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Rosalie Adler * 1869

Heider Straße 21 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)


HIER WOHNTE
ROSALIE ADLER
JG. 1869
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 21.9.1942
TREBLINKA

further stumbling stones in Heider Straße 21:
Johanna Adler

Johanna Adler, geboren am 20.12.1866, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiterdeportiert nach Treblinka und ermordet
Rosalie Adler, geboren am 22.5.1869, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiterdeportiert nach Treblinka und ermordet

Heider Straße 21, Hoheluft-Ost

Elkan Adler, am 16. August 1836 in Hamburg geboren, und seine Frau Emma Adler, geb. Danziger, am 24. April 1834 in Hamburg geboren, bekamen vier Töchter: Jenny, geboren am 20. November 1863, Jitta Ida, geboren im Januar 1865, Johanna, geboren am 20. Dezember 1866 und Rosalie Adler, geboren am 22. Mai 1869. Jitta Ida Adler verstarb am 17. Februar 1866 und wurde auf dem Grindelfriedhof beigesetzt.

Elkan Adler arbeitete als Kaufmann. Er erwarb am 4. November 1879 den Hamburger Bürgerbrief. Die Familie lebte wohlsituiert am Alten Steinweg 1. Wir können über die Kindheit von Jenny Adler, Johanna Adler und Rosalie Adler nichts berichten.

Als junge Erwachsene arbeitete Johanna Adler als Kontoristin, Rosalie, die sich "Rosa" nannte, verdiente als Verkäuferin ihren Lebensunterhalt.

Jenny Adler ließ sich am Hamburger Konservatorium zur Pianistin ausbilden und studierte weiter von 1880 bis 1885 am Leipziger Konservatorium. Nach den Beurteilungen ihrer Lehrer war sie sehr begabt und trat gelegentlich während der Ausbildung, nicht aber danach auf. Sie heiratete am 15. Februar 1891 in Hamburg den Fabrikantensohn Georges Julien Bédu, der am 22. Juni 1865 in Paris geboren worden war. Seine Eltern waren Achille Bédu und Anna Bédu, geborene Lamaire. Georges und Jenny Bédu zoge nach der Heirat nach Paris. Sie lebten dort in der Rue Bausset 10.

Aus den erhaltenen Akten zu der Familie Adler ist ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl erkennbar, das vermutlich auch bestehen blieb, als Jenny Bédu mit ihrem Mann nach Paris verzogen war.

Johanna und Rosalie Adler und ihre Eltern blieben in Hamburg: Sie wohnten 1892 in der Straße Holstenplatz 9 in Altona-Altstadt, 1893 in der Rutschbahn 5 und 1894 in der Grindelallee 36, dann 38 und danach 39 im Stadtteil Rotherbaum. Elkan Adler starb am 6. April 1905 in der Wohnung in der Rutschbahn 39. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.

Von dem Erbe ihres Mannes kaufte Emma Adler für sich und ihre Töchter 1907 ein Haus in Eimsbüttel in der Wiesenstraße 46-48 an der Ecke zur Eichenstraße. Mit den Mieteinnahmen für die 19 Wohnungen verfügten Emma Adler und ihre Töchter über ein zusätzliches Einkommen.

Etwa um 1910 zog die Familie Adler in die Rutschbahn 15 in den ersten Stock in eine Vier-Zimmer-Wohnung. Johanna und Rosalie Adler pflegten ihre Mutter bis zu ihrem Tod am 5. Mai 1926, so, wie sie zuvor auch schon ihren Vater gepflegt hatten. Emma Adler wurde neben ihrem Mann auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 veränderten auch die Lebensbedingungen der Schwestern Adler grundlegend. 1934 verkleinerten sie ihren Hausstand und bezogen eine 3-Zimmer- Wohnung in der Heider Straße 21 in Hoheluft-Ost.

Sukzessive wurden nun Jüdinnen und Juden aus nichtjüdischen Vereinen, Stiftungen und vielen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen. Die Jüdische Gemeinde gewann als gesellschaftlicher Mittelpunkt zunehmend an Bedeutung. Sie bot unter anderem Versorgungseinrichtungen an, die die Not mildern sollten. Dazu zählte bis Ende November 1941 die Essensausgabe an bedürftige Gemeindemitglieder im Heim Innocentiastraße 37 und ab 1941 in der Volksküche in der Schäferkampsallee 27. Der "Jüdische Kulturbund" bot im Gemeinschaftshaus in der Hartungstraße Vorträge und Unterhaltungsmöglichkeiten für die jüdischen Menschen an, die inzwischen von allen anderen kulturellen Veranstaltungen ausgeschlossen waren. Wir wissen nicht, ob Johanna und Rosalie Adler diese Möglichkeiten nutzten.

1935 legte die Oberfinanzdirektion für die Häuser in der Wiesenstraße 46-48 einen Einheitswert von 56.800 RM fest. Nach diesem Einheitswert berechnete der Staat die künftige Besteuerung, die die drei Adler-Schwestern nun entrichten mussten. Für die Jahre 1936 und 1937 beantragte Johanna Adler beim Finanzamt, dass sie die fällige Vermögenssteuer von 60 RM für ihre Schwester Jenny Bédu entrichten dürfe. Dazu musste Jenny Bédu eine schriftliche Verzichtserklärung auf die Mieteinnahmen unterschreiben, die Johanna Adler der Oberfinanzdirektion vorlegte. Die Oberfinanzdirektion forderte zudem, Johanna Adler solle für Jenny Bédu rückwirkend die Steuer in Höhe von 98 RM für die Jahre 1937 und 1938 entrichten.

Verfügen durften die Schwestern über ihr Eigentum jedoch nicht mehr: Am 2. August 1938 übertrug die Oberfinanzdirektion dem Hausmakler Ludwig Schrabisch die Verwaltung des Grundstücks. Im August 1939 forderte die Oberfinanzdirektion Johanna und Rosalie Adler auf, die Häuser zu verkaufen. Der Verwalter, selbst Hausmakler, erhielt den Auftrag, den Verkauf abzuwickeln.

Die Häuser wurden an einen Johannes Jacobs, der in der Reventlowstraße 54 wohnte, verkauft. Der Erlös lag noch unter dem Einheitswert, der in der Regel wiederum weit unter dem Verkehrswert lag. Die Schwestern erhielten je 12.000 RM, die auf ein Sperrkonto eingezahlt werden mussten, über das Johanna und Rosalie Adler nur mit Genehmigung der Devisenstelle verfügen durften. Auch die 12.000 RM für Jenny Bédu wurden auf ein Sperrkonto überwiesen. Rosalie Adler besaß außer dem Erlös aus dem Häuserverkauf noch ein Sparkassenbuch mit 270 RM.
Die Schwestern mussten wie alle "Volljuden" Mitglied der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland werden und damit der früheren Jüdischen Gemeinde Hamburgs, die sich seit 1939 Jüdischer Religionsverband e.V. nennen musste und Teil dieser Reichsvereinigung geworden war. Die Reichsvereinigung erhob für ihre Mitglieder ordentliche und manchmal außerordentliche Beiträge, die nach dem Einkommen und dem Vermögen der Betroffenen errechnet wurden.

Johanna und Rosalie Adler besaßen den erwähnten Erlös aus dem Hausverkauf und sie bezogen zudem jede eine Rente, für die sie etliche Jahre an die Reichsversicherung eingezahlt hatten. Johanna Adler hatte 1934, mittlerweile 67 Jahre alt, ihren Rentenantrag gestellt, der 1936 genehmigt worden war. Sie erhielt 52 RM monatlich. Rosalie Adler hatte 1933 einen Rentenantrag eingereicht, der 1935 genehmigt worden war. Die nun 65jährige Rosalie Adler erhielt eine Rente von 36,80 RM.

Im Oktober 1939 forderte die Oberfinanzdirektion beide Schwestern auf, ihre Einkommensverhältnisse anzumelden. Per Postzustellungsurkunde wurde ihnen anschließend der Bescheid zugestellt, dass jede von ihnen aus dem eigenen Vermögen nur noch über 171,50 RM für den Lebensunterhalt verfügen dürfe.

Beide Frauen legten Widerspruch ein, der bewirkte, dass der Betrag auf 200 RM monatlich erhöht wurde. Die Miete für die Wohnung betrug 80 RM. Die Schwestern zahlten auch eine Abgabe von 10 RM für notleidende Jüdinnen und Juden an den Jüdischen Religionsverband.

Der Mieterschutz für jüdische Menschen war am 30. April 1939 aufgehoben worden. Damit bekamen die Behörden die Möglichkeit die gekündigten Jüdinnen und Juden in bestimmten Stadtteilen, vor allem dem Grindelgebiet, zu konzentrieren. Dies hatte der Jüdische Religionsverband, der unter der Aufsicht der Gestapo stand, zu organisieren. Die meisten entmieteten Jüdinnen und Juden wurden in "Judenhäuser" eingewiesen, zu denen oft ehemalige Stiftsgebäude umgewandelt worden waren.

Auch Johanna und Rosalie Adler waren davon betroffen und mussten am 20. Februar 1942 in das "Judenhaus" Bundesstraße 43 umziehen, d.h. ins frühere John R. Warburg-Stift. Inzwischen hatten im Herbst und Winter 1941 vier große Deportationen Hamburg verlassen. Ältere Jüdinnen und Juden jedoch waren zurückgestellt worden. Sie erhielten für den 15. und 19. Juli 1942 den Deportationsbefehl nach Theresienstadt. Viele wollten diesen Weg nicht mehr gehen, wie auch Johanna Adlers Mitbewohnerin im Stiftsgebäude, Anna Flora Gaden: Am 10. Juli 1942 klopfte Johanna Adler an deren Tür, ohne eine Antwort zu erhalten. In der unverschlossenen Wohnung fand sie Anna Flora Gaden, die eine Überdosis Schlaftabletten genommen hatte, und rief einen Krankentransport. Anna Flora Gaden verstarb am 16. Juli 1942. (Für Anna Flora Gaden liegt ein Stolperstein in der Kegelhofstraße 44 in Eppendorf.)

Den Schwestern Johanna und Rosalie Adler und anderen Betroffenen war das Deportationsziel Theresienstadt als Altersgetto beschrieben worden, in dem sie sich mit ihren Ersparnissen einen "Heimplatz" erkaufen konnten bzw. mussten. Johanna Adler musste für den "Heimeinkaufsvertrag" 7.211,74 RM, Rosalie Adler 7.310,38 RM auf das Konto der Reichsvereinigung einzahlen. Vermutlich hofften beide - wie viele der anderen Getäuschten - auf einen guten Altersruhesitz in Theresienstadt. Eine trügerische Hoffnung, wie sich bald herausstellen sollte.

Zum Sammelort für ihren Transport am 15. Juli 1942 war die Schule Altonaer Straße in der Nähe des Bahnhofs Sternschanze bestimmt worden. Weil sie hinter Wohnhäusern versteckt liegt, war der Schulhof von der Straße aus nicht einsehbar. Von dort wurden die Menschen per LKW zum Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity) gefahren. Ihr Zug brachte 926 meist ältere Jüdinnen und Juden nach Theresienstadt, wo sie am nächsten Tag angelangten.

In Hamburg teilte die Oberfinanzdirektion bald darauf der Hamburger Sparkasse von 1827 per Brief vom 5. September 1942 mit, dass das Guthaben der Konten von Rosalie Adler und Johanna Adler zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen worden sei. Dann wurden die Konten gelöscht. Der Hausrat der Schwestern wurde versteigert. Als Erlös konnte das Deutsche Reich 674,92 RM verbuchen.

Am 21. September 1942 wurden Johanna und Rosalie Adler von Theresienstadt mit weiteren 2018 Menschen ins Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert und ermordet.

Die Jewish Trust Corporation for Germany machte nach dem Krieg die 674,92 RM für den versteigerten Hausrat von Johanna Adler und Rosalie Adler beim Zentralamt für Vermögensverwaltung geltend.
Das von Johanna Adler und Rosalie Adler eingezahlte Geld für den "Heimplatz" in Theresienstadt wurde nie erstattet.

Zum Schicksal der Schwester Jenny Bédu und ihrem Ehemann Georges Julien Bédu:
Das Ehepaar bekam zwei Kinder Jeanne, geboren 1893, und Ida Bédu, Geburtsdatum unbekannt. Jeanne Bédu heiratete später einen Georges Louis Collet, geboren 1892. Ida Bédu heiratete einen Maurice Cerbelaud. Über diesen Zweig der Familie haben wir keine weiteren Kenntnisse.

© Bärbel Klein

Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; 6; 7; 9; StaH 213-11 Landgericht Hamburg – Rückerstattung 15457 (Rosalie Adler), 13154 (Johanna Adler); 331-5 Unnatürliche Sterbefälle_Akte 1155/1942 (Anna Flora Gaden); 332-3 Zivilstand 22 Geburtsregister Nr. 6319/1866 Johanna Adler, 69 Geburtsregister Nr. 2811/1869 Rosalie Adler; 332-5 Heiratsregister 2776 Nr. 138/1899 Jenny Adler/Julien Bédu; 332-7 Bürgerprotokoll A I f 157 Nr. 8009/1879; 741-4 Fotoarchiv K 5758 (Adler), K2253 (Heider Straße); 522-1_1042 Bekanntmachungen und Rundschreiben des Jüdischen Religionsverbandes vom 31.3.1942, Nr. 25; 522-01 Jüdische Gemeinden_0338 b (Kartei der Israeliten); Stefanie Fischer, Familie und Alltag, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 22.09.2016. [Zugriff 5.3.2023]; ITS Archives Bad Arolsen Digital Archive 1.1.42.3 [513740] Archivnummer, Gedenkbuch Theresienstadt, Mail vom 3.1.2022 Martin Kriwet; Alfred Gottwald und Diana Schulle, Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005 Seite 281 und 298; www.wikipedea.de (Zugriff 8.10.2021); Jenny Adler: https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000004 (Zugriff 2.4.2023).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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