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Bernhard Benedix * 1884
Bismarckstraße 90 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)
HIER WOHNTE
BERNHARD BENEDIX
JG. 1884
EINGEWIESEN 1935
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"
Bernhard Benedix, geb. am 29.4.1884 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt in Brandenburg an der Havel
Stolperstein Hamburg-Hoheluft-West, Bismarckstraße 90
Bernhard Benedix kam im Hamburger Stadtteil Rotherbaum in der Bundesstraße 50 zur Welt. Die Eltern, der Viehkommissionär (Kaufmann, der Vieh im eigenen Namen für fremde Rechnung gegen Provision verkaufte) Joseph Benedix und seine Ehefrau Sara, geborene Peine, gehörten dem jüdischen Glauben an. Bernhard hatte eine ältere Schwester, Clara, geboren am 10. Dezember 1882, und zwei Brüder: Selig, geboren am 12. Oktober 1886, und Max Moses, geboren am 14. Mai 1890. Dieser erhielt durch Bescheid des Senats vom 17. September 1923 den alleinigen Vornamen Max.
Bernhard war sechzehn Jahre alt, als sein Vater am 4. August 1900 starb. Der Familie war es dennoch möglich, ihm eine qualifizierte Ausbildung als Chemiker und Techniker zu vermitteln. Am 28. August 1912 heiratete er die in Hannover geborene Bertha Albertine Marie Quaas, geboren am 16. September 1891. Bertha Quaas, Tochter eines in Dresden lebenden Kapellmeisters, gehörte der lutherischen Konfession an. Sie wohnte zum Zeitpunkt der Eheschließung in Hamburg, Rappstraße 3.
Schon mit 21 Jahren betrieb Bernhard Benedix ein Agentur- und Kommissionsgeschäft. Unklar ist, ob er dabei seine Ausbildung als Chemiker und Techniker nutzen konnte. Das Unternehmen war in das Handelsregister eingetragen. Bernhard Benedix war also Vollkaufmann und laut Adressbuch auch Mitglied der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns. Seine Privatadresse befand sich 1912 zunächst in der Werderstraße 6 in Harvestehude. Mit seinem Geschäft residierte er in der Amelungstraße 6 in der Neustadt, zeitweise parallel am Grindelberg 18 in Harvestehude und später in der Bismarckstraße 90 in Hoheluft-West. Zeitweise waren Wohn- und Geschäftsadresse identisch.
Bernhard Benedix’ Ehe blieb kinderlos und wurde nach elf Jahren am 27. November 1923 geschieden.
1926 oder 1927 wurde Bernhard Benedix erstmalig Patient der psychiatrischen Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Im Februar 1928 erklärte ihn das Amtsgericht Hamburg für unmündig. Spätestens zu diesem Zeitpunkt konnte er sein Unternehmen nicht mehr selbst leiten. Es wurde wahrscheinlich 1929 an M. Ch. Benzimra verkauft, den das Adressbuch von 1930 als Inhaber ausweist.
Aus Bernhard Benedix’ Patienten-Karteikarte der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg wissen wir, dass er noch zweimal in Friedrichsberg aufgenommen wurde, und zwar 1929/1930 und 1931. Zeitweise war er auch im Versorgungsheim Oberaltenallee untergebracht. Der späteren Aufnahme in der Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn am 18. Januar 1935 lag eine Überweisung aus Friedrichsberg mit der Diagnose "Schizophrenie" zu Grunde.
Bei der Aufnahme in Langenhorn bezeichnete sich Bernhard Benedix als "Freidenker". Anscheinend hatte er die jüdische Religionszugehörigkeit aufgegeben. Der Langenhorner Aufnahmebogen enthält als Berufsbezeichnung die Angabe "Händler".
Am 20. März 1935 beschloss das Erbgesundheitsgericht, dass Bernhard Benedix zu sterilisieren sei. Grundlage war das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933, das dem nationalsozialistischen Deutschen Reich zur Durchsetzung seiner Vorstellung von Rassenhygiene durch "Unfruchtbarmachung" vermeintlich "Erbkranker" diente. Offenbar wehrte Bernhard Benedix sich gegen diese Entscheidung, denn am 6. Juni 1935 kam es zu einer "Verhandlung" des Erbgesundheitsobergerichts in der Staatskrankenanstalt Langenhorn. Seine Gegenwehr blieb erfolglos. Am 9. Juli 1935 forderte das Staatliche Gesundheitsamt Hamburg ihn ultimativ auf, den Eingriff binnen zwei Wochen im Universitätskrankenhaus Eppendorf vornehmen zu lassen. Ihm wurde zugleich angedroht, dass "der Eingriff gegebenenfalls auch gegen Ihren Willen vorgenommen wird." Die Sterilisation erfolgte, nachdem Bernhard Benedix am 29. Juli 1935 in das Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf eingewiesen worden war.
Zurück in Langenhorn wurde er als so streitsüchtig beschrieben, dass er laut Patientenakte zeitweise "eingebettet" werden musste. Die "Einbettung" war eine Methode zur Ruhigstellung, bei der Patientinnen und Patienten zwangsweise im Bett festgehalten wurden. In der Folgezeit scheint sich Bernhard Benedix in sein Schicksal ergeben zu haben. Er galt im Jahre 1939 "als brauchbarer, fleissiger Arbeiter". Und weiter: "In letzter Zeit nichts Auffälliges auf der Station."
Wahrscheinlich führte die Bewertung als "brauchbarer, fleissiger Arbeiter" am 11. Dezember 1939 zu seiner Verlegung in das Gut Düssin in Westmecklenburg. Die Stadt Hamburg hatte das Gut Ende 1938 gekauft. In Düssin wurden 220 Menschen mit einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung untergebracht, außer Bernhard Benedix weitere sechs Menschen jüdischer Herkunft, die dort Landarbeit verrichten mussten. Am 13. oder 14. September 1940 mussten alle Patienten jüdischer Abstammung zurück nach Langenhorn.
Diese Rückführung war Teil einer von der Planungs- und Verwaltungszentrale für die NS-Krankenmorde in der Tiergartenstraße 4 (T 4) und dem Reichsinnenministerium im April 1940 begonnenen reichsweiten Aktion. In deren Rahmen wurden zunächst alle jüdischen Patienten in Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich und in der Ostmark (NS-Bezeichnung für Österreich) erfasst, dann in sogenannten Sammelanstalten zusammengeführt und anschließend in mehreren Tötungsanstalten mit Kohlenmonoxyd ermordet wurden. In der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurden 136 geistig behinderte und psychisch kranke Patientinnen und Patienten jüdischer Herkunft aus Anstalten in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg zusammengefasst. Sie wurden am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert und dort in einem dafür umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses noch am selben Tag mit Gas ermordet. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).
Auf dem Geburtsregistereintrag von Bernhard Benedix wurde notiert, dass das Standesamt Chelm II seinen Tod unter dem Datum 3. Dezember 1940 und der Nummer 575/1940 registriert hat. Sein Vormund erhielt am 12. Februar 1941 eine Mitteilung von der "Irrenanstalt Chelm, Post Lublin", nach der Bernhard Benedix an Gehirnschwellung gestorben sein soll. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch bzw. deutsch Cholm), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.
Bernhard Benedix’ Schwester Clara besaß mehrere wertvolle Grundstücke. Sie konnte Deutschland rechtzeitig verlassen, verlor dabei jedoch ihr Vermögen und ihre deutsche Staatsbürgerschaft. Sie lebte als verheiratete Clara Müller in den USA. Das Schicksal des Bruders Selig Benedix ist ungewiss. Weder in den Gedenkbüchern noch in der Opferdatenbank von Yad Vashem findet sich sein Name. Das jüngste der vier Benedix-Kinder, Max, emigrierte nach Belgien und dann weiter nach Frankreich. Hier wurde er verhaftet, in Drancy bei Paris interniert, am 14. August 1942 nach Auschwitz deportiert und dort wahrscheinlich ermordet. Obwohl Max Benedix’ Geburtsort, die kleine Bornstraße 1 (heute Heinrich-Barth-Straße), die einzige vom ihm bekannte Adresse ist, wurde sein Stolperstein im Sinne des gemeinsamen Gedenkens neben dem seines Bruders Bernhard in der Bismarckstraße 90 verlegt.
Stand: April 2019
© Ingo Wille
Quellen: 1; 4; 5; 9; AB, StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 314-15 Oberfinanzpräsident F 21 Gertrud und Natalie Benedix; 332-5 Standesämter 7935 Sterberegister Nr. 1975/1900 Joseph Benedix, 8683 Heiratsregister Nr. 280/1912 Bernhard Benedix/Marie Quaas, 8973 Geburtsregister Nr. 384/1883 Benedix Clara, 8986 Geburtsregister Nr. 1697/1894 Bernhard Benedix, 9015 Geburtsregister Nr. 4666/4666 Selig Benedix; 9054 Geburtsregister Nr. 630/1890 Max Moses Benedix; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 7519 Müller Clara, 11605 Müller Clara; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.1.39–23.9.40, Abl. 1/1995 21094 Bernhard Benedix; 371-19 Behörde für Wirtschaft und Verkehr (Wirtschaftsbehörde) 2001 Düssin; 522-1 Jüdische Gemeinden 696 d Geburtsregistereintrag Nr. 40/1849 Sara Peine; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Bernhard Benedix der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".