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Ina Behrmann (geborene Hoffmann) * 1882
Lenhartzstraße 3 (Hamburg-Nord, Eppendorf)
HIER WOHNTE
INA BEHRMANN
GEB. HOFFMANN
JG. 1882
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Lenhartzstraße 3:
Siegmund Hofmann, Hermine Hofmann, Wolf Jägermann, Carl Löwenberg, Selma Meyer, Elka Naphtalie, Gerda Pulka, Marie Sievers, Elise Wilda, Emma Wilda, Therese Wilda, Ernst Wilda
Ina Behrmann, geb. Hoffmann, geb. 9.8.1882 in Hamburg, am 25.10.1941 nach Litzmannstadt/Lodz deportiert, am 10.5.1942 nach Chelmno weiterdeportiert und dort ermordet
Lenhartzstraße 3
Von Ina Behrmann, geborener Hoffmann sind nur wenige gesicherte Spuren geblieben. Dies hat sie gemeinsam mit vielen jüdischen Frauen, die auf sich gestellt und etwa als Haushaltshilfen mit bescheidenen Einkünften ihr Leben bestritten und der Verfolgung der Nazis zum Opfer fielen.
Ina Behrmann wurde am 9. August 1882 in der elterlichen Wohnung in Hamburg St. Pauli, Lange Reihe 93, geboren, dem Teil der heutigen Reeperbahn zwischen Davidstraße und Altonaer Grenze. Die Eltern waren der Kaufmann Moses Hoffmann (*19.4.1850 in Hagenow/Mecklenburg, †10.1.1899 in Hamburg) und Rosalie Hoffmann, geborene Wolfsberg (*25.11.1850 in Neustadt/Mecklenburg, †27.1.1914 in Hamburg). Beide waren jüdischer Herkunft. Zur Zeit der Eheschließung am 30.4.1878 hatten sie in der 2. Jacobistraße 9 der Hamburger Neustadt gewohnt, in einem Viertel, in dem zumeist die ärmeren der Hamburger Juden lebten.
Zur Kinder-, Schul- und Jugendzeit Inas ist nichts überliefert bzw. war bisher nichts zu finden. Auch ob sie Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Der Vater starb mit 48 Jahren, Ina war da 17.
Erst für das Jahr 1908, Ina war nun 25 Jahre alt, gibt es wieder Informationen: Ina, die bei ihrer Mutter in der Rutschbahn 20 wohnte, verheiratete sich am 14.2. in Hamburg mit dem Juden Isidor Behrmann (*9.9.1878), einem Kaufmann aus Memel im damaligen Ostpreußen, heute in Litauen gelegen. In Memel lebten die Beiden dann zunächst. Am 13.12.1908 kam Sohn Manfred zur Welt. Die Ehe hielt aber nicht mehr lange: Ina kam nach Hamburg zurück und hier wurde die Ehe am 20. März 1914 geschieden. Wo Ina mit dem fünfjährigen Kind unterkam und wie sie sich und das Kind in den nächsten Jahren durchbrachte, ist nicht sicher. Ihre Mutter konnte ihr keine große Hilfe mehr gewesen sein, denn sie starb im Januar 1914, kurz nach Inas Rückkehr nach Hamburg.
Im sogenannten Wiedergutmachungsverfahren sagte Manfred 1957, seine Mutter habe in Hamburg als Hausdame gearbeitet. Belegt ist das für die zwanziger- und dreißiger Jahre nicht. In den Unterlagen der Landesversicherungsanstalt bzw. der Reichsversicherungsanstalt sind Beiträge lediglich für 1913 (für sieben Monate) und von 1928 bis 1930 (für insgesamt 26 Monate) registriert. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Ina mit ihrem Kind bei freier Kost und Logis und geringem Entgelt als Haushaltshilfe oder Hausdame in anderen Haushalten gerade überlebte und keine Sozialabgaben zahlte. Erst für die Jahre 1940 und 1941 ist eine solche Beschäftigung belegt, zunächst als Hausdame in dem Zweipersonenhaushalt des jüdischen Zahnarztes Felix Spiro und seiner Ehefrau Rositta in der Lenhartzstraße 3/Eppendorf. Nach Angaben des Sohnes bekam sie 100 RM pro Monat. Diese Zahl ist vermutlich zu hoch gegriffen, denn die finanziellen Verhältnisse aller jüdischen Familien verschlechterten sich ständig, so auch bei Spiro, der als Jude seine Zulassung verloren hatte und bereits mehrmals umgezogen war, in immer bescheidenere Unterkunft. Es ist dokumentiert, dass er und Rositta 1940 über ein monatliches Einkommen von knapp 500 RM verfügten. Es ist bekannt, dass sich die Bedrängten gegenseitig zu helfen versuchten, solange das die finanziellen Umstände noch gestatteten. Es verwundert daher nicht, dass Ina Behrmann Anfang 1941 von Spiros zu der alleine lebenden Witwe Charlotte Rosenbacher, Agnesstraße 39 I/Winterhude wechselte. (Zu Spiro siehe "Stolpersteine in Hamburg/Eimsbüttel", Band 2, zu Rosenbacher in "Stolpersteine in Hamburg/Winterhude" und auf www.stolpersteine-hamburg.de) Diese Überlegungen werden gestützt durch zwei Eintragungen in der Kultussteuerkarte Ina Behrmanns: Für 1940 ist ein "Kopfgeld" von 12.-RM pro Jahr notiert, für 1941 nur noch von 3,- RM. Das "Kopfgeld" war der Beitrag von sehr gering Verdienenden oder Erwerbslosen an die Gemeinde. Ina hat beide Beträge umgehend bezahlt.
Zu dieser Zeit hatte Manfred Behrmann Hamburg und Deutschland bereits verlassen. Über die Niederlande war er im August 1936 nach Argentinien ausgewandert und hatte sich in Buenos Aires niedergelassen. Er war da knapp 28 Jahre alt, die Mutter 44 Jahre. In Deutschland hatte Manfred als Handelsvertreter gelernt, in Buenos Aires wurde er Kellner. Im August 1942, die Mutter lebte bereits nicht mehr, heiratete er die in Köln geborene Jüdin Maria Worringen (*1.12.1910). Mit nur 52 Jahren starb er überraschend am 12.8.1961 in Buenos Aires. Er hinterließ keine Nachkommen – was die Recherchemöglichkeiten betrüblicherweise weiter einengt.
Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn scheint, nach all den Mühen und Sorgen, immer sehr eng geblieben zu sein. Manfred spricht im "Wiedergutmachungsverfahren" von "regem und beständigen Briefwechsel". Ende 1941 seien Briefe jedoch als unzustellbar zurückgekommen. Von den Briefen ist keiner erhalten.
Am 6. Juni 1937, Manfred hatte Deutschland vor einem Jahr verlassen, machte Ina Behrmann ihr Testament und setzte den Sohn als Alleinerben ein. Dazu machte sie eine dreiseitige, mit Schreibmaschine geschriebene und sehr übersichtlich geordnete Zusammenstellung ihrer Habe. Es ist ein überschaubarer, doch auch respektabler Bestand eines Menschen, der auf Qualität achtet und die zusammengetragenen Dinge hütet und pflegt. Aufgeführt sind z.B. fünf Bettbezüge, fünf Bettlaken, 11 große Servietten, sechs Handtücher usw. Es folgen mehrere Positionen von Silberbesteck, u.a. 30 Esslöffel mit eingravierten Monogrammen unterschiedlicher Herkunft, vielleicht sind es Sammlerstücke, vielleicht Geschenke, dann zwei Kindergabeln, eine Zuckerzange, 1 Brotgabel usw. Auf Seite 3 werden Inas Schmuckstücke aufgezählt, darunter eine goldene Halskette von 12 Gramm, eine Nadel mit zwei Brillanten und einer unechten Perle, ein goldener Ring mit drei kleinen Brillanten. Es ist denkbar, dass mancher der Gegenstände noch aus der Ehezeit Inas stammten oder Teil ihrer Ausstattung waren.
Nichts zu vermachen hatte Ina an Möbeln, Haushaltsgeräten oder anderen Einrichtungsgegenständen.
Die aufgelisteten Dinge und einige weitere wie Garderobe, Leibwäsche etc. sollten nach ihrem Tod ihrem Sohn zugeschickt werden. Manfred hat von seinem Erbe nie etwas zu sehen bekommen. Die gesamte Hinterlassenschaft Ina Behrmanns ist in den Taschen anderer verschwunden, konfisziert, versteigert, gestohlen.
Mit dem 1. Deportationszug, der Hamburg verließ, wurde Ina Behrmann am 25. Oktober 1941 zusammen mit weiteren 1033 Jüdinnen und Juden in das Ghetto Litzmannstadt/Lodz verschleppt.
Felix und Rositta Spiro, Lenhartzstraße 3, bei welchen Ina 1940 beschäftigt gewesen war, wurden am 8. November 1941 nach Minsk verschleppt und dort ermordet.
Charlotte Rosenbacher, Agnesstraße 39, bei der Ina 1941 untergekommen war, wurde 10 Tage später, am 18. November 1941, ebenfalls nach Minsk verschleppt und dort ermordet.
Ina Behrmann wurde, wie die "Abmeldekartei Litzmannstadt" dokumentiert, am 10. Mai 1942 aus Lodz "ausgewiesen", d.h. sie wurde nach Chelmno gebracht, dort sofort nach der Ankunft und mit vielen anderen in einen Gaswagen getrieben und während der Fahrt zu dem bereits ausgehobenen Massengrab mit den Abgasen erstickt.
Ina Behrmann wurde 59 Jahre alt.
Stand: Juni 2018
© Johannes Grossmann
Quellen: StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 35505 (Behrmann, Maria); StaH 522-1, 992 b Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde: Moses Hoffmann, Witwe sowie Behrmann, Ina; StaH 522-1_ 992 e 2 Fotokopien der Deportationslisten, Band 1 Litzmannstadt, Band 2 und Band 3 Minsk; Archiwum Panstwowe, Lodz (Getto-Archiv), Meldekartei, Nr. 9247 Anmeldung Behrmann, Ina, Nr. 9246 Abmeldung; Fritz Neubauer, Universität Bielefeld, E-Mail vom 10.4.2018; StaH 332-5_2031 (Geburtsurkunde Ina Hoffmann, Standesamt Hamburg Mitte, 1882, Nr. 3770); StaH 332-5_8488 (Heiratsurkunde Moses Hoffmann und Rosalie Hoffmann, Standesamt Hamburg Eimsbüttel, 1878, Nr.242); StaH 332-5_8656 (Heiratsurkunde Isidor Behrmann und Ina Hoffmann, Standesamt Hamburg Eimsbüttel, 1908, Nr. 27); StaH 332-5_448 (Sterbeurkunde Moses Hoffmann, Standesamt Hamburg Mitte, 1899, Nr.36); Hamburger Adressbücher (http://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/start); Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945/Geschichte, Zeugnis, Erinnerung, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, 2007.