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Wilhelm Adler * 1881

Billhorner Mühlenweg Ecke Billhorner Kanalstraße (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


HIER WOHNTE
WILHELM ADLER
JG. 1881
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 6.12.1942

Weitere Stolpersteine in Billhorner Mühlenweg Ecke Billhorner Kanalstraße:
Otto Mende, Louis Wartelski, Bertha Wartelski, Robert Wedeking

Wilhelm Adler, geb. 18.5.1881 in Himmelstadt, deportiert am 3.6.1942 von München nach Theresienstadt, dort am 6.12.1942 gestorben
Bertha Wartelski, geb. Zimak, geb. 27.8.1882 in Gilgenburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, erschossen 26.3.1942
Louis Wartelski, geb. 17.5.1879 in Königsberg, Flucht in den Tod am 28.9.1938 in Flensburg

Billhorner Kanalstraße/Ecke Billhorner Mühlenweg (Billhorner Canalstraße 33)

"Es hieß, die Leute, es waren ungefähr 2000, kommen nach Dünamünde in Konservenfabriken, und in drei Wochen kommt ihr nach. Also habe ich mich von Else, dem Kinde und Tante Betti, die sich übrigens sehr gut gehalten hatte, verabschiedet, ohne zu denken, dass es für immer sein sollte. 2 Stunden später hat man uns aber schon gesagt, dass wir unsere Lieben nicht mehr wiedersehen werden. Wenn ich heute an alles zurückdenke, Tauschhandel, Eltern verstecken u.s.w. läuft es mir jetzt noch kalt übern Rücken. Dass ich noch normal bin, ist wirklich ein Wunder." Leonhard Zimak, ein Neffe von Bertha Wartelski, der sie "Tante Betti" nannte, hatte die Deportation nach Riga überlebt. Im Mai 1946 erfuhr er, dass auch seine Schwester Frieda Richert, geb. Zimak, zurückgekehrt war und in Hamburg lebte. Dem Briefwechsel der beiden verdanken wir die Klärung etlicher verwirrender Fakten und Zusammenhänge, die sich aus den Dokumenten ergaben.

Mehrere Spuren führten zu Bertha Wartelski, geb. Zimak, doch die richtigen zu finden, erwies sich aufgrund der vielen Namens- und Schreibvarianten als schwierig. Die obigen Angaben stimmen mit denen des Hamburger Gedenkbuchs für die jüdischen Opfer der NS-Verfolgung überein. Im Gedenkbuch des Bundesarchivs wird Berthas Nachname Wartelsky buchstabiert, der ihres Mannes Wartelski. Ihre Verwandten werden auch mit den Namen Zimack, Zimmack und Zimak geführt, so im Hamburger Gedenkbuch ihre angeheiratete Nichte Else und deren Sohn Denny. Außer dem Vornamen Bertha findet sich der Name Betty bzw. Betti.

Unterschiedliche Schreibweisen für die gleiche Person kommen in der folgenden "Familiensaga" vor. Zur Verwirrung trug bei, dass Wolf Zimak auch den Alias-Namen Simon Freybuschewitz oder die Kurzform Wolf Simon benutzte. Und nicht zuletzt handelt es sich um eine Großfamilie.

Bertha und ihre fünf Geschwister Therese, Helene, Otto, Leo­pold und Benjamin kamen zwischen 1876 und 1884 im ostpreußischen Gilgenburg zur Welt. Als Erwachsene ließen sich alle in Hamburg nieder, als letzter Otto Zimak im Jahr 1937. Ihr Vater, der Händler Wolf Zimak, war in Gilgenburg verstorben, die Mutter Julie, geb. Simson (Jg. 1846), Therese und Bertha zogen zunächst nach Dombrowken.

1906 kam Bertha nach Hamburg. Die Mutter Julie Zimak, Therese, wie Bertha Verkäuferin, Helene sowie der Bruder Leopold, von Beruf Säckemakler, folgten bald darauf. Sie wohnten zusammen bzw. nahe beieinander in der Neustadt.

In Dombrowken hatte Bertha ihren späteren Ehemann Wilhelm Adler kennen gelernt, der aus Bayern stammte. Dort war er am 18. Mai 1881 als unehelicher Sohn von Helene Adler, später verheiratete Oppenheimer, in Himmelstadt geboren worden.

Er arbeitete als Metzger bzw. Schächter und Händler in Dombrowken, bevor er sich am 26. Februar 1906 als Untermieter in der Hamburger Peterstraße 71/73 anmeldete. Am 9. August 1906 heirateten Bertha Zimak und Wilhelm Adler, vermutlich in Würzburg. Wieder in Hamburg, lebten sie an verschiedenen Adressen in der Neustadt, wo auch Tochter Hannchen (geb. 17. Dezember 1906) und Sohn Siegfried (geb. 4. Januar 1908) zur Welt kamen. Bei der Geburt von Sohn Arthur (geb. 2. Oktober 1910) lebten sie in der Vereinsstraße in Eimsbüttel. 1911 verließ Wilhelm Adler Hamburg, um auf Reisen zu gehen, hielt sich 1912 einige Zeit in Frankfurt auf und trennte sich von seiner Frau.

Die Ehe wurde im selben Jahr geschieden. Nach der Scheidung sorgte Bertha Adler, unterstützt von ihrem Bruder Leopold, für ihre drei Kinder, von denen noch keines schulpflichtig war. Bertha wie auch ihre Schwester Therese heirateten während des Ersten Weltkrieges in Hamburg: Therese 1915 den Schlachter Jakob Ries (sie starb 1927), Bertha am 7. März 1917 den Goldschmied Louis Wartelski. Er stammte aus Königsberg, wo er am 17. Mai 1879 als Sohn von Daniel Wartelski und Pauline, geb. Spicker, geboren worden war.

Louis und Bertha Wartelski traten mit den Kindern der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg bei und lebten in Eimsbüttel. In der Fruchtallee 53 betrieb Louis Wartelski sein Goldschmiedegeschäft, die Familie lebte in der Nr. 117. (Stief)Sohn Arthur Adler wurde in die Talmud Tora Schule eingeschult. Über den Schulbesuch von Hannchen und Siegfried Adler ist nichts bekannt. 1921 starb letzterer mit dreizehn Jahren an einem schweren epileptischen Anfall unmittelbar vor seiner Bar Mitzva (der Aufnahme in die Jüdische Gemeinde als religiös vollberechtigtes Mitglied). Arthur schilderte seinen Stiefvater als einen sehr netten Mann, groß und dick und freundlich zu den Kindern, während seine Mutter strenge Auffassungen vertreten habe, was aus seiner Sicht ein Grund dafür gewesen sein mag, dass auch die zweite Ehe nicht hielt. Bertha und Louis Wartelski trennten sich 1927 und ließen sich später scheiden. Louis zog nach Flensburg, betrieb dort eine Goldschmiedewerkstatt in der Norderstraße 43, lebte mit der evangelischen Christin Frieda Hansen aus Flensburg zusammen und konvertierte zum Protestantismus.

Bertha Wartelski zog nach Rothenburgsort in die Billhorner Canalstraße 33 in die Nähe ihrer Kinder, arbeitete als Angestellte und, nachdem sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entlassen worden war und keine entsprechende Tätigkeit mehr aufnehmen konnte, als Packerin und Haushilfe. Für Auswanderungspläne Bertha Wartelskis ließen sich keine Hinweise finden. Sie blieb in ihrer Wohnung und ging ihrer Arbeit nach. Am 13. Juni 1941 wurde ihr Großneffe Denny, Sohn von Leonhard und Else Zimak, geboren.

Auch Wilhelm Adler heiratete ein zweites Mal: Am 24. Dezember 1912 wurde er mit Rosa Landau aus Frankfurt am Main getraut. Aus dieser Ehe gingen zwischen 1913 und 1923 die vier Kinder Alma, Rolf, Sophie und Leopoldine hervor. Wilhelm Adler nahm als Infanterist am Ersten Weltkrieg von Mai bis November 1918 teil und wurde mit einem Ehrenkreuz dekoriert. Später ließ er sich mit seiner Familie in München nieder und betrieb dort ab September 1928 einen Großhandel für Papier- und Schreibwaren, den er nach dem Novemberpogrom verlor. Von den Kindern aus seiner zweiten Ehe emigrierten die Töchter Alma und Sophie Hanna, die 1939 nach Palästina auswanderte, wo sie 2009 noch lebte.

Rolf und Leopoldine, wie auch ihre Eltern, kamen in der Shoah um. Leopoldine, von Beruf Schneiderin, wurde als 20-Jährige aus politischen Gründen verhaftet, am 7. März 1942 in das KZ Ravensbrück eingewiesen und nach Auschwitz weitertransportiert, wo sie am 5. November 1942 unter der Nummer 38970 im Sterbebuch eingetragen wurde. Die Eltern Wilhelm und Rosa Adler wurden am 3. Juni 1942 von München nach Theresienstadt deportiert, wo Wilhelm Adler am 6. Dezember 1942 im Alter von 61 Jahren starb. Rosa Adler wurde am 12. Oktober 1944 mit einem Transport nach Auschwitz geschickt, wo sich ihre Lebensspur verliert.

Leopold Zimak heiratete Flora Bähr (geb. 17. November 1888 in Dransfeld bei Göttingen). Im 1914 wurde ihre Tochter Ilse geboren, 1919 die Tochter Ursula. Im Ersten Weltkrieg diente Leopold als Wehrmann im Landwehr-Infanterie Regiment Nr. 99 und erhielt für seine Verdienste von der Freien und Hansestadt Hamburg das Hamburgische Hanseatenkreuz. Die Brüder Otto und Benjamin Zimak, zur Zeit des Ersten Weltkriegs noch nicht in Hamburg wohnhaft, nahmen ebenfalls am Krieg teil.

1923 traten Leopold Zimak und seine Familie der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg bei. Nach dem Novemberpogrom 1938 und der Auswanderung Arthur Adlers emigrierten auch Leopold Zimak und seine Frau Flora mit ihrer Tochter Ilse und deren Ehemann Martin Fleischer nach Schanghai, ihre Tochter Ursula nach Holland, wo sie im Versteck überlebte. Sie verließen Hamburg im Februar, nachdem Helene Zimak, Leopolds und Berthas Schwester, im Alter von 61 Jahren verstorben war.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte sich auch Berthas jüngster Bruder Benjamin in Hamburg niedergelassen. Er heiratete die Nichtjüdin Auguste, geb. Geist (am 30. Januar 1891 in Lübeck) und übte verschiedene Tätigkeiten aus, bis er sich mit zwei modernen Geschäften für Herrenmode und Wäsche etablierte. 1921 trat er in die Deutsch-Israelitische Gemeinde ein, und seine Frau Auguste konvertierte zum Judentum. Sie brachte zwei Söhne zur Welt, 1921 Egon, drei Jahre später Arno. Benjamin Zimak unterhielt seine Mutter Julie, die bei ihm wohnte. Zur Hausgemeinschaft gehörte auch Helene, die mit ihrem Angestelltengehalt ein bescheidenes Leben führte und die familiäre Nähe brauchte, um ihr Heimweh nach Dombrowken zu ertragen. Sie pflegte ihre Mutter nach einem Schlaganfall bis zu deren Tod mit 77 Jahren am 2. Juli 1923. Julie Zimaks Bild blieb nur in der Erinnerung ihrer Verwandten bewahrt. Sie ließ sich nicht fotografieren und begründete dies damit, dass alle Menschen ein Abbild Gottes seien, und Gott dürfe man nicht abbilden.

Egon und Arno Zimak, die Söhne von Benjamin und Auguste, betrieben ihre Auswanderung nach Palästina, Egon als Landwirt, Arno noch als Schüler. Auguste Zimak trat am 28. August 1940 wieder aus der jüdischen Gemeinde aus. Sie konnte damit in ihren Stand als "Arierin" zurückkehren, ihre Söhne jedoch blieben "Halbjuden", die wegen ihrer beiden jüdischen Elternteile (Vater per Geburt, Mutter konvertiert) als "Geltungsjuden" eingestuft und wie Juden behandelt wurden. Ob die Emigration scheiterte oder sie aus Palästina zurück kehrten, ließ sich nicht klären, jedenfalls befanden sie sich 1943 in Hamburg. Am 20. Juli 1943 lag Arno im Jüdischen Krankenhaus, wo seine Tante Frieda Richert arbeitete, sich zu dem Zeit­punkt aber selbst einer Operation unterzog. Ihr nichtjüdischer Mann Wendelin diente bei der Wehrmacht.

Bertha Wartelskis Tochter Hannchen heiratete am 1. September 1927 den zehn Jahre älteren nichtjüdischen Schlosser und Maschinenbauer Max Hellerbrand, geboren am 8. April 1895 in Gotha. Am 18. Januar 1929 wurde ihr Sohn Siegfried, am 17. Mai 1933 ihre Tochter Eva geboren. Die Familie gehörte der evangelischen Kirche an und wohnte am Heidenkampsweg in Hammerbrook.

Berthas Sohn Arthur Adler absolvierte mit gutem Erfolg eine Lehre als Verkäufer und Dekorateur und arbeitete bei der Rudolf Karstadt AG am Billhorner Röhrendamm in Rothenburgsort. Nach seiner Entlassung dort 1933 fand er eine Anstellung als Geschäftsführer bei der jüdischen Firma Semmler in der Wandsbeker Chaussee, die allerdings am 3. November 1935 endete, als er verhaftet wurde. Das Hamburger Sondergericht verurteilte ihn am 3. April 1936 wegen "Rassenschande" zu einer sechsmonatigen Gefängnishaft, die mit seiner Untersuchungshaft bis auf einen Monat Strafhaft abgegolten war. Er hatte ein Verhältnis mit einer Nichtjüdin gehabt und wurde von einem Nebenbuhler denunziert. Nach seiner Entlassung nahm Arthur Adler eine Tätigkeit als Geschäftsführer bei dem Berufsbekleidungsgeschäft Rösner in der Kaiser-Wilhelm-Straße an.

Am 12. August 1937 heiratete Arthur Erna Auerbach, geboren am 19. Oktober 1910 in Hamburg, im November wurde ihr Sohn Gert geboren. Arthur Adler trug sich mit Auswanderungsabsichten und betrieb ab 1938 intensiv seine Emigration in die USA. Im Zuge der sog. Juni-Aktion 1938 wurde er für drei Monate im KZ Sachsenhausen inhaftiert, nachdem Heinrich Himmler die Anweisung erteilt hatte, jüdische Bagatell-Straftäter in die Verhaftungswelle sog. "Arbeitssaboteure" und "Asozialer" einzubeziehen. Nach seiner Entlassung am 16. September 1938 konnte Arthur Adler nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.

Inzwischen wohnte seine Familie bei seiner Mutter in Barmbek in der Weidestraße 9. Dort brachte Erna Adler am 27. Oktober 1938 auch ihre Tochter Judis zur Welt. Arthur floh mit seiner Frau, dem einjährigen Gert und dem Säugling Judis unmittelbar nach dem Novemberpogrom in die Niederlande und konnte von dort am 13. Dezember 1938 die geplante Überfahrt nach New York antreten.

Im KZ Sachsenhausen hatte er vermutlich auch seinen Stiefvater Louis Wartelski getroffen, der am 23. Juni 1938 dort eingewiesen und am 7. September 1938 entlassen worden war, vermutlich weil er – so nehmen jedenfalls Verwandte an – zuvor ebenfalls wegen sog. Rassenschande angeklagt worden war. Louis Wartelski schwieg über seine Erfahrungen im KZ Sachsenhausen mit der Begründung, sie seien zu schrecklich gewesen, und fügte hinzu, bevor er ein zweites Mal inhaftiert würde, würde er sich umbringen. Als er drei Wochen später, am 28. September 1938, zur Polizeidirektion vorgeladen wurde, vergiftete er sich dort mit Zyan­kali, das er aus seiner Werkstatt mitgebracht hatte.

1937 war auch Berthas ältester Bruder Otto Zimak (geb. 26. Mai 1879), nach Hamburg übergesiedelt. Bis dahin hatte er mit seiner Ehefrau Helene, geb. Rosenberg (geb. 1. Februar 1874) in deren Heimatstadt Pestlin bei Danzig gelebt. Dort wurden die Kinder Frieda (geb. 8. Februar 1906) und Leonhard (geb. 18. November 1907) geboren, und dort besaßen Otto und Helene Zimak bis 1937 ein Lebensmittelgeschäft, von dem Otto Zimak zu sagen pflegte: "Zu Zimaks kann man hungrig und nackt kommen, aber satt und angekleidet rausgehen." Er war armen Leuten gegenüber generös. In der NS-Zeit musste er seinen Betrieb aufgeben und unter Wert verkaufen. In Hamburg fanden die Eheleute zunächst Unterkunft bei ihrer Tochter Frieda in der Heinrich-Barth-Straße 17, Otto Zimak erhielt eine Anstellung im Altersheim der jüdischen Gemeinde. Frieda hatte 1930 den nichtjüdischen Bäcker Wendelin Richert geheiratet. Die Bäckerei in Marienburg hatten sie aufgeben müssen, der Neuanfang in Hamburg 1935 erwies sich als sehr schwierig.

Mit Otto und Helene kam deren Sohn (und Berthas Neffe) Leonhard, von dem das Eingangszitat stammt, nach Hamburg. Er fand eine Anstellung als Schlosser und heiratete am 29. Dezember 1938 die am 14. April 1914 in Oldenburg geborene Else Herbst.

Bertha Wartelski erhielt im Spätherbst 1941 den Aufruf zum Transport am 6. Dezember 1941 nach Riga. Im Alter von 59 Jahren wurde sie zusammen mit ihrem Bruder Otto Zimak, ihrer Schwägerin Helene, ihrem Neffen Leonhard Zimak und dessen Frau Else sowie deren Sohn Denny deportiert. Da es im Getto von Riga keinen Platz für die Neuankömmlinge aus dem Deutschen Reich gab, wurden sie auf den Jungfernhof, ein heruntergekommenes Gut außerhalb Rigas, getrieben, wo es an allem mangelte.

Leonhard Zimak gehörte zu den 30 Männern, die den Zug entluden und anschließend die Küche mit aufbauten. Er lagerte sich mit seinen Verwandten in der Nähe des Kochplatzes, was ihnen einen gewissen Schutz vor Schnee und Kälte bot. Ihr Gepäck erhielten sie nie zurück. Soweit die Deportierten arbeitsfähig waren, wurden sie dazu eingesetzt, den Jungfernhof bewohnbar zu machen, aber auch, um das Lager Salaspils aufzubauen. Leonhard Zimak blieb auf dem Jungfernhof und schützte seine Eltern Otto und Helene, so weit das möglich war. Seine Mutter wurde am 10. Februar 1942 abgeführt und kehrte nicht zurück; mit ihr verschwanden 600 alte Leute.

Otto Zimak starb am 22. Februar 1942 an Schwäche "friedvoll" in den Armen seines Sohnes kurz vor seinem 63. Geburtstag. Else Zimak, selbst krank und mit ihrem kranken Sohn Denny beschäftigt, sammelte im Jungfernhof die Hamburger Kinder, ungefähr 18 an der Zahl, und versorgte sie, oft allein, so gut es ging. Unter Lebensgefahr schlichen Leonhard Zimak und andere nachts aus dem Lager, um in der Umgebung bei der Bevölkerung Kleidung und andere Gegenstände gegen Nahrungsmittel einzutauschen.

Bertha Wartelski, Else und Denny Zimak wie auch der Hamburger Oberrabbiner Josef Carlebach mit seiner Frau und den Töchtern wurden getäuscht, als sie in den Tod geführt wurden. Ihnen wurde gesagt, sie würden bei einer weniger schweren Arbeit in der Fischkonservenfabrik in Dünamünde eingesetzt. Tatsächlich wurden sie am 26. März 1942 im Bickernicker Hochwald bei Riga erschossen. "Ich habe mich von ihnen verabschiedet, ohne zu denken, dass es für immer sein sollte", schrieb Leonhard Zimak 1946 seiner Schwester.

Er selbst war ein Jahr nach der Dünamündeaktion für sechs Wochen in das Getto von Riga gekommen, danach leistete er Zwangsarbeit in den Autowerkstätten des Heeres-Kraftfahrparks. Das war eine so genannte Kasernierung, die erst später vom KZ Kaiserwald verwaltet wurde.

Über seinen Einsatz schrieb er 1946: "Ich war von dort oft mit einer fahrbaren Werkstatt zum Fronteinsatz. Lieber Wendelin (sein Schwager), du wirst jetzt vielleicht sagen, warum ich nicht zu den Russen übergelaufen bin. Ja, lieber Junge, wir waren mit Fußfesseln angeschlossen und konnten nur ganz kurze Schritte machen. Einen Vorteil hatte diese Arbeit, ich habe mich gut in Autoelektrik ausgebildet. Wir, das heißt die SS, saß hier wie in einer Mausefalle. Sie übergab uns der Wehrmacht und schiffte sich selbst Richtung Deutschland ein. Am 19.2.45 wurden wir eingeschifft, auch Richtung Deutschland, und so landete ich am 25.2.1945 in Hamburg im ,Fuhlsbütteler Gefängnis‘".

Als Elektriker wurde er in der Stadt eingesetzt, wobei er die Gelegenheit nutzte, um – erfolglos – nach seinen Verwandten zu forschen. Im Zuge der Auflösung des KZ Fuhlsbüttel Mitte März 1945 setzte die Gestapo Häftlinge in das "Arbeitserziehungslager" Hassee bei Kiel in Marsch. Nach schweren Miss­handlungen erlebte Leonhard Zimak Anfang Mai 1945 die Befreiung des Lagers durch die britische Armee und seine eigene, als das Schwedische Rote Kreuz ihn nach Schweden brachte.

Bertha Wartelskis Tochter Hannchen, in "privilegierter Mischehe" mit Max Hellerbrand und ihren Kindern lebend, und ihr Bruder Benjamin Zimak, seine Frau Auguste und ihre Kinder Egon und Arno kamen im "Feuersturm" in der Nacht zum 28. Juli 1943 am Heidenkampsweg ums Leben. Der Verbleib von Eva Hellerbrand ist ungeklärt.

Frieda Richert, noch nicht vollkommen genesen nach ihrer Operation, wurde mit ihrem aus der Wehrmacht entlassenen Mann nach Kalmsee/Westfalen evakuiert. Dort wurde sie als Jüdin denunziert und kam am 17. April 1944 in das KZ Stutthof bei Danzig. Bei der Evakuierung des Konzentrationslagers im März 1945 wurde sie auf dem "Todesmarsch" durch die Rote Armee befreit. Sie gelangte unter vielfältigen Schwierigkeiten nach Hamburg, wo sie ihren Mann Wendelin wieder fand. Nach einem Jahr der Suche erhielten sie Nachricht von ihrem Bruder und Schwager Leonhard Zimak in Schweden. Dieser ging nach dem Krieg eine zweite Ehe ein, aus der Fred Zimmak hervorging.

© Hildegard Thevs mit Fred Zimmak

Quellen: 1; 4; 5; 6; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 021010; 332-8 Meldewesen K 5768; 332-5 Standesämter, 1213+2731-2733/1944; AB 1931, 1935 und 1938; Flensburger Straßenkartei; Schiller-Brief an Pust; Erinnerungen der Katz-Töchter; Schreiben der IHK; Philipsen: "Jüdische Opfer in Flensburg"; Stan­desamt Flensburg, Standesamtliche Liste (Sterbefälle 1936-40; St. Marien u. St. Petri); Gedenkbuch der Münchner Juden; Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Schreiben vom 23.2.2010; Meyer, Beate, "Schicksalsjahr 1938"; Weinmann, 2001; Enzyklopädie des Holocaust; Schreiben Leonhard Zimaks, 1946; persönliche Mitteilungen von Fred Zimmak, Dezember 2009; Goldberg, Juden, S. 75, 93.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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