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Florentine Rothschild (geborene Heller) * 1862

Winckelmannstraße 25 (Altona, Nienstedten)


HIER WOHNTE
FLORENTINE
ROTHSCHILD
GEB. HELLER
JG. 1862
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 8.7.1944

Weitere Stolpersteine in Winckelmannstraße 25:
Maximilian Rothschild, Margot Rothschild, Etelka Weisz (Weiss)

Florentine Rothschild, geb. Heller, geb. am 13.1.1862, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, dort gestorben am 6.7.1944
Margot Rothschild, geb. am 24.6.1883, deportiert nach Riga am 6.12.1941
Maximilian Rothschild, geb. am 13.9.1852, gedemütigt, entrechtet, gestorben am 14.11.1942

Winckelmannstraße 25 (Hindenburgstraße)

Maximilian Rothschild wurde am 13. September 1852 in Düsseldorf geboren; seine Eltern waren E. Rothschild und seine Ehefrau Rosalie, geb. Heller. Von 1914 bis 1942 lebte der wohlhabende Kaufmann Maximilian Rothschild mit seiner zehn Jahre jüngeren Frau Florentine, genannt Flora, und der Tochter Margot, die am 24. Juni 1883 geboren worden war, in einem eigenen, 1910 erbauten Einfamilienhaus in der Hindenburgstraße 25 (heute Winkelmannstraße 25) in Nienstedten, das 1927 nach Altona eingemeindet wurde und durch das Groß-Hamburg-Gesetz seit 1937 zur Hansestadt gehörte. Das Haus stand am Hochkamp, einem großbürgerlichen Villenviertel mit parkähnlichen Grundstücken.

Florentine Rothschild, geb. Heller, war am 13. Januar 1862 in Hamburg geboren als Tochter von Siegmund Heller und der aus Warschau stammenden Malke (später Margarete) Heller, geb. Kaftal, verwitwete Bergson. Florentine hatte drei Schwestern: Luise genannt Lilli, geb. am 9. April 1866, Paula genannt Pauline, geb. am 12. Juli 1864, und Victorine, geb. am 4. Oktober 1870.

Maximilian Rothschild war im Im- und Exportgeschäft für Felle und Tierhäute tätig und betrieb in Hamburg seit etwa 1900 zusammen mit seinem Schwiegervater eine Handelsagentur im Schopenstehl 5, die er 1910 übernahm und ab 1916 mit den Teilhabern Henry Schreiber und Hinrich Kruse weiterführte; seit 1920 befand sich der Firmensitz am Pferdemarkt 45/51.

Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 an die Macht kamen, war Maximilian Rothschild 80, seine Frau Florentine 70 Jahre alt. Die unverheiratet gebliebene Tochter Margot lebte bei ihren Eltern in der Hindenburgstraße 25 und führte den Haushalt.

1938 wurde die Oberfinanzbehörde, die eine Politik der legalen systematischen Ausraubung vermögender Juden und Jüdinnen betrieb, auf die wohlhabende Familie im Elbvorort Nienstedten aufmerksam. Im Dezember ermittelte die Zollfahndungsstelle wegen "Verdacht auf Kapitalflucht" gegen die Eheleute Maximilian und Florentine Rothschild; die Begründung lautete stereotyp: "Der Verdacht gründet sich auf die Tatsache, dass die Rothschilds Juden sind." Die Gestapo, der Steuerfahndungsdienst und die Reichsbankhauptstelle wurden informiert. Verhindert werden sollte, dass "Vermögenswerte der Devisenbewirtschaftung entzogen werden."

Die Behörde stellte fest, dass Rothschilds bedeutendes Kapitalvermögen in Wertpapieren bei der Dresdner und der Deutschen Bank sowie eine Hypothek auf einen Grundbesitz in St. Pauli, Pferdemarkt 45, besaßen. Am 13. Dezember 1938 wurden die Wertpapierdepots und Girokonten mit einer vorläufigen "Sicherungsanordnung" belegt und somit gesperrt. Abgaben und Steuerzahlungen an den Staat durften natürlich abgebucht werden. Zwischen Dezember 1938 und November 1939 musste Maximilian Rothschild die "Judenvermögensabgabe" in Höhe von 20 Prozent seines Vermögens zahlen.

Tatsächlich plante die Tochter Margot Rothschild seit Ende November 1938 ihre Auswanderung. Ihr gehörten das Grundstück und das Einfamilienhaus Hindenburgstraße 25.

Seit 1939 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft als Zwangsmitglied der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland geführt, eine gläubige Jüdin war sie nicht. Auf der neu für sie angelegten Kultussteuerkarte war notiert: "glaubenslos".

Auch ihr Konto wurde nun mit einer vorläufigen "Sicherungsanordnung" belegt; über ihr Grundvermögen durfte sie nur noch mit Genehmigung der Devisenstelle Hamburg verfügen. Diese vermerkte knapp: "Gründe: Fräulein Margot Sara Rothschild ist Jüdin." Auswanderungspläne konnte sie nicht verwirklichen.

Am 14. September 1939 forderte man Maximilian Rothschild auf, die monatlichen Lebenshaltungskosten für den vierköpfigen Haushalt aufzulisten. Mit im Haus wohnte seit diesem Jahr die aus Ungarn stammende jüdische Hausangestellte Etelka Weisz. Maximilian Rothschild gab monatliche Ausgaben in Höhe von 1.145 Reichsmark (RM) an; die Oberfinanzbehörde bewilligte lediglich 700 RM im Monat als Freibetrag auf dem im Übrigen gesperrten Konto.

Margot Rothschild musste im Oktober 1939 für ihr Grundstück ebenfalls die "Judenvermögensabgabe" von 20 Prozent bezahlen. Sie bat darum, ihr weitere Forderungen zu erlassen; sie habe das Geld von ihrem Vater leihen müssen, da sie selber keine Einnahmen habe.

Seit November 1939 bestand der Haushalt der Rothschilds aus fünf Personen. Zugezogen war Pauline Heller, Florentine Rothschilds Schwester, die zuletzt im Bremersweg 4 in Blankenese gewohnt hatte und nahezu erblindet war; sie wurde von ihrem Schwager unterhalten. Dennoch wurde der Freibetrag, über den Maximilian Rothschild monatlich verfügen durfte, auf 500 RM reduziert.

Florentine Rothschilds Schwester Victorine Heller, die von der Familie unterstützt worden war, starb bereits 1937.

Am 6. Dezember 1941 musste das Ehepaar Rothschild die Deportation der 58-jährigen Tochter erleben. Margot Rothschild wurde nach Riga-Jungfernhof abtransportiert, einem Außenlager des Gettos Riga im deutsch besetzten Lettland. Mit demselben Transport "evakuierte" man die Hausangestellte Etelka Weisz.

Das Grundstück Hindenburgstraße 25 wurde zu Gunsten des Deutschen Reiches eingezogen.

Am 14. April 1942 musste das Ehepaar Rothschild in eine Wohnung im "Judenhaus" Sonninstraße 12 umziehen. Die Oberfinanzbehörde beschlagnahmte den Hausrat der Rothschilds und ließ ihn über das Auktionshaus Elsas verschleudern. Silber und Schmuck waren eingezogen worden.

Florentine Rotschilds Schwester Pauline Heller wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Mitte September wurde das Ehepaar Rothschild im "Judenhaus" Benneckestraße 6 einquartiert, wo Maximilian Rothschild zwei Monate später, am 14. November 1942, im Alter von 90 Jahren verstarb. Er wurde auf dem Nienstedtener Friedhof an der Elbchaussee in der Nähe der Nienstedtener Kirche bestattet. Noch kurz vor seinem Tod hatte er fast zwei Drittel seines Vermögens zum Zwecke des Heimeinkaufs in Theresienstadt aufwenden müssen. Viele alte Menschen wurden gezwungen, für die elende Unterkunft im Getto Theresienstadt in der deutsch besetzten Tschechoslowakei sogenannte Heimeinkaufsverträge für einen angeblichen Altersruhesitz abzuschließen.

Die Witwe Florentine Rothschild blieb noch vier Monate in der Beneckestraße 6.

Anlässlich der ihr bevorstehenden Deportation nach Theresienstadt musste sie die Hypothek für das Grundstück in St. Pauli für den bereits abgeschlossenen Heimeinkaufsvertrag abtreten. Sie war gezwungen, ihr gesamtes verbliebenes "bewegliches Vermögen" als Einkaufbetrag für den angeblichen Altersruhesitz im Getto Theresienstadt abzugeben. Am 24. März 1943 gelangte sie nach Theresienstadt. Die meisten älteren Menschen starben schnell an der Kälte, dem Hunger und den Infektionskrankheiten im Getto. Doch die 81-jährige Florentine Rothschild überlebte noch fast 16 Monate.

Sieben Monate nach ihrer Ankunft im Getto, am 14. November 1943, schrieb sie eine Postkarte an Max Plaut, den Leiter des Jüdischen Religionsverbandes, und bat ihn offenbar, verschlüsselt für die Zensur, um die Sendung eines Lebensmittelpaketes; Pakete durften ins Getto geschickt werden und waren von Bedeutung für das Überleben:
"Sehr geehrter Herr Dr. Plaut, Ihre Adresse habe ich kürzlich erfahren und würde sehr gern etwas über Ihr und Ihrer Frau Mutter Ergehen hören. Ich bin gesund und gut aufgehoben in einem Krankenheim hier. Eine recht baldige Nachricht wäre sehr erwünscht und wäre ich sehr dankbar dafür. Ich hoffe es geht Ihnen Beiden nach Wunsch, besonders Ihrer lieben Mutter und begrüsse Sie bestens. Florentine Rothschild."

Julie Sostheim, die aus Theresienstadt gerettet worden war, schrieb aus einem Flüchtlingslager in der Schweiz am 4. Mai 1945 an Margarethe Katzenstein, die Tochter von Florentines Schwester Lilli: "Ich war zweimal mit deiner Tante Flora zusammen, die ich besuchte – sie war rührend beherzt – Mann tot – Margot von Hamburg längst nach Polen geschickt – sie überwand das schreckliche Theresienstadt, aber ihre Schwester Lilli nicht."

Nach dieser Mitteilung vermutete die Familie zunächst, Florentine Rothschild könnte überlebt haben, doch Julie Sostheim hatte offenbar von ihrer seelischen Kraft gesprochen, sich innerlich über das Elend im Getto zu erheben. Florentine Rothschild kam – wie auf der Theresienstädter Ankunftsliste bei ihrem Namen vermerkt wurde – am 6. Juli 1944 im Alter von 82 Jahren im Getto ums Leben.

Luise (Lilli) Rothschild, geborene Heller, Florentine Rothschilds Schwester und Ehefrau von Maximilian Rothschilds Bruder Arthur – die Brüder Rothschild hatten die Schwestern Heller geheiratet – war am 21. Juli 1942 aus Düsseldorf nach Theresienstadt deportiert worden und starb dort zwei Monate später am 10. September.

Für Pauline Heller, die am 4. August 1942 in Theresienstadt ums Leben kam, liegt ein Stolperstein am Bremersweg 4/Strandtreppe 3 in Blankenese.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 2 (R 1938/ 3525 Maximilian Rothschild, Florentine Rothschild, geb Heller, Margot Rothschild) 3; 4; 5; 6; 8; AB Altona; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2 Band 3 (Deportationsliste Riga 4.12.1941); StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 602 (Rothschild, Maximilian); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 m 1 Band 3 (Ankunftslisten der von Hamburg in das KZ Theresienstadt deportierten Juden, Ankunft 26.3.1943); StaH 622-1/173 Familienarchiv Plaut, D 38 (Dr. Max Plaut, Dienstliche Korrespondenz und privater Schriftwechsel); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 1027 (Heimeinkauf Vermögenserklärung Rothschild, Florentine, geb. Heller); StaH 332-3 Zivilstandsaufsicht, A 97 (Eintrag Nr. 6199, Geburt Victorine Heller); Nagel, Gegen das Vergessen.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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