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Julius Behrend * 1885
Brahmsallee 6 (Eimsbüttel, Harvestehude)
1941 Riga
ermordet
Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 6:
Minka Behrend, Bertha Gansel, Martha Hess, Siegfried Hess, Henny Hoffmann, Max Hoffmann, Oswald Pander, James Hermann Schwabe
Julius Behrend, geb. am 9.2.1885 in Hamburg, inhaftiert im Gefängnis Fuhlsbüttel und KZ Sachsenhausen vom 11.11.1938–2.12.1938, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Minka Behrend, geb. Hartog, geb. am 16.10.1886 in Hinschenfelde (Wandsbek), deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Brahmsallee 6
Julius Behrend wurde am 9.2.1885 in Hamburg als ältester von drei Brüdern geboren, gefolgt von Martin im Januar 1886 und Alfred im April 1887. Die Familie lebte in der Neustädter Neustraße 1 (jetzt "Neustädter Straße"). Der Vater Samuel (geb. 1857 in Hamburg, gest. 1937 in Hamburg) handelte mit Tapezierartikeln und Möbelstoffen, die Mutter Malwine, geb. Hesslein (geb. 1865 Hamburg, gest. 1934 in Hamburg), versorgte die Familie.
Die männlichen jüdischen Schüler, die eine religiös ausgerichtete Schulausbildung erhalten sollten, wurden in der Talmud Tora Schule unterrichtet. Im Jahr 1805 als "Israelitische Armenschule Talmud-Tora" in der Elbstraße 122 gegründet, entwickelte sich die Schule im Laufe der Jahre erfolgreich. Zur Zeit der Einschulung von Julius und seinen Brüdern war sie als "Talmud Tora Realschule" anerkannt und befand sich seit 1857 an der Adresse Kohlhöfen 20, ganz in der Nähe der elterlichen Wohnung.
Samuel Behrend betrieb sein Firmenlager noch einige Jahre in der Hamburger Neustadt, die Privatwohnung aber verlegte er 1908 in die Heinrich-Barth-Straße 6. Sie sollte bis 1934 das Heim für Samuel und Malwine Behrend bleiben. Viele Juden, die bisher in der Neustadt lebten und sich einen Wohlstand erarbeitet hatten, verlegten ihre Wohnungen in die begehrten Neubaugebiete der Stadtteile Harvestehude und Rotherbaum.
Julius’ Aussichten für eine gesicherte Zukunft schienen gut. Die Deutsch-Israelitische Gemeinde suchte einen Beamten für das Gemeindebüro, Julius Behrend empfahl sich als jemand, dem diese Arbeit durch eine frühere Tätigkeit auf einem ähnlichen Posten und als Kontorist geläufig war. Er erhielt die Stelle, leistete seinen Diensteid und trat am 1. Januar 1913 sein Amt als Beamter bei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde an. Das Einkommen war nicht üppig und ohne Pensionsanspruch, aber verlässlich und die verantwortungsvolle Arbeit in der Gemeinde brachte Anerkennung.
Minka Hartog kam am 16.10.1886 in Hinschenfelde/Wandsbek zur Welt. Sie war das jüngste Kind ihrer Eltern Pheis Calmer, gen. Philip, Hartog (geb. 1849 in Aurich, gest. 1924 in Hamburg) und Gütle, gen. Auguste, geb. Bargerbuhr (geb. 1848 in Aurich, gest. 1932 in Hamburg). Der ältere Bruder Albert Philipp kam im August 1881 zur Welt, die Schwester Regina folgte im Februar 1883, beide wurden in Hamburg geboren.
Der Vater verdiente den Lebensunterhalt als Lotto-Collecteur, d.h. als Kaufmann, der mit staatlicher Genehmigung Lose verkaufte. Das Einkommen ermöglichte einen guten Lebensunterhalt. Die Familie erwarb Ende der 1890er-Jahre das Haus Marienstraße 9 (i. d. Neustadt). Anfang 1902 zog sie in das Neubaugebiet Brahmsallee. Sie erwarb das Haus Brahmsallee 31, das bis 1924 im Besitz der Familie Hartog blieb.
Über eine berufliche Ausbildung Minkas ist uns nichts bekannt. In den Meldeunterlagen findet sich ein Eintrag über einen Aufenthalt in Paris von September 1911 bis Februar 1912 vermerkt ohne Hinweis auf einen Anlass.
Wie und wo mögen sich Minka und Julius kennengelernt haben? Wir wissen es nicht, vielleicht über Bekannte der Eltern, vielleicht aus der Nachbarschaft. Sie lebten nah beieinander in der Heinrich-Barth-Straße 6 und in der Brahmsallee 31.
Am 8. Juni 1913 schlossen Minka Hartog und Julius Behrend die Ehe vor dem Standesamt Eimsbüttel. Nach ihren Flitterwochen in Bad Brückenau in Unterfranken bezogen sie ihre erste gemeinsame Wohnung in der Brahmsallee 31 im 1. Stock.
Der Beginn des Ersten Weltkrieges trennte die Eheleute auf Jahre. Julius wurde am 17. September 1914 als Soldat eingezogen und war für die gesamte Dauer des Krieges im Einsatz, lediglich durch Urlaube unterbrochen. Minka Behrend blieb hochschwanger zurück. Das erste Kind, Hildegard, kam am 16.11.1914 in Hamburg zur Welt. Sie war das erste der insgesamt sieben Kinder, gefolgt von Thea, geb. am 4.4.1917, Karola, geb. am 30.7.1918, Kurt, geb. am 13.10.1919, Norbert Nathan, geb. am 11.4.1921, Renate, geb. am 14.2.1923 und Rahel, geb. am 15.5.1926.
Der Kriegseinsatz endete für Julius mit einer Verwundung im August 1918, die er in einem Lazarett in Bevensen bei Uelzen auskurierte. Julius wurde für seinen Kriegseinsatz mit drei Orden dekoriert.
Nach dem Kriegsende setzte er seine Tätigkeit bei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde fort. Zwischenzeitlich waren die Ausgaben der Familie für das tägliche Leben größer als das Einkommen. Selbst eine bescheidene Lebensführung konnte dies nicht verhindern. Julius fürchtete um die Gesundheit seiner Frau, die mit dem vierten Kind (Kurt) schwanger war und bat die Gemeinde um finanzielle Unterstützung, die ihm auch gewährt wurde. Im Jahr 1925 wechselte er den Beruf, gab die Anstellung auf und meldete am 6. Februar 1925 ein Gewerbe als Versicherungskaufmann an.
Ein Umzug in die Brahmsallee 6, I. Stock, folgte Ende 1928. Dort wohnten die Behrends bis etwa 1934, ehe sie wieder die Straßenseite wechselten und in die Brahmsallee 15, III. Stock, zogen.
Der Deutsch-Israelitischen Gemeinde blieb Julius Behrend weiterhin treu, er wurde ein leitendes Mitglied der "Beerdigung-Brüderschaft der Deutsch-Israelitischen Gemeinde". Die Mitglieder der Bruderschaft definierten ihr ehrenamtliches Wirken so: "Die Ausübung von Liebesdiensten an verstorbenen Glaubensgenossen mit gleichen Rechten für Arm und Reich ohne Unterschied." Die Bruderschaft wachte über die Einhaltung der rituellen Vorschriften der Bestattungs- und Trauerbräuche, die in der jüdischen Religion einen hohen Stellenwert haben.
Schien der Lebensunterhalt der Familie seit dem Berufswechsel Julius Behrends einigermaßen gesichert, so ging er in der Zeit nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 deutlich zurück. Seit dieser Zeit wurde nur geringe, zeitweise gar keine, Kultussteuer berechnet, was auf ein sehr geringes Einkommen hindeutet. Erst ab Anfang 1939 bis Ende 1941 besserte sich die finanzielle Situation etwas – Julius Behrend arbeitete beim "Jüdischen Religionsverband" e.V., wie sich die Gemeinde nach der Zusammenlegung der vier Jüdischen Gemeinden aus Hamburg, Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek am 1. Januar 1938 nun nennen musste.
Julius wurde, ebenso wie sein Bruder Martin, nach dem Pogrom am 9. November 1938 verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Beide kamen nach einigen Wochen wieder frei. Ziel dieser Verhaftungen war es, die Inhaftierten und ihre Familien aus Deutschland zu vertreiben.
Julius und Minka Behrend gelang es durch kluge Planung, für alle sieben Kinder eine Ausreisemöglichkeit zu finden. Zuletzt ging die jüngste, Rahel, Ende Dezember 1939 nach Palästina.
Auch Julius’ Brüder und ihre Familien gingen ins Ausland.
Das Ehepaar Behrend blieb in Hamburg zurück. Minkas Geschwister lebten nicht in Hamburg.
Warum Julius und Minka nicht ausreisten ist nicht bekannt. Vielleicht waren die finanziellen Mittel erschöpft oder sie konnten sich nicht vorstellen, dass ein verdienter Soldat aus dem Ersten Weltkrieg weiteren Repressalien ausgesetzt sein würde.Anfang April 1938 waren die Behrends in der Brahmsallee 15 vom III. Stock ins Erdgeschoss gezogen. Mit ihnen lebten Untermieter in der 6½ Zimmer-Wohnung, u.a. Jakob Bargerbuhr, Jahrgang 1855. Er war 1934 aus Aurich nach Hamburg gekommen und vermutlich ein naher Verwandter von Minkas Mutter.
Im November 1941 musste die Wohnung geräumt werden, die Behrends zogen in die Grindelallee 23. Bereits nach drei Wochen erhielten sie ihren Deportationsbefehl zum 6. Dezember 1941 in das Getto Riga. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts weiter bekannt als dass sie – wie alle Hamburger Deportierten dieses Transports – in das Lager Jungfernhof eingewiesen wurden und dort umkamen.
Jakob Bargerbuhr wurde am 23. Juni 1943 von der Beneckestraße 6 ins Getto Theresienstadt deportiert und starb dort am 23.12.1943.
Nachfolgend soll kurz das Schicksal der sieben Behrend-Geschwister – soweit möglich – beleuchtet werden:
Hildegard Behrend: Vermutlich wanderte sie schon Anfang 1936 nach Palästina aus, wo sie Aron Wolf heiratete. An ihre Eltern erinnerte ihr Ehemann durch eine "Page of Testmony", einem Gedenkblatt, hinterlegt in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel.
Thea Behrend: Sie besuchte von April 1923 bis 1931 die Israelitische Töchterschule, erlangte im Jahr 1933 die "Lyceumsreife", also die Gymnasialreife, an der Gemeinde- und Realschule in der Carolinenstraße. Thea schien eine Begabung für Mathematik zu haben und half dem Vater bei der Berechnung von Prämien- und Schadensberechnungen, was ihm, wie sich Thea später erinnerte, ein wenig schwer fiel. Sie wollte "Versicherungsmathematikerin" werden, was auch der Vater unterstützte, was jedoch für ein Mathematikstudium das Abitur voraussetzte. Dieser Wunsch wurde durch die mittlerweile herrschende antisemitische Stimmung durchkreuzt und so beschloss die Familie, Thea solle einen praktischen Beruf erlernen. Durch die Vermittlung ihres Onkels Alfred Behrend, dem jüngsten Bruder ihres Vaters, wurde sie Schneiderlehrling bei Frau Baste im Wohldsenweg 4, Hamburg. Diese arbeitete überwiegend für jüdische Kundschaft. Nach nur einem Jahr brach Thea die Ausbildung dort ab, denn es gab zu wenig Arbeit, um ihr eine ordentliche Ausbildung zu ermöglichen. Eine weitere Lehrstelle verlor sie, weil der Ehemann ihrer Lehrherrin SS-Mann war und darauf bestand, dass sie die Lehre abbrach. Nun ging Thea im November 1935 in ein Ausbildungslager in Darmstadt, wo sie im August 1936 das Palästina-Zertifikat (d.h. die Berechtigung zur legalen Einreise in das Land) erhielt und einen Monat später dorthin aufbrach.
Karola Behrend: Sie war ab April 1937 erwerbstätig und zahlte eigene Kultussteuern. Im Mai 1939, zur Zeit der Volkszählung, lebte sie noch in der Brahmsallee 15, bereitete aber ihre Auswanderung vor. Am 14. August 1939 emigrierte sie nach Großbritannien, wo sie im März 1942 heiratete. Sie trug den Nachnamen Rottenberger und lebte in der Grafschaft Surrey im Süden Englands.
Kurt Behrend: Besuchte die Talmud Tora Schule bis 1935. Im Januar 1936 reiste er, 16-jährig, nach Belgien, wo er in Antwerpen eine dreijährige Ausbildung zum Schlosser, Metalldreher und technischer Zeichner absolvierte. Nach dem Abschluss erhielt er keine Arbeitserlaubnis und bestritt seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten. Im Mai 1940 wurde das neutrale Belgien durch die deutsche Wehrmacht innerhalb weniger Tage besetzt. Alle Deutschen, die sich im Land aufhielten, wurden von den Belgiern als potentielles Sicherheitsrisiko angesehen, verhaftet und nach Frankreich deportiert. Auch Kurt war davon betroffen. Nun begann seine Lagerodyssee: Das erste Lager, in dem er inhaftiert wurde, war das Konzentrationslager Saint-Cyprien (Südfrankreich). Dieses primitive Lager wurde Ende Oktober 1942 überschwemmt und dadurch unbewohnbar. Die Gefangenen wurden am 29. Oktober 1940 ins Lager Gurs gebracht, wo Kurt bis zum 26. Juni 1941 inhaftiert war. Anschließend kam er als "Ausländischer Arbeiter (Groupement des travailleurs étrangers)" nach Viviers. Von dort aus musste er in Voglaus und Ruffieux (beide Savoyen) arbeiten. Im August 1942 gelang es ihm, aus Ruffieux zu entkommen. Mit einem gefälschten Pass ausgestattet, lebte er als "Jean Bonnet" für ein Jahr in Rive de Gier im Departement Loire. Doch bei einer Razzia im September 1943 fiel er den deutschen Truppen in die Hände und musste nun Zwangsarbeit für die Wehrmacht bis zur Befreiung durch alliierte Truppen leisten. Kurt blieb in Frankreich, arbeitete als technischer Zeichner, heiratete und lebte ab Oktober 1946 in Paris.
Norbert Nathan Behrend: Besuchte wie seine Brüder die Talmud Tora Schule bis zum "Einjährigen" (Mittlere Reife) im März 1938. Er versuchte vergeblich, eine Ausbildung als Feinschlosser zu erhalten. Die Ereignisse der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 mit der Inhaftierung des Vaters bewogen ihn, sofort nach dessen Entlassung aus der Haft im KZ Sachsenhausen am 2. Dezember 1938, Deutschland in Richtung Großbritannien zu verlassen. Dort verbrachte der 17-Jährige die ersten Monate in einem Flüchtlingslager, konnte im Laufe des Jahres 1940 eine Arbeit als Landarbeiter aufnehmen und den Krieg überstehen. Im Juli 1946 erhielt er ein Einreisevisum nach Palästina. In der 1937 gegründeten genossenschaftlichen Siedlung Tirat-Zvi, gelegen in der Ebene von Bet Scheàn, etwa 25 km südlich vom See Genezareth, fand er Unterkunft und Arbeit in der Landwirtschaft.
Renate Behrend: Besuchte die Mädchenschule in der Bieberstraße, dann die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße, die sie mit der 8. Klasse abschloss. Sie wollte sich zur Bilanzbuchhalterin ausbilden lassen, was nach der nationalsozialistischen Machtübernahme für eine jüdische Jugendliche nicht mehr realisierbar war. Eine Alternative bot sich in einer hauswirtschaftlichen Ausbildung, die Renate ab Frühjahr 1938 in der "Wirtschaftlichen Frauenschule auf dem Lande" in Wolfratshausen (südlich von München) erlangen wollte, die vom Jüdischen Frauenbund München gegründet worden war. Die Ausbildung war seit 1934 als "Hachscharah" anerkannt, d.h. eine Palästinaauswanderung wurde möglich. Im November 1938 wurde die Schule auf staatliche Anordnung hin geschlossen. Da sie diese Ausbildung nicht mehr fortsetzen konnte, ging Renate mit der "Jugend-Aliah" im März 1939 nach Palästina. In Jerusalem fand sie Unterkunft und eine Ausbildungsstelle in einer Haushaltungsschule, die sie von März 1939 bis März 1941 absolvierte. Anschließend trat sie in die britische Armee ein und diente dort bis 1946. Nach dieser Zeit arbeitete Renate für zivile Arbeitgeber, z.B. in einem Buchladen. Eine zwischenzeitlich geschlossene Ehe wurde 1955 geschieden. 1958 wanderte Renate Popper, wie sie nach ihrer zweiten Heirat im Jahr 1957 hieß, in die USA aus und ließ sich in New York nieder.
Rahel Behrend: Wanderte mit 13 Jahren nach Palästina aus. Die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten Hamburg genehmigte ihre Ausreise am 22. Dezember 1939. Neben einer praktischen Ausstattung mit warmer Kleidung und Bettzeug hatte sie dreißig Bücher im Gepäck. Über ihr weiteres Leben in Palästina ist wenig bekannt.
Wie erwähnt, lebten die Geschwister von Julius und Minka bereits im Ausland oder nicht mehr in Hamburg.
Martin Behrend, geb. 5.1.1886, Julius’ jüngerer Bruder, war Teilnehmer am Ersten Weltkrieg. Nach Kriegsende etablierte er sich als Handelsvertreter, heiratete 1924 die Hamburgerin Flora Rosenstock, geb. 30.9.1898. Das Paar bekam drei Kinder. Durch die antijüdischen Maßnahmen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gingen die Einnahmen von Martin Behrend zurück. Auch er erlebte die Verhaftung nach dem Pogrom am 9. November 1938 und die Verschleppung ins KZ Sachsenhausen, wo er nach etwa vier Wochen entlassen wurde. Er verlor seine Handelsvertretungen und damit sein Einkommen. Mit Gelegenheitsarbeiten auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf, in einer Mazzotfabrik und im Jüdischen Krankenhaus versuchte er, seine Familie zu ernähren. Mitte 1941 finanzierte ein dort lebender Verwandter die Emigration von Martin, Flora und den Kindern Miriam, Alice und Julius Behrend in die USA. Martin Behrend starb am 17. April 1957.
Alfred Behrend, geb. 1887, war Kaufmann. Wie seine Brüder war er Soldat im Ersten Weltkrieg. 1920 heiratete er Irma Sacki, geb. in Mellrichstadt/Bayern. Das Paar bekam zwei Kinder, Elisabeth (geb. 14.2.1922) und Walter (geb. 25.9.1928).
Alfred Behrend arbeitete in den Bankhäusern Flörsheim & Co und Max Bundheim& Co und ab Ende der 1920er-Jahre selbstständig im eigenen Büro am Neuen Wall 54. Die Familie lebte in der Oberstraße 9. Mit der übrigen Familie, besonders mit Julius, Minka und deren sieben Kindern war Alfred Behrend eng verbunden. Das gut bürgerliche Leben endete im Frühjahr 1934 durch eine angebliche Buchprüfung im Büro von Alfred Behrend. Es war, wie er vermutete, eine von Konkurrenten initiierte Aktion, um ihn zu diffamieren. Irma Behrend legte später in einer eidesstattlichen Erklärung nieder, dass die vermutete Unregelmäßigkeit eine Reihe von Maßnahmen nach sich zog, Alfred Behrend sich dem Ehrengericht der Handelskammer stellen musste, in das Reichswirtschaftsministerium nach Berlin vorgeladen und unter Druck gesetzt wurde. Die nervliche Anspannung legte sich auch nach der Entkräftung der Vorwürfe nicht. Alfred Behrend erlitt während einer Geschäftsreise nach Holland einen Zusammenbruch und entschloss sich, nicht wieder nach Deutschland einzureisen. Er reiste von Holland aus nach Palästina, vorerst als Besucher. Seine Ehefrau und die Kinder gingen im September 1935 nach Prag, wo sich Irma Behrends Bruder aufhielt und für sie sorgte, bevor sie im März 1936 nach Palästina reisen konnten. Vor ihren Kindern hatten die Eltern diese Probleme verborgen, sie wussten – wie Walter schrieb – von der Palästinareise und dass die Repressionen gegen den Vater letztlich ihr Leben gerettet hatten, weil die Familie dadurch frühzeitig Deutschland verlassen hatte.
Alfred und Irma Behrend blieben auch nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reiches" in Palästina. Sie reisten jedoch häufig nach Deutschland, um alte Freunde zu treffen. Ein bevorzugtes Reiseziel war Hamburg. Die Stadt war für Alfred zeit seines Lebens seine Heimat. Mit der Senatskanzlei in Hamburg führte er über 17 Jahre einen berührenden Schriftwechsel bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1982.
Seine Ehefrau war 1972 verstorben.
Minkas Bruder Albert Philipp (geb. 1881) lebte mit seiner nichtjüdischen Frau Hedwig Margarete Gertrud, geb. Rahtz (geb. 1877), in Berlin. Sie starb im März 1942. Albert Philipp wurde am 3. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert. An ihn erinnert ein Stolperstein vor seinem Wohnhaus Sophie-Charlotte-Straße 104 in Berlin Charlottenburg.
Minkas Schwester Regina, verheiratet mit Manfred Linz in Dessau, hatte vier Kinder. Das Ehepaar besaß ein Textilgeschäft, das "arisiert" wurde. Die Familie rettete sich 1941 mit drei Kindern (Margot, Kurt und Albrecht) nach Brasilien. Der älteste Sohn Manfred konnte nicht entkommen. Er war seit Juli 1940 im KZ Sachsenhausen inhaftiert, wo er im März 1942 starb.
An Julius und Minka Behrend erinnern zwei Stolpersteine vor dem Haus Brahmsallee 6.
Eine besondere Erinnerung beherbergt das Museum für Hamburgische Geschichte. Dort findet sich in der jüdischen Abteilung eine gläserne Obstschale, die Minka beim Auszug aus der Brahmsallee 15 einer befreundeten Nachbarin zum Abschied schenkte. Die Tochter der Beschenkten hat diese nach dem Tod der Mutter an das Museum übergeben.
Stand: September 2016
© Christina Igla
Quellen: 1; 5; 8; 9; StaH:131 – II_ Senatskanzlei 3316; 213-13 Landgericht_1053;311-2 IV Finanzdeputation, 314-15 Oberfinanzpräsident_ Vg3781, _Vg4170, -Vg5320, -Vg7736; 332-5 Meldewesen_1994 3190/1881, _2040 574/1883, _2099 690/1885_884 92/1924, _8112 76/1932, _8124 307/1934, _8144 113/1937; 8689 153/1913, 332-8 Meldewesen K6209; 351-11 Amt für Wiedergutmachung_9054, _42408, _44536, _45219, _45463; 522-1_316 Personalakte Julius Behrend, 522-1 _ 390 Wählerverzeichnis 1930,741-2 Gewerbegenehmigung_K3828; Haefs, Aufriss; Hoffmann, Schule, S. 36–39; "Festschrift zur Feier des 125-jährigen Bestehens der Beerdigungs-Brüderschaft der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg" vom 16.8.1937; Statuten der Beerdigungs-Brüderschaft der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg, Hamburg 1899, S. 1–2; www.ancestry.de (Zugriff am 9.8.2013 (Bayrisches Staatsarchiv, Abt. IV, Kriegsarchiv), 8.6.2015 und 10.3.2016; www.beliebte-vornamen.de (Zugriff am 4.6.2015), www.gedenkkultur-dessau-rosslau.de (Zugriff am 4.6.2015), www.hamburg.de/contentblob/1189032/data/juedischer-stadtplan.pdf (Zugriff am 24.5.2015), www.stolpersteine-Aurich.de (zu Jakob Bargerbuhr) (Zugriff am 4.6.2015), www.stolpersteine-berlin.de (Zugriff am 4.6.2015), Hamburger Adressbuch – onlineversion; E-Mails Dr. O. Pelc, Hamburgmuseum v. 23.5.2015, Daniel Behrend v. 31.7.2013, Walter Behrend v. 8.7.2015, Thomas Uhrmann, Ehrenamtlicher Leiter der Dr.-Erich-Bloch-und-Lebenheim-Bibliothek (Judaica) der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz, www.bsz-bw.de/eu/blochbib/ v. 8.5.2014, 19.1.2015, 20.1.2015, Darmstädter Geschichtswerkstatt v. 23.7.2013; Naomi Bar-Joseph v. 24.6.2015, v. Dr. Thomas Lange, Archivpädagoge i.R. v. 6.8.2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".