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Bernhard Bender * 1876
Neuer Pferdemarkt 17 (Altona, Sternschanze)
1941 Lodz
weiterdeportiert 1942 ???
Weitere Stolpersteine in Neuer Pferdemarkt 17:
Flora Bender, Ruth-Helene Engländer, Margitta Riess
Bernhard Bender, geb. 17.6.1876 in Seligenstadt, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort ermordet am 3.6.1942
Flora Bender, geb. Salomon, geb. 2.3.1880 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort ermordet am 3.6.1942
Ruth Helene Engländer, geb. 1.11.1921 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort ermordet am 3.6.1942
Marga (Margitta) Rieß (Ries, Riess), geb. Bender, geb. 10.6.1900 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort ermordet am 3.6.1942
Neuer Pferdemarkt 17
Bernhard Bender war ein Sohn des Pferdehändlers Mayer Bender und seiner Ehefrau Helene. Er erlernte den Metzgerberuf, war um 1900 als Kohlenhändler in Hamburg tätig und meldete dort am 23. November 1916 das Gewerbe als Pferdehändler an. In der Branche hatte er einen guten Ruf. So schrieb ein ehemaliger Kollege 1957 über ihn: "Herrn Bernhard Bender habe ich viele Jahre gekannt und mit ihm auch geschäftlich zu tun gehabt. Ich habe mit B. gern geschäftlich gearbeitet, denn er war absolut reell, Streitigkeit im Handel lag ihm fern. Im Pferdehändlerkreis war er auch angesehen und hatte Kundschaft, viele Freunde." Bernhard war jede Woche auf dem Lübecker Pferdemarkt, und Max Plaut, der seit Januar 1933 hauptamtlicher Sekretär der Deutsch-Israelitischen Gemeinde war, vermutete nach dem Krieg, dass Bender seine Stallungen am Pferdemarkt hatte. Er betrieb ein mittleres bis größeres Pferdegeschäft und lebte mit den erzielten Einkünften in guten Verhältnissen. Seine Ehefrau Flora fuhr einen eigenen PKW, der Haushalt hatte ein Telefon. Benders besaßen Gold-, Silber- und Schmucksachen, deren entschädigungsrelevanter Gegenwert später in der Bundesrepublik Deutschland mit mehr als 4000,– DM angenommen wurde.
Den Veranlagungen zur Kultussteuer kann entnommen werden, dass Benders Einkünfte bis 1934/35 kontinuierlich anstiegen. In den folgenden fünf Jahren sanken sie erheblich. Und auch "das Fahrzeug ist ... wahrscheinlich schon Ende 1938 oder Anfang 1939 veräußert worden, weil damals alle jüdischen Mitbürger zur Abgabe ihrer Führerscheine und Kraftfahrzeug-Zulassungspapiere verpflichtet waren, also ein Fahrzeug nicht mehr betreiben durften". Im Februar 1941 wurde Bernhard Bender von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten aufgefordert, seine Vermögensverhältnisse offen zu legen. Er gab daraufhin an, über ein Bankguthaben zu verfügen.
Bernhard bewohnte mit seiner Frau Flora und seinen beiden Töchtern Marga und Edda spätestens seit 1930 eine gut eingerichtete 5 1/2-Zimmer-Wohnung im ersten Stock der Schanzenstraße 14. Um den Jahreswechsel 1938/1939 zogen Benders in eine 2 1/2 Zimmer-Wohnung am Neuen Pferdemarkt 17. Diesen Umzug vollzogen sie nach Angaben ihrer Tochter Edda Schestowitz nicht freiwillig und auch eine Freundin von Marga Riess erinnerte sich daran, dass die Eheleute "umquartiert wurden". In Eddas Auftrag schrieb der Bevollmächtigte Traut 1959: "Es ist ... nicht von der Hand zu weisen, dass die Geschädigten bei ihrem zwangsweisen Umzug von der Schanzenstraße 14 nach dem Neuen Pferdemarkt 17 einige Möbelstücke weit unter Preis verkaufen mussten." Der Hausrat der Benders war auch nach dem Umzug noch wertvoll. So wurden für die nach der Deportation am Neuen Pferdemarkt zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände in den 1950er Jahren 3000,– DM erstattet.
Die jüngere Tochter Edda heiratete 1922 Fritz Schestowitz und zog nach Wendelsheim im heutigen Rheinland-Pfalz. Nachdem ihr Mann 1936 aus Gestapo-Haft entlassen wurde, emigrierte das Paar mit seinen beiden Söhnen nach Palästina. Damit verlor Edda den Kontakt zu ihrer Familie. In ihrem Antrag auf Wiedergutmachung schrieb ihr Anwalt, sie "hatte gar keine Gelegenheit mehr, von ihren Eltern und ihrer Schwester Abschied zu nehmen. Wegen der zunehmenden nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen war es ihr nicht möglich, von Israel bzw. Palästina aus mit ihren Eltern in Briefverkehr zu treten."
Marga besuchte – wie ihre Schwester – die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße. Sie heiratete Wolf Leib (Willi) Engländer, den Inhaber der Firma Engländer & Hinsel, ein Spielwaren- und Bijouteriewarengeschäft (Bijouterie frz. für Schmuck). Mit ihm bekam sie im November 1921 eine Tochter, Ruth Helene. Die junge Familie lebte in der Schanzenstraße bei Benders. Die Ehe wurde geschieden. In zweiter Ehe heiratete Marga im Oktober 1937 einen Christen, Paul Ries. Sie zog zu ihm nach Berlin in die Landsbergerstraße. Ruth Helene blieb bei den Großeltern und besuchte die Töchterschule in der Karolinenstraße bis zur 8. Klasse. Auch die zweite Ehe Margas wurde geschieden. Spätestens seit August 1938 wohnte sie wieder bei den Eltern am Neuen Pferdemarkt 17. Zwischen Oktober 1940 und September 1941 war sie erwerbstätig und entrichtete Kultussteuern. Ihre Tochter Ruth hatte kein eigenes Einkommen. 1941 besuchte sie eine Haushaltsschule.
Als Marga den Deportationsbefehl erhielt, meldeten sich ihre Eltern freiwillig für denselben Transport nach Lodz. Bis zu ihrer Ermordung einige Monate nach ihrer Ankunft wohnte die Familie in der Rauchgasse 25, Wohnung 17, zusammen mit neun anderen Personen – unter ihnen die Lehrerin Henriette Arndt aus der Semperstraße 67 in Winterhude – in einem Zimmer mit einer Küche.
Während Flora sich um den Haushalt kümmerte, arbeitete Bernhard als Schächter. Marga war Schneiderin und ihre Tochter Ruth wurde "Modeschöpferin". Im Getto von Lodz wurde neben vielen anderen Dingen auch Bekleidung für den Verkauf "im Reich" zum Beispiel bei Neckermann oder im Alsterhaus produziert. Andrea Löw schreibt in ihrer Studie über Lodz, "dass die Menschen im Getto, die doch von der Außenwelt abgeschnitten waren und damit neueste Tendenzen überhaupt nicht registrieren konnten, Mode für deutsche Frauen herstellten, die Abnehmer fand."
In der Chronik des Gettos von Lodz findet sich für den 3. Juni 1942 ein Eintrag mit der Überschrift "Nach Warschau". Dort wird berichtet, dass am Nachmittag 160 bzw. 187 Bewohner mit zwei Lastwagen nach Warschau abgefahren seien. Dieser Transport ist der einzige, der für diesen Tag dokumentiert wurde. So ist es sehr wahrscheinlich, dass Flora und Bernhard Bender, Marga Riess und Ruth Engländer, die am 3. Juni starben, mit diesen LKWs aus dem Getto fuhren.
© Christiane Jungblut
Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; ITS/ARCH/Ghetto Litzmannstadt, Ordner 9, Seite 1061; ITS/ARCH/Ghetto Litzmannstadt, Ordner 6, Seite 58, 59; AB 1938, T. 1; StaH 314-15, OFP, R 1941/24; StaH 314-15, OFP, Abl. 1998/1, B735; StaH 332-8 Meldewesen A51/1, K 2514; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 120701 Schestowitz, Edda; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 240593 Engländer, Wolf Leib; StaH 362-6/10 Talmud-Tora-Schule, TT 22; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 390 Wählerliste 1930; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 1 Band 1; Löw, Juden, 2006, S. 315; Feuchert/Leibfried/Riecke (Hrsg.), Chronik, 1942, 2007, S. 264; Sparr, Stolpersteine, 2008, S. 33.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.
Hier abweichend:
(2) Bundesarchiv Berlin, R 1509 Reichssippenamt, Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17. Mai 1939