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Morris Oscar Bauer * 1879
Burmesterstraße 7 (Hamburg-Nord, Barmbek-Nord)
HIER WOHNTE
MORRIS OSCAR
BAUER
JG. 1879
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET
Morris Oscar Bauer, geb. am 21.5.1879 in Hamburg, deportiert am 5.5.1943 ins Getto Theresienstadt, am 15.5.1944 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet
Burmesterstraße 7 (Barmbek)
Morris Oscar Bauer wurde am 21.5.1879 in Hamburg als viertes Kind des Kaufmanns Otto (1843-1905) und der Hausfrau Rebecca Bauer, geborene Hauer (1848-1935) in einer jüdischen Familie geboren. Diese wohnte bei seiner Geburt am Grindelhof 66. Er hatte zwei Brüder: Ludwig Alfred Bauer (geb. am 21.7.1869) und Alexander Paul Bauer (geb. am 4.6.1870) sowie eine Schwester Else Bauer (geb. am 24.7.1875), alle in Hamburg geboren.
Über die Kindheit, Jugend und Ausbildung von Morris Oscar Bauer ist uns nichts bekannt. Morris Oscar Bauers Beruf wurde in der Heiratsurkunde, in den Hamburger Adressbüchern sowie der Kultussteuerkarte als "Kaufmann" angegeben, teilweise auch als "Bücherrevisor/ Buchhalter".
Morris Oscar Bauer zog am 5. September 1908 von Hamburg nach Frankfurt am Main und heiratete dort am 4. November 1908 die nichtjüdische evangelische Friederike Marie Groth (geb. am 26.9.1868 in Hamburg). Das Ehepaar wohnte zu diesem Zeitpunkt in Frankfurt in der Mainzer Landstraße 94 bzw. 91. Am 2. Juli 1913 zog das Ehepaar zurück nach Hamburg. Die Ehe blieb kinderlos.
Im Ersten Weltkrieg diente Morris Oscar Bauer als Unteroffizier in der Feldintendanz der 187. Infanteriedivision. Am 16. März 1918 erhielt er für seine Verdienste zunächst das Hamburgische Hanseatenkreuz und am 28. Oktober 1918 das Eiserne Kreuz II. Klasse.
Zunächst wohnte das Ehepaar in Hamburg in der Stockhausenstraße 8, ab 1934 in der Burmesterstraße 7 in der III. Etage in Barmbek. In den Jahren 1935 bis 1936 hatte Morris Oscar Bauer als Bücherrevisor zusätzlich ein Büro in der Mönckebergstraße 7 angemietet. Im Mai 1941 zog das Ehepaar Bauer zunächst in die Heimhuder Straße 22. Im Juli 1942 ging ihre Post schon an die Adresse Hansastraße 73.
Nach den nationalsozialistischen Kriterien galt die Ehe der Bauers als "nichtprivilegierte Mischehe", weil Morris Oscar Bauer als "Volljude" eingestuft war und keine nichtjüdisch erzogenen Kinder vorhanden waren. Inzwischen waren "Volljuden", auch die in "nichtprivilegierter Mischehe" verpflichtet, Mitglied in der 1939 geschaffenen Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zu werden, was in Hamburg bedeutete, dass er dem Jüdischen Religionsverband e.V. beitreten musste (so hatte sich die Jüdische Gemeinde umbenennen müssen). Am 5. Dezember 1939 ließ er sich also registrieren und zahlte die geforderten Beiträge bis zu seiner beschönigend als "Abwanderung" bezeichneten Deportation am 5. Mai 1943. Der jüdischen Religion näherte er sich damit aber nicht an, und so trug seine Karteikarte den handschriftlichen Vermerk "Dissident", d.h. er gehörte offensichtlich keiner Religionsgemeinschaft an.
Juden, die in "nichtprivilegierten Mischehen" lebten, mussten den "Judenstern" tragen, konnten zunächst noch in ihren Wohnungen verbleiben, wurden dann aber zunehmend in "Judenhäusern" einquartiert. Von der Deportation blieben sie vorerst zurückgestellt, es sei denn, die Ehe war durch Scheidung oder Tod aufgelöst. So mussten Morris Oscar und Rosette Friederike Marie Bauer in das "Judenhaus" Dillstraße 15 umziehen.
Morris Oscar Bauer konnte aufgrund seiner beruflichen Qualifikation seinen Lebensunterhalt noch verdienen, als andere Juden bereits auf jüdische Wohlfahrtsunterstützung angewiesen waren: Die Kultussteuerkarte weist Ernst Kaufmann als seinen Arbeitgeber aus, einen Rechtsanwalt, der sich ab 1. Januar 1940 "jüdischer Konsulent" nennen musste. Als solche wurden in der Zeit von 1938 bis 1945 im Deutschen Reich jüdische Juristen bezeichnet, denen zwar die generelle Zulassung als Rechtsanwalt entzogen worden war, die aber die Genehmigung erhalten hatten, zumindest in wenigen verbliebenen Angelegenheiten ausschließlich Juden juristisch zu vertreten.
Für Ernst Kaufmann führte Morris Oscar Bauer ab 11. Dezember 1941 die Buchhaltung, vermutlich bis unmittelbar vor seiner Deportation. (An Ernst Kaufmann, der am 9. Juni 1943 nach Theresienstadt und im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde, erinnert ein Stolperstein in der Hochallee 75)
Als Jude in "nichtprivilegierter Mischehe" und mit Kriegsauszeichnung aus dem Ersten Weltkrieg versehen, war Morris Oscar Bauer von der Deportation zunächst noch zurückgestellt. Wie alle Jüdinnen und Juden traf auch ihn das Auswanderungsverbot im Oktober 1941. Seine nichtjüdische Ehefrau hingegen versuchte 1942 noch, Deutschland zu verlassen. Deshalb trat Morris Oscar Bauer ihr Anfang Juli 1942 seine Lebensversicherung bei der Hannoverschen Lebensversicherung in Höhe von 1.608 RM ab, um ihr die Ausreise zu ermöglichen. Die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten Hamburg gestattete die Abtretung, da Morris Oscar Bauer "keinen Verfügungsbeschränkungen bezüglich seiner Vermögenswerte unterliegt". Ob daraufhin von der Hannoverschen Versicherung die Auszahlung an Rosette Bauer erfolgte, ist nicht bekannt.
Zur Auswanderung kam es jedoch nicht mehr, da Rosette Bauer am 5. April 1943 im Alter von 75 Jahren im Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Wandsbek an Darmkrebs starb.
Durch den Tod seiner "arischen" Ehefrau verlor Morris Oscar Bauer den geringen Schutz, den ihm die Mischehe geboten hatte. Bereits einen Monat später erhielt er den Deportationsbefehl für den 5. Mai 1943 in das Getto Theresienstadt. Von dort wurde er am 15. Mai 1944 weiter in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Diese Deportation wurde als "Arbeitseinsatztransport" beschrieben und war der erste von drei gleichlautenden Transporten, durch die zwischen dem 15. und 18. Mai 1944 über 7500 Menschen nach Auschwitz verschleppt wurden. Der Zweck war, die Überfüllung des Gettos Theresienstadt zu reduzieren und es "schöner und wohnlicher" zu gestalten in Erwartung des Besuchs einer internationalen Kommission des Roten Kreuzes am 23. Juni 1944.
Bekannt ist, dass von den Deportierten der drei Transporte 3000 – 3500 Menschen als Zwangsarbeiter auf andere Lager im Deutschen Reich verteilt wurden. Morris Oscar Bauer gehörte nicht dazu, sondern zu den anderen 4000 – 4500 Menschen, die am 11. und 12. Juli 1944 in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet wurden.
Morris Oscar Bauers Bruder Ludwig Alfred, ebenfalls Kaufmann, heiratete am 10. Juli 1912 in Hamburg die nichtjüdische Elsa Johanna Hermine Möller (geb. am 17.4.1881 in Hamburg), die der evangelisch-lutherischen Religion angehörte. Sie bekamen die Tochter Inge (geb. am 22.7.1913) und wohnten im Loogestieg 8. Am 12. Mai 1923 trat Ludwig Alfred Bauer aus der Jüdischen Gemeinde aus. Im selben Jahr zog seine Familie zu seiner verwitweten Mutter in die Sievekingsallee 12. Ludwig Alfred Bauer starb am 13. Februar 1931 im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek, seine Mutter Rebecca Bauer am 30. Dezember 1935. Elsa und Inge Bauer wohnten bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 noch in der Wohnung, Elsa Bauer nachweislich bis 1943. Sie starb 1959 in Hamburg. Inge Bauer lebte nach dem Krieg bis zu ihrem Tod 1999 in Wedel bei Hamburg und arbeitete dort als Zahnärztin.
Morris Oscar Bauers Bruder Alexander Paul, Oberingenieur und Doktor der Philosophie, heiratete am 12. März 1906 in Berlin Helene Blum (geb. am 3.8.1882 in Berlin). Er war zu diesem Zeitpunkt schon zum evangelischen Glauben konvertiert. Sie hatten zwei Kinder: Elisabeth (geb. am 4.1.1907) und Robert Otto (geb. am 3.6.1910). Alexander Paul Bauer starb am 30. April 1934 in Berlin. Robert Otto Bauer emigrierte 1935 nach Argentinien, Helene Bauer 1939 zusammen mit ihrer Tochter Elisabeth Beck, geborene Bauer, nach Großbritannien.
Else Bauer, die Schwester von Morris Oscar Bauer, war bereits im Säuglingsalter am 1. August 1876 verstorben. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ottensen bestattet, der vom Einkaufszentrum Mercado Altona überbaut wurde. Eine Gedenktafel mit den Namen der dort bestatteten Toten erinnert dort an den ehemaligen jüdischen Friedhof.
© Mitglieder der Familie Bauer und Birgit Geyer
Quellen: 1, 3, 4, 5, 7, 8; Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg - Hamburger Adressbücher von 1904 - 1941; StaH Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle: 314-15_R 1942/0074 (Morris Oscar Bauer); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg): Morris Oscar Bauer, Otto Bauer, Rebecca Bauer, Ludwig Alfred Bauer; StaH 741-4_K 2093 (Hanseatenkreuz); StaH 741-4_K 2397; Yad Vashem Datenbank der Namen von Holocaust-Überlebenden und Opfern: Datensatz-Nummer 11469301, 14712768 und 15081976 (Zugriff 9.6.2024); Ancestry (Zugriff 14.8.2023, 31.1.2024 und 25.3.2024): Geburtsurkunde Morris Oscar Bauer, Heiratsurkunde Morris Oscar Bauer, Heiratsurkunde Otto Bauer, Todesurkunde Rebecca Bauer, Todesurkunde Otto Bauer, Todesurkunde Rosette Bauer, Heiratsurkunde Alexander Paul Bauer, Todesurkunde Alexander Paul Bauer, Heiratsurkunde Ludwig Alfred Bauer, Todesurkunde Ludwig Alfred Bauer, Befreiung aus der Internierung in Großbritannien am 23.10.1939 (Helene Bauer), Register für England und Wales/Epsom + Ewell 1939 (Helene Bauer); ITS Arolsen Archives - https://collections.arolsen-archives.org/ Doc ID 5014531 und 1291110717, (Zugriff 9.6.2024); Deportationen aus den Gestapobereichen Hamburg und Bremen, 5.5.1943 Theresienstadt,1.2.1.1/11198435/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives; Transport DZ am 15.5.1944 zum KL Auschwitz,1.1.42.1/4958050/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives; Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich (statistik-des-holocaust.de): Deportationsliste VI/6; https://mappingthelives (Zugriff 10.2.2024); The European Library - http://data.theeuropeanlibrary.org/BibliographicResource/3000094647106 - Generalanzeiger für Hamburg-Altona vom 28.10.1918: Ordensverleihung (Zugriff 2.7.2024); Institut für Stadtgeschichte der Stadt Frankfurt am Main: Antwortschreiben vom 5.12.2024 mit Kopien der Einwohnermeldeunterlagen ISG A.12.03, B6104 + B6105; Heiko Morisse, Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger jüdischen Juristen im Nationalsozialismus, Band 1, Göttingen 2013, Jüdische Konsulenten, S. 65; https://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/deutsch-israelitische-gemeinde-dig (Zugriff 5.12.2024); Alfred Gottwald, Diana Schulle: Die "Judendeportationen" aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005, S. 430-431.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".