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Werner Otto Stern * 1899

Elbchaussee 158 (Altona, Othmarschen)


HIER WOHNTE
WERNER OTTO STERN
JG. 1899
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT BENDORF-SAYN
DEPORTIERT 1942
TRANSIT-GHETTO IZBICA
ERMORDET

Werner Otto Stern, geb. 5.9.1899 in Berlin, lebte viele Jahre in Hamburg, aufgenommen in der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Bendorf-Sayn am 30.10.1940, deportiert am 15.6.1942 in den Osten von Polen, ermordet

Elbchaussee 158 (Othmarschen)

Werner Otto Stern war am 5. September 1899 in Berlin geboren worden. Die Eltern, beide gebürtige Hamburger, entstammten jüdischen Familien. Der Vater, Bankdirektor Julius Stern, war am 26. Juli 1858, die Mutter Malgonia, geborene Karpeles, war am 13. September 1869 zur Welt gekommen. Das Paar hatte am 6. Juni 1889 in Hamburg geheiratet und sich sogleich in Berlin niedergelassen, wo Julius Stern bereits vorher gewohnt hatte.

Über Kindheit und Jugend von Werner Otto Stern ist uns nichts bekannt.

Die Familie Karpeles war durch enge verwandtschaftliche Beziehungen mit der für Hamburgs Wirtschaft bedeutsamen Familie Blumenfeld verbunden. Malgonia Sterns Schwester Helena Karpeles hatte 1877 den jüdischen Hamburger Großkaufmann Bernhard (Baruch) Blumenfeld geheiratet. Die Familie Blumenfeld gewann nicht zuletzt durch die geschäftlichen Erfolge sowohl des Großhandelskaufmanns und Reeders wie seiner Nachkommen Ansehen und gesellschaftlichen Einfluss (zu Familie Blumenfeld siehe Martha Blumenfeld in www.stolpersteine-hamburg.de).

Werner Otto Sterns Vater Julius war am 23. März 1914 im Alter von nur 55 Jahren gestorben. Über die Lebensgeschichte seiner Mutter, die ihren Ehemann wahrscheinlich überlebte, ist nichts Weiteres bekannt.

Möglicherweise aufgrund der verwandtschaftlichen Zusammenhänge und sich daraus ergebenden beruflichen Möglichkeiten zog Werner Otto Stern in den 1920er Jahren aus Berlin nach Hamburg. Seit April 1926 wurde er von der Jüdischen Gemeinde zu Kultussteuern veranlagt. Zuschriften der Jüdischen Gemeinde an ihn sollten an die Unternehmensadresse von Ernst Bernhard Blumenfeld, einem Sohn des Firmengründers Bernhard (Baruch) Blumenfeld, in der Fischertwiete 1 (Chilehaus) geschickt werden.

Werner Otto Stern wohnte bis 1937/1938 in einem Wohnhaus in der Ohnhorststraße 39, damals Klein Flottbek, heute Osdorf, das Ebba Blumenfeld gehörte. Sie war die aus Dänemark stammende nichtjüdische Witwe von Ernst Bernhard Blumenfeld, der 1927 verstorbenen war. Ebba Blumenfeld wohnte selbst in ihrem Haus in der Elbchaussee 158 in Othmarschen.

In den 1930er Jahren wurde Werner Otto Stern wegen einer "Geisteskrankheit", über die Näheres nicht bekannt ist, entmündigt. Ebba Blumenfeld übernahm die Vormundschaft. Bei ihr in der Elbchaussee 158 wohnte Werner Otto Stern fortan.

Wir wissen nicht, wie sich seine Krankheit entwickelte. Anders als viele andere Hamburger Psychiatriepatienten scheint er weder in der Psychiatrischen Universitätsklinik Friedrichsberg noch in der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn gewesen zu sein. Jedenfalls lässt sich seine Anwesenheit in den Registern dieser Anstalten nicht nachweisen.
Wahrscheinlich wechselte er 1940 von der Elbchaussee 158 direkt in die Jacoby’sche Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn nahe Koblenz. Das Polizeiamt Bendorf/Sayn registrierte seine Anmeldung unter dem 30. Oktober 1940.

Werner Otto Sterns "Verlegung" nach Bendorf-Sayn nahm eine kurz darauffolgende generelle Anweisung des NS-Staates vorweg, nach der jüdische Geisteskranke "nur noch in die von der Reichsvereinigung der Juden unterhaltene Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn, Kreis Koblenz, aufgenommen werden dürfen".

Die 1869/70 entstandene Jacoby’schen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn hatte neben wohlhabenden jüdischen Privatpatientinnen und -patienten auch von der Fürsorge unterhaltene jüdische Kranke aufgenommen. Für viele Menschen jüdischer Herkunft mit geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung stellte sie nach 1933 einen Zufluchtsort dar, besonders dann, wenn sich ihre emigrierten oder deportierten Familien nicht mehr um sie kümmern konnten.

Die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner der Jacoby’schen Anstalt wurden 1942 in mindestens vier Transporten nach Osten deportiert. Werner Otto Stern wurde dem Eisenbahn-Transport DA 22 zugeordnet, der aus fünfzehn Personenwagen und neun Güterwagen bestand. Die Güterwagen wurden am 14. Juni 1942 mit etwa 250 Patienten sowie mit 80 Krankenschwestern und Ärzten aus der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn beladen. Der Transport fuhr am 15. Juni 1942 frühmorgens von Koblenz-Luetzel ab. Bei Zwischenstopps u.a. in Köln, Aachen und Düsseldorf kamen weitere über 600 Jüdinnen und Juden hinzu. Insgesamt wird von 1003 Zuginsassinnen und -insassen berichtet. Als Transportziel war das im Raum Lublin im Osten Polens gelegene Izbica bestimmt. Die Fahrt soll jedoch in Lublin auf einem Nebengleis geendet haben. Nach einer "Selektion" wurden 100 Männer in das am Rande von Lublin gelegene Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek gebracht. Anschließend wurde der Zug wahrscheinlich direkt zum Vernichtungslager Sobibor geleitet.

Das 65 km von Lublin entfernt gelegene Izbica war ein typisches "Schtetl", in dem vor Kriegsbeginn etwa 3600 jüdische und etwa 200 christliche Polinnen und Polen lebten. Dorthin und nach anderen Kleinstädten und Dörfern im Raume Lublin deportierten die Deutschen polnische Juden aus westlichen polnischen Gebieten, die von Deutschland annektiert werden sollten. Als im Vorfeld der "Endlösung" weitere deutsche und europäische Jüdinnen und Juden in den Osten Polens verschleppt wurden, bekamen diese Orte zunehmend die Funktion von Transitlagern. Izbica war einer der "Hauptumschlagsorte" für die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka.

Werner Otto Sterns Schicksal nach dem Abtransport von Koblenz liegt im Dunkeln. Im Gedenkbuch des Bundesarchivs "Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945" wird der Abtransport ab Koblenz am 15. Juni 1942 mit dem Zielort "Sobibor, Vernichtungslager" angegeben. Wahrscheinlich aufgrund des anfänglich geplanten aber nicht erreichten Ziels des Transports DA 22 hat sich die wahrscheinlich unrichtige Zielangabe Izbica verfestigt, zumal auch ein Transport aus Izbica nach Sobibor bekannt ist. Jedenfalls ist nicht bekannt, wann und wo genau Werner Otto Stern zu Tode gekommen ist. Aber es kann sicher angenommen werden, dass er ermordet wurde.

Er wurde auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Stand: April 2025
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg und Altona (diverse Jahrgänge); StaH 314-15 Oberfinanzpräsident (Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle) Nr. R1939_2558 (Werner Otto Stern), 332-5 Standesämter 8484 Heiratsregister Nr. 162/1877 (Bernhard Blumenfeld/Helena Karpeles), 351-11 Wiedergutmachung Nr. 28808, (Werner Otto Stern) darin Verweis auf Todeserklärung des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 24.11.1949, Az.: 6 VI 90/50), 522-01 Jüdische Gemeinden b_55113 (Kultussteuerkarteikarte Werner Otto Stern); Standesamt Berlin Geburtsregister Nr. 2159/1899 (Werner Otto Stern), Berlin I, II Sterberegister Nr. 184/1914 (Julius Stern); Landeshauptarchiv Koblenz Best. Nr. 512,01 Aufnahmebuch Nr. 17900 Gesundheitsamt Koblenz; Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs "Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945" (Stern, Werner O.) (Zugriff am 23.3.2025); RdErl. d. RMdI. V. 12.12.1940 – IVg 7123/40-1506 "Aufnahme jüdischer Geisteskranker in Heil- und Pflegeanstalten" (Auszug). Alfred Gottwaldt/Diana Schulle, Die ‚Judendeportationen‘ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005, S. 217 ff. Steffen Hänschen, Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust, Berlin 2018, S. 237 ff. Franz-Josef Heyen zus. mit Editha Bucher, Dokumente des Gedenkens – Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 bis 1945, Koblenz 1974, S. 274 ff. Robert Kuwalek, Das Vernichtungslager Bełżec, Berlin 2013. Dietrich Schabow, Die Heil und Pflegeanstalten für Nerven- und Gemütskranke in Bendorf, Bendorf-Sayn 2008, S. 79 ff. Elmar Schwinger, Von Kitzingen nach Izbica, Aufstieg und Katastrophe der mainfränkischen Israelitischen Kultusgemeinde Kitzingen, Kitzingen 2009, S. 475 ff. Ingo Wille, Transport in den Tod – Von Hamburg-Langenhorn in die Tötungsanstalt Brandenburg, Berlin 2017, S. 41 ff.

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