaufsicht), C Nr. 183 (Sterberegister 6630/1875, Wolff Kaufmann); StaH 332-5 (Standesämter),8486 u. 730/1877 (Heiratsregister 1877, Isidor Kaufmann u. Jenny Lion, Trauzeuge Dr. David Kaufmann); StaH 332-5 (Standesämter), 1898 u. 3021/1877 (Geburtsregister 1877, Walter Kaufmann); StaH 332-5 (Standesämter), 1965 u. 1126/1880 (Geburtsregister 1880, Ernst Kaufmann); StaH 332-5 (Standesämter), 8986 u. 1524/1884 (Geburtsregister 1884, Dora May); StaH 332-5 (Standesämter),2132 u. 4875/1886 (Geburtsregister 1886, Käthe Norden, mit Namensänderung in Eggeling 28.7.1917); StaH332-5 (Standesämter), 7988 u. 344/1907 (Sterberegister 1907, Dr. David Kaufmann); StaH 332-5 (Standesämter), 8690 u. 302/1913 (Heiratsregister 1913, Dr. med. Walter Kaufmann u. Julie Wolff, Trauzeuge Dr. Ernst Kaufmann); StaH 332-5 (Standesämter), 9607 u. 206/1926 (Heiratsregister 1926, Ernst Kaufmann u. Käthe Eggeling); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 6 (Bürger-Register 1845-1875 G-K, Dr. David Kaufmann, 1.5.1863 Bürgerrecht Nr. 550); StaH 332-8 (Meldewesen), Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925, Rollfilm K 6355 (Dr. David Kaufmann, Julie Kaufmann geb. Heckscher); StaH 332-8 (Meldewesen), Hausmeldekartei Hochallee 75; StaH 342-2 (Militär-Ersatzbehörden), D II 99 Bd. 2 (Ernst Kaufmann); StaH 342-2 (Militär-Ersatzbehörden), D II 87 Bd. 2 (Walter Kaufmann); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 380e (1902-1912, Austrittserklärung von Ernst und Dora Kaufmann); StaH522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Ernst Kaufmann (Austritt 1910, Zwangsmitgliedschaft 1939); StaH 621-1/84 (Firma Ernst Kaufmann), Nr. 82 (Bemühungen wegen polizeilicher Sicherstellung des Vermögens von Dr. Johanna Meyer-Udewald 1939-1940); StaH 621-1/84 (Firma Ernst Kaufmann), Nr. 88 (Nachlass Julie Norden geb. Epstein); StaH 731-8 (Zeitungsausschnittsammlung), A 760 (Korn, Ferdinand, 1937); Jüdischer Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Gräberverzeichnis (Pauline Kaufmann, gest. 17.3.1906, Grablage A 9 Nr. 61; Dr. med. David Kaufmann, gest. 24.7.1907, Grablage C 10 Nr. 82; Jette Kaufmann geb. Heckscher, gest. 10.10.1919, Grablage C 10 Nr. 83); Bundesarchiv Berlin, R 1509 (Reichssippenamt), Volks-, Berufs-, u. Betriebszählung am 17. Mai 1939 (Anna Bernhard geb. Kaufmann u. Paul Bernhard, Berlin-Charlottenburg, Bismarckstr. 67; Harald Hansen u. Dora Hansen geb. May, Leipzig, Mozartstr. 21a); Landesarchiv Berlin, P Rep 551 Nr. 179 (Heiratsurkunde 1909, Dr. Ernst Kaufmann u. Dora May, mit Scheidungsvermerk); Stadtarchiv Aachen (Sterberegister 1935/1726, Hermann Haas, verheiratet mit Olga May, wohnhaft Maria-Theresia-Allee 43); Gelehrtenschule des Johanneums, Bibliotheca Johannei (Schülerkarte und Abiturienten-Prüfung Ernst Kaufmann, Schülerkarte Walter Kaufmann, Schülerkarte Herbert Kaufmann); Ernst Kaufmann, Welchen Einfluss hat eine vom Käufer vorgenommene Verfügung über die Kaufsache auf die aedilizischen Rechtsmittel?, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der juristischen Doktorwürde der Juristen-Fakultät zu Rostock, Aktenexemplar der Universität Rostock; Franklin Kopitzsch/ Daniel Tilgner, Hamburg Lexikon, Hamburg 2010, S. 123-124 (Bürgerrecht); Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg. Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 68 (Heimeinkaufsvertrag), S. 132 (Dr. Edgar Haas), S. 139 (Dr. Ernst Kaufmann), S. 168 (Dr. Manfred Zadik); Curt Rothenberger (Hrsg.), Das Hanseatische Oberlandesgericht, Hamburg 1939, S. 110 (Ferdinand Korn, bisheriger Amtsgerichtsdirektor und stellvertretender Präsident, jetzt Präsident des neuen Landgerichts Groß-Hamburg); Anna von Villiez, Mit aller Kraft verdrängt. Entrechtung und Verfolgung "nicht arischer" Ärzte in Hamburg 1933 bis 1945, München/Hamburg 2009, S. 317/318 (Walter Kaufmann), S. 423/424 (Ernst Wolffson); Hamburger Adressbuch (Wulff/Wolf/W. Kaufmann) 1835, 1837-1839, 1850, 1860, 1863-1877; Hamburger Adressbuch (Dr. med&chir. D. Kaufmann) 1869, 1879; Hamburger Adressbuch (Isidor Kaufmann) 1879; Hamburger Adressbuch(Dr. Ernst Kaufmann), 1906, 1908, 1910, 1912-1914, 1939-1943; HamburgerAdressbuch (Isidor Kaufmann, i.Fa. Süssholz & Kaufmann, Mittelweg 40, Onkel (geb. 1846) von Ernst Kaufmann), 1900; Hamburger Adressbuch (Otto May, Grindelallee 97, in Firma Adler & May) 1885; Hamburger Adressbuch (Adler & May, Bank- u. Commissions-Geschäft, Inhaber Nathan Meyer Adler u. Otto David May, Graskeller 16 I. Stock) 1878; Hamburger Adressbuch (Adler & May, Bank- u. Commissions-Geschäft, Inhaber D.O.May, Graskeller 16) 1885; Hamburger Adressbuch (Hochallee 75, Eigentümer: Dr. E. Kaufmann, Rechtsanwalt), 1914; Hamburger Adressbuch (Dammtorstraße 27), 1913, 1914; Hamburger Telefonbuch (Pension Alsterufer, Inhaber Sophie Gilg, Heilwigstr. 29), 1939; https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/ (Ernst Kaufmann, Käthe Kaufmann, Dora Hansen geb. May); www.holcaust.cz (Todesfallanzeige Käthe Kaufmann); https://www.geni.com/people/Ernst-Kaufmann/ (eingesehen 21.7.2024); www.stolpersteine-hamburg.de (Anna Rosenberg, Fanny Weinreich).

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