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Dr. Ernst Moritz Rappolt * 1868
Rissener Landstraße 24 (Altona, Blankenese)
Freitod am 9.4.1942 Hamburg
Dr. Ernst Moritz Rappolt, geb. 12.5.1868 in Hamburg, Freitod am 9.4.1942
Ernst Moritz Rappolt wurde geboren als der dritte von fünf Söhnen des Kaufmanns Josef Rappolt und Luise Rappolt, geborene Hertz. Seine Familie besaß in zweiter Generation das Textilunternehmen Rappolt & Söhne mit Firmensitz in der Mönckebergstraße 11. Ernst Moritz Rappolt studierte Medizin, erhielt mit 24 Jahren seine Approbation und ließ sich drei Jahre später, 1895, als Allgemeinmediziner nieder. 1908 heiratete er die zwölf Jahre jüngere nichtjüdische Hamburgerin Wilhelmine Marie Fischer. Seit Ende 1918 bewohnte er zusammen mit seinem Bruder, dem unverheirateten Kaufmann Otto Rappolt, ein Haus in der Grottenstraße 25 in Groß Flottbek. Im Jahre 1922 gab Ernst Rappolt aus unbekannten Gründen im Alter von 54 Jahren seine Praxis auf. 1927 starb seine Frau. Drei Jahre später, 1930, zog der Witwer nach Blankenese in die Rissener Landstraße 24.
Jüdische Ärzte wurden im Dritten Reich aus dem Berufsleben gedrängt. Im September 1938 erloschen die Approbationen für jüdische Ärzte, auch dem bereits siebzigjährigen Ernst Rappolt wurde die Bestallung entzogen. Im Dezember 1939 musste Ernst Rappolt wie alle Menschen jüdischer Herkunft, mit Ausnahme derjenigen, die in einer "privilegierten" Mischehe lebten, als "Jude" im Sinne des nationalsozialistischen Staates Mitglied der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland werden.
Im März 1941 erließ die Behörde des Oberfinanzpräsidenten eine Sicherungsanordnung für Ernst Rappolts Konten, das heißt, über sein Vermögen von rund 8500 Reichsmark durfte er ebenso wenig verfügen wie über seine Rente von knapp 500 Reichsmark aus einer Lebensversicherung. Der nationalsozialistische Staat gestand ihm 300 Reichsmark monatlich für seinen Lebensunterhalt zu.
Ab April 1942 wurden alle kennzeichnungspflichtigen Juden in so genannte Judenhäuser umgesiedelt, wo sie unter äußerst beschränkten Verhältnissen leben mussten. Diese Vertreibung und Zwangsgettoisierung wollte Ernst Rappolt offenbar nicht mehr hinnehmen.
Am 8. April 1942 wurde er von Polizeibeamten bewusstlos in seiner Wohnung in der Rissener Landstraße aufgefunden. Er hatte sich Schlafmittel gespritzt. Nachbarn war aufgefallen, dass die Verdunklungsvorhänge auch tagsüber nicht entfernt worden waren. Ernst Rappolt wurde ins Israelitische Krankenhaus transportiert, wo er am folgenden Morgen starb.
Sein Nachbar sagte aus: "Dr. Rappolt war immer stets sehr leicht bedrückt. Mir gegenüber hat er einmal geäußert, dass der Selbstmord das letzte sei, worüber er verfügen könne."
Sein Bruder Franz Rappolt, der in Hamburg lebte, war noch einige Tage zuvor mit ihm zusammengekommen, auch um Einzelheiten des bevorstehenden Umzugs zu besprechen. Gegenüber der Polizei, die den "unnatürlichen Sterbefall" untersuchte, erklärte er den möglichen Grund für den Suizid von Ernst Rappolt: "Wirtschaftliche Not litt er nicht. Er hatte Liegenschaften, die ihm ein sorgenfreies Leben ermöglichten. Er fühlte sich hier in der freien Natur überaus wohl und empfand die Aufforderung, zur Stadt in ein Altersheim zu ziehen, als überaus schmerzlich. Die gleiche Aufforderung habe auch ich von der Staatspolizei erhalten. Uns wurde freigestellt, gemeinsam ein Zimmer in dem Altersheim Hbg. Benekestraße Nr. 6 zu beziehen. Mein Bruder konnte sich, wie schon gesagt, nicht damit abfinden und er hat offenbar in einem Anfall von Schwermut seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht."
Ernst Rappolt wurde im Familiengrab der Rappolts auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.
Sein Nachlass, eigentlich für seinen Bruder Franz bestimmt, wurde nach seinem Tod versteigert. Die Norddeutschen Nachrichten vom 22. April 1942 kündigten eine "freiwillige Nachlassversteigerung in Blankenese, Rissener Landstraße 24" an, zwei Tage später konnte man dort "gebrauchte diverse aus jüdischem Besitz stammende Nachlassgegenstände" sicherlich weit unter ihrem Wert ergattern.
Franz Rappolt wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und kam dort ums Leben.
© Günter und Waltraud Grassau, Birgit Gewehr
Quellen: 1; 4; Auskunft des Staatsarchivs Hamburg aus der Hausmeldekartei; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 1293 (Rappolt, Dr. Ernst Moritz); StaH 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle, 1942/ 552 (Dr. Rappolt, Ernst); Angaben von Björn Eggert und Sabine Boehlich.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".