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Porträt Nechemiah (Norbert) Weissmann
Nechemiah (Norbert) Weissmann
© Privat

Familie Weissmann, obere Reihe von links: Morris, Sheindel, Willi, Simon,
untere Reihe von links: Max, Norbert “Nehemia“, Lilli, Elli, Ani und Oscar.
Familie Weissmann, obere Reihe von links: Morris, Sheindel, Willi, Simon, untere Reihe von links: Max, Norbert "Nehemia", Lilli, Elli, Ani und Oscar.
© Privatbesitz

Nechemiah Norbert Weissmann * 1882

Wohlers Allee 38 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
NECHEMIAH NORBERT
WEISSMANN
JG. 1882
"POLENAKTION" 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
DEPORTIERT
TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Wohlers Allee 38:
Adolf Uscher Friedmann, Berta Brandla Friedmann, Hanna Toni Friedmann, Berta Ruth Friedmann, Siegbert Friedmann, Golda Friedmann, Mirjam Friedmann, Szyja Schullerer, Taube Toni Schullerer, David Schullerer, Scheindel Sabina Weissmann

Nechemiah Norbert Weissmann, geb. 1881 oder 1882 in Bukaczowce (Galizien, heute Ukraine), ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbaszyn/Bentschen, Polen, ermordet im besetzten Polen

Scheindel Sabina Weissmann, geb. Heller, geb. 25.3.1889 in Maliboczic (Zbora, Galizien, heute Ukraine), ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbaszyn/Bentschen, Polen, ermordet im besetzten Polen

Wohlers Allee 38 (Altona-Altstadt) (früher Wohlersallee)

Die Weissmanns waren eine große orthodox- jüdische Familie, die in der damals noch selbstständigen Stadt Altona lebte. Die älteste Tochter erinnerte sich später an ein glückliches Zuhause voll von Liebe. Es sei voll von Kindern, Verwandten, Gästen, Nachbarn, Musik, Lachen, Geben, Lernen, Büchern, Schallplatten und Essen gewesen. Das Leben habe sich um die Schule, die Synagoge und das Zuhause gedreht.

Der Vater Nechemiah Weissmann kam in Bukaczowce (Galizien, heute Westukraine) zur Welt. In Deutschland nannte er sich Norbert. Sein Vorname und sein Geburtsdatum werden in den verschiedenen Quellen unterschiedlich angegeben. Es finden sich neben Nechemiah die Varianten Nechemje und Nechemias. Als Geburtsdaten finden sich auf der Einwohnermeldekarteikarte eingeklammert der 25. Dezember 1881 und der 10. März 1881. Auch auf der Steuerkarteikarte der Jüdischen Gemeinde in Hamburg wurde zunächst der 25. Dezember 1881 erfasst, dann aber durch den 10. März 1881 ersetzt.

Nechemiah Weissmann war verheiratet mit Scheindel, geborene Heller. Für ihren Vornamen finden sich auch die Schreibweisen Shendel, Shaindel, Szejucia und Szajndla. Sie nannte sich in Deutschland Sabina/Charlotte und wurde entweder am 10. März 1888 oder am 25. März 1889 in Maliboczic (Zbora, Galizien, heute Ukraine) geboren.

Der älteste Sohn, Simche Salomon Weissmann, der in Deutschland Simon hieß, war am 28. Juli 1909 in Zbora geboren worden. Er gab im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg an, dass sein Vater während des Ersten Weltkriegs Soldat gewesen und 1915 als Kriegsinvalide entlassen worden sei. Die Familie zog daraufhin nach Altona in das damalige Preußen. Auch die Söhne Moritz, geboren am 6. August 1911 (oder 12. August 1911) in Pawelcze (Galizien) und Wolf Willi, geboren am 26. Mai 1913 (oder 25. Mai 1913) in Bukaczowce reisten mit ins Deutsche Reich ein.

Die Familie Weissmann wohnte viele Jahre zunächst in der Stiftstraße 18 (heute Mistralstraße) und dann am Paulsenplatz 9 in Altona-Altstadt. In Altona wurden vier weitere Kinder geboren: Lilli (Lilly), geboren am 18. August 1918, Oskar, geboren am 30. Juni 1920, Anna Chana, genannt Anni, geboren am 5. Oktober 1923 und Sara Klara, genannt Elly (auch Elka, Elli), geboren am 25. Januar 1925. Markus-Heini, genannt auch Max oder Moccu, kam am 16. August 1921 in Haffkrug an der Ostsee zur Welt. Nechemiah und Scheindel Weissmann hatten insgesamt acht Kinder.

Nechemiah Weissmann war Mitglied der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde zu Altona. Nur wenige Gehminuten von seiner Wohnung entfernt lagen in der Adolphstraße 69 (heute Bernstorffstraße) die 1920 gegründete Synagoge der ostjüdischen Vereinigung Adas Jisroel und in der Wohlersallee 62 (heute Wohlers Allee) ab 1934 die Synagoge des ostjüdischen Vereins Ahawat Thora. Das Grundstück Wohlersallee 62 gehörte schon seit 1928 dem Israelitischen Bethaus e.V.

Nechemiah Weissmann handelte mit Herrengarderobe. Das Geschäft muss sich sehr gut entwickelt haben, denn bereits im Adressbuch von 1922 findet man seinen Namen als Eigentümer bzw. als Miteigentümer der Gebäude in der Adolphstraße 152. Ab etwa 1931 produzierte er dort im Hinterhaus 2 Herrenkleidung.

Die schulpflichtigen Söhne besuchten die Talmud Tora Schule im Grindelviertel in Hamburg, die Töchter die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße 35 im Hamburger Stadtteil St. Pauli (heute Karolinenstraße). Dort wurde Anna Chana (Anni) Weissmann bis 1938 u.a. von Rosa (Rose) Gradenwitz unterrichtet (s. Biographie von Bertha Vera Gradenwitz www.stolpersteine-hamburg.de), die wie Anna Chana aus Deutschland fliehen musste.

Nachdem sie kurz in der Stresemannstraße 54 gewohnt hatte, ließ sich die Familie etwa 1932 in der benachbarten Wohlersallee 38 nieder. In dem Wohnhaus lebten auch die Familien des Kaufmanns und Hausbesitzers Adolf Uscher Friedmann (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), des Kaufmanns Osias Schullerer (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) und des Weißmetallgroßhändlers Mendel Schillaj sowie Max Rappaport und seine Frau (siehe Biographie Leib Rappaport www.stolpersteine-hamburg.de).

Nach der Machtübergabe an Adolf Hitler im Januar 1933 sanken die Einnahmen von Nechemiah Weissmann rapide. Infolge des anhaltenden Boykotts durch Lieferanten und Kunden ging der Umsatz stark zurück. Nechemiah Weissmann sah für sich und seine Familie keine Zukunft mehr in Deutschland und wollte auswandern. Im Jahr 1935 bereiste er informationshalber Palästina. Er wollte in Bnei-Brak, heute ein Stadtteil von Tel Aviv, eine landwirtschaftliche Siedlung mit Viehzucht betreiben. Er stellte fest, dass das Leben dort hart war, hoffte dennoch auf ein "Visum für Kapitalisten", damit die Familie ihr gesamtes Geld legal transferieren konnte. Vermögenden Emigranten aus Deutschland erteilte das British Passport Office unter gewissen Bedingungen ein sog. "Kapitalistenzertifikat", mit dem sie einreisen konnten.

Obwohl Nechemiah Weissmann im Oktober 1935 die Überweisung von 1.000 palästinensischen Pfund (etwa 12.500 RM) für ein "Kapitalistenzertifikat" und 15.000 RM auf ein Sonderkonto bei der Bank of Temple Society Ltd. genehmigt wurde, fand die Auswanderung nicht statt. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.

Am 28. Oktober 1938 wurden 17.000 Juden polnischer Herkunft im Rahmen der sogenannten Polenaktion aus dem Deutschen Reich nach Polen abgeschoben. Die polnische Regierung hatte zuvor damit gedroht, die Pässe der im Ausland lebenden Polen zu konfiszieren. Dadurch wären sie zu Staatenlosen geworden. Die NS-Regierung befürchtete, dass Tausende von "Ostjuden" dauerhaft auf deutschem Gebiet bleiben würden. Ohne Vorwarnung und ohne Ansehen der Person wurden Männer, Frauen und Kinder von ihren Arbeitsplätzen oder aus ihren Wohnungen im gesamten Deutschen Reich abgeholt, an verschiedenen Orten zusammengetrieben und noch am selben Tag mit der Eisenbahn über die polnische Grenze bei Zbaszyn (Bentschen), Chojnice (Konitz) in Pommern und Bytom in Oberschlesien deportiert. Die Kosten der Aktion sollten aus dem Reichshaushalt getragen werden, "soweit sie nicht [...] bei den deportierten Ausländern erhoben werden können".

Aus Hamburg, zu dem seit 1. Januar 1938 auch Altona gehörte, wurden etwa tausend Menschen zwangsweise nach Neu Bentschen (heute Zbąszynek) gebracht und von dort mit Gewalt über die polnische Grenze nach Zbaszyn (Bentschen) getrieben. Zu ihnen gehörten allein aus der Wohlersallee 38 das Ehepaar Weissman, die Familie von Adolf Uscher Friedmann mit sieben Personen und die Familie von Szyja Osias Schullerer mit sechs Personen. Adolf Uscher Friedmanns Bruder Martin und seine Familie, die in der Wohlersallee 62 wohnten, waren mit sechs Personen betroffen (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Auch Nechemiah und Scheindel Weissmann wurden am 28. Oktober 1938 in der Nacht aus ihren Betten gerissen und in eine Polizeistation mitgenommen. Die Gestapo fragte, ob sich noch jemand über 18 Jahre im Haus befände. Die Erwachsenen verneinten. Es war ein Wunder, dass die Gestapo nicht in die Wohnung ging, um nachzusehen. Sie hätten sonst die 19 Jahre alte Lilly entdeckt und auch abgeführt. Auch Sara Klara (Elli, Elly) und Anna Chana (Anni), die beiden jüngeren Schwestern waren in der Wohnung. Die Gestapo erkundigte sich aber nicht nach Kindern, wahrscheinlich weil sie annahm, dass sie ihren Eltern zum Bahnhof folgen würden. Die drei Mädchen hatten von den Eltern die Anweisung bekommen, sich in der Wohnung versteckt zu halten.

Nechemiah und Scheindel Weissmann konnten ihrem deutsch-dänischen Freund Hans Nielsen, Hamburg-Altona, Flottbeker Chaussee 54 (heute Elbchaussee), dem sie offenbar vertrauten, kurz vor der Abschiebung eine notarielle Vollmacht für die Verwaltung ihres Vermögens übergeben. Sie baten ihn, sich um ihre in Altona verbliebenen Töchter Lilly, Anna Chana (Anni) und Sara Klara (Elli, Elly) zu kümmern, bis diese nach New York ausreisen würden. Die Vollmacht umfasste auch die Verfügung über das Grundstück Adolfstraße 152.

Lilli (Lilly), die älteste der drei Töchter, ging, nachdem ihre Eltern abtransportiert worden waren, in das amerikanische Konsulat in Hamburg. Der Erzählung nach rannte sie einen Korridor entlang, vorbei an den Sicherheitskräften und öffnete eine Tür. Wie durch ein Wunder habe in dem Zimmer ein Beamter gesessen, der ihr habe helfen können. Sie trug dem Konsularbeamten vor, dass sie mit ihren beiden kleinen Schwestern, die im frühen Teenageralter seien, nach Amerika ausreisen müsse und dafür Visa benötige. Tatsächlich willigte der Beamte ein, ihr zu helfen.

Lilli (Lilly) sowie ihre Schwestern Sara Klara (Elli, Elly) und Anna Chana (Anni) verließen Hamburg am 14. Dezember 1938 an Bord eines Schiffes in Richtung New York. Der Bevollmächtigte Hans Nielsen verabschiedete sich heimlich auf dem Schiff und befand sich dann in der Menge auf dem Kai, als das Schiff ablegte.

Nechemiah Weissmanns Herrenbekleidungsgeschäft wurde in dessen Abwesenheit im November 1938 geschlossen. Der Rechtsanwalt und Notar Erwin Zabel teilte dem Finanzamt Hamburg-Altona am 11. November 1938 mit, dass "der Kaufmann Norbert Weissmann und seine Ehefrau Sabina Scheindel Weissmann, geb. Heller ihr in Hamburg-Altona, Adolfstraße 152 gelegenes Grundstück [...] zu meinen Akten am 9. November 1938 verkauft haben [...]". Der Käufer war der Radiohändler Walter Kargel in Eimsbüttel, Gärtnerstraße 109.

Nach ihrer Abschiebung wurden Nechemiah und Scheindel Sabina Weissmann als Devisenausländer behandelt, d.h. die Einkünfte aus der Immobilie Adolfstraße 152 wurden auf ein Sperrkonto gebucht und ihrer Verfügung entzogen. Das verbleibende Vermögen wurde mit rund 4700 RM ermittelt und wegen angeblicher Steuerhinterziehung um 2000 RM gekürzt.

Hans Nielsen hatte offenbar auch nach der Abschiebung noch Postkontakt mit Nechemia und Scheindel Weissmann. In den Akten aus dieser Zeit findet sich von offizieller Seite die folgende Adresse: Zbaszyn, Ul. Por. Zwirki 1. Im Laufe des Jahres 1939 kam das Ehepaar nach Stoczek-Lukowski (Woiwodschaft Lublin, Powiat [Kreis] Lukow). Die Lebensbedingungen von Nechemiah und Scheindel Weissmann müssen miserabel gewesen sein. Hans Nielsen durfte mehrmals 50 RM aus seinem Vermögen an das Ehepaar Weissmann nach Stoczek Lukowski überweisen, zuletzt dann monatlich bis zum 31. Juli 1941. Wir wissen nicht, wie und wann Nechemia und Scheindel Weissmann nach Stoczek Lukowski in den Kreis Lukow, Verwaltungsbezirk Lublin, gekommen waren und wie lange sie dortblieben. Nach der letzten Zahlung kam von keinem der beiden mehr ein Lebenszeichen.

Möglicherweise lässt sich ihr Schicksal durch die folgenden Fakten erklären:
Zwei Drittel der Einwohner von Stoczek Lukowski waren in der Zwischenkriegszeit Juden (etwa 2000) gewesen. Die deutsche Wehrmacht besetzte das Dorf Mitte September 1939, beschlagnahmte den größten Teil des jüdischen Eigentums und richtete ein offenes Getto ein. Im Winter 1940/41 brach eine Typhusepidemie aus, an der viele Bewohner starben. Ende August 1942 deportierten deutsche und polnische Polizisten die meisten Juden aus Stoczek Lukowski in das etwa 30 km westlich gelegene Getto Parysow. Etwa hundert Menschen wurden bereits auf dem Weg dorthin ermordet. Nur wenige Menschen, die als arbeitsfähig galten, blieben in Stoczek Lukowski. Als die Bewohner des Gettos Parysow am 27. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden, befanden sich auch die meisten Juden aus Stoczek Lukowski auf dem Transport.

Wir wissen nicht, wo und wie Nechemiah und Scheindel Weissmann umgekommen sind. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sie in Treblinka ermordet wurden, wenn sie nicht schon vorher ihr Leben verloren hatten. Davon gehen auch ihre Verwandten aus.

Alle Kinder von Nechemiah und Scheindel Weissmann überlebten den Holocaust. Die Söhne hatten Deutschland bereits vor der "Polenaktion" verlassen.

Der zweitälteste Sohn Moritz Weissmann emigrierte 1935. Er arbeitete von 1930 bis 1933 als Schneider im Unternehmen seines Vaters. Im April 1933 wurde er dort von SA-Leuten überfallen und so schwer misshandelt, dass er vier Wochen lang im Israelitischen Krankenhaus behandelt wurde und anschließend fünf Monate lang völlige Ruhe verordnet bekam. Nach der Abnahme des Gipsverbandes musste er weiterhin mit Massagen, Heißluft und Medikamenten behandelt werden. Moritz Weissmann arbeitete weiter für seinen Vater, bis er 1935 nach Palästina auswanderte. 1937 zog er in die USA, nannte sich nun Morris und erwarb die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1940 wurde er als untauglich für die US-Armee befunden. Von dem SA-Angriff erholte er sich nie ganz. Als er nach Amerika kam, verdiente er Geld mit dem Verkauf von Aufziehspielzeug vor einem Kaufhaus von S. Klein in New York. Außerdem arbeitete er 1939 auf der Weltausstellung in New York zusammen mit seinen Brüdern Oscar und Max als Kellner. Er verkaufte Herrenhemden und Krawatten in einem kleinen Laden in Manhattan und begann danach sein Immobiliengeschäft, durch das er mehrere Immobilien besaß. Er und seine Frau Blanche hatten drei Kinder, Neil, Gloria und Lisa.

Eingedenk der Erfahrungen seines Bruders flüchtete auch der älteste Sohn Simon (Simche Salomon) Weissmann aus Deutschland. Er hatte ab 1928 eine kaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend arbeitete er als Reisender für seinen Vater und stieg in dessen Unternehmen bis zum Geschäftsführer hoch. Im Dezember 1936 wurde er von der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) und der Gestapo so stark bedroht, dass er mit seiner Frau Sophie mit Hilfe von Fluchthelfern aus Deutschland nach Belgien floh. Der Preis für Fluchthelfer betrug damals 500 RM. In Belgien lebte das Paar illegal und untergetaucht. Sie erhielten Essen in Volksküchen, die von einer jüdischen Vereinigung betrieben wurden. Nach einigen Wochen mussten sie die Unterkunft verlassen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten. Im Mai 1940 flohen sie nach Frankreich, wo sie sich weiter illegal durchschlugen, bis ihnen im Oktober 1941 die Flucht nach Portugal gelang. Ende 1941 fanden sie eine Möglichkeit, in die USA zu reisen. Simon Weissmann erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaft, arbeitete als Lagerverwalter und trat am 1. Juli 1943 in die US-Armee ein. Er und Sophie bekamen ein Kind namens Julie.

Der 1913 geborene dritte Sohn Wolf Willi Weissmann änderte später seinen Namen in Zev Aryeh Ben Zion. Auch er arbeitete neben seinem Studium in der Familienfabrik, bis diese 1933 anlässlich des Boykotts gegen Juden vorübergehend auf Befehl der Nationalsozialisten geschlossen werden musste. Auch er wurde von der SA angegriffen und war in Gefahr, ins Gefängnis gebracht zu werden. Eines späten Abends im Mai 1933 verabschiedete sich die ganze Familie von Wolf Willi. Er reiste heimlich ab, und es gelang ihm, illegal nach Palästina zu kommen. Er half Morris, ein Haus in Bnei Brak zu bauen, wo sein Vater Land gekauft hatte. Er heiratete und bekam vier Kinder. Die Namen kennen wir nicht. Als Landwirt trug er zum Aufbau des Kibbuz Kinneret in der Nähe von Tiberias bei. Später ließ er sich in Ramat Aviv, einem Stadtbezirk von Tel Aviv, nieder. Er studierte ein Jahr lang in Frankreich an der Sorbonne. Wolf Willi war sehr engagiert in der israelischen Regierung und arbeitete an Reden für den israelischen Premierminister David Ben Gurion mit. Er war ein enger Freund von Premierministerin Golda Meir. Wolf war auch Bürgermeister von Tzvat, einer der vier Heiligen Städte im Judentum, Später gründete er ein ganzes System von Supermärkten überall in Israel.

Oskar (Oscar) Weissmann verließ Deutschland im Mai 1938. Er kam am 9. Juni 1938 in New York an und wurde amerikanischer Staatsbürger. Vom 1. Februar 1942 bis zum 1. Januar 1944 gehörte er als Soldat der US-Armee an. Oskar (Oscar) war verheiratet mit Sylvia, geborene Levine, einer gebürtigen Bostonerin, und hatte zwei Söhne, Norbert und Jonathan. Sein Unternehmen belieferte Geschenkeläden in Krankenhäusern. Er war auch in der Süßwarenbranche tätig. Er lebte in Webster, Massachusetts und wohnte gegenüber seiner Schwester Lilli (Lilly). Oskar (Oscar) Weissmann starb am 15. Juni 2005.

Markus-Heini (Max oder Moccu) Weissmann hatte von 1927 bis 1936 die Talmud-Tora-Schule in Hamburg-Eimsbüttel besucht. Sein Wunsch, Lehrer zu werden, blieb ihm als Jude verwehrt. Nach einer kurzen Lehrzeit bei Levy & Co. am Neuen Wall, die er im Zuge der Judenverfolgung aufgeben musste, arbeitete Markus-Heini Weissmann für einige Monate in der väterlichen Herrenbekleidungsfabrik. Der 16-Jährige verließ Hamburg im Frühsommer 1938. Er nähte Geld in seine Kleidung, damit die Nationalsozialisten nicht glaubten, dass er das Land verlassen wolle. Sein einziges Wertstück, eine Leica-Kamera, beschlagnahmte ein Nationalsozialist auf dem Weg zum Schiff. Marcus-Heini kam am 1. Juli 1938 in New York an und erhielt später die amerikanische Staatsbürgerschaft. Er heiratete Syma Sternberg und hatte mit ihr vier Kinder, Sharon, Nancy, David und Tamar. Er arbeitete 35 Jahre lang für Israel Bonds (Israelische Staatsanleihen) und war eng mit Eleanor Roosevelt befreundet. Max erinnerte sich, dass Eleanor ihm anvertraute: "Ich weiß, dass mein Mann mehr für die Juden hätte tun können." Sie unterstützte Max' Bemühungen um Israel Bonds und sprach bei seinen Veranstaltungen.

Die drei Töchter Weissmann ließen sich nach ihrer Ankunft in den USA zunächst in Brooklyn, New York, nieder.

Lilli (Lilly) heiratete im August 1939 den Rechtsanwalt Samuel Heller. Das Paar lebte in Webster, Massachusetts, wo sich beide in der jüdischen Gemeinde für wohltätige Zwecke einsetzten, vor allem für Israel. Sie hatten zwei Kinder: Norbert, geboren 1947, der im Alter von neun Jahren an Leukämie starb, und Sheri, geboren 1950. Nach dem Tod ihres Mannes Samuel im Jahr 1975 zog Lilly mit ihrer Tochter nach New York City und arbeitete für ihren Bruder Oskar (Oscar) im Geschenke-Großhandel. Später kümmerte sie sich bis zu ihrem 75. Lebensjahr um die geschäftlichen Angelegenheiten eines bekannten Schriftstellers. Im Alter von 75 Jahren zog sie nach Florida und lebte bei ihrer jüngsten Schwester Elly Doff. Lilly Heller starb im Alter von 83 Jahren am 29. Juli 2002.

Anna Chana (Anni) Weissmann nahm verschiedene Jobs an und half im Haushalt ihrer Verwandten, die ihr die Einreise in die USA ermöglicht hatten. Sie studierte Jura an der Columbia University. 1946 heiratete sie Eli Pommeranz und ging noch in demselben Jahr mit ihm nach Palästina. Dort bekam das Paar zwei Kinder, Sharona und Nechemiah. Es führte in Tel Aviv erfolgreich ein Schuhgeschäft namens Pommeranz Shoes mit mehreren Niederlassungen. Anna Chana (Anni) und Eli Pommeranz kamen in ihrer neuen Heimat an, bevor der Staat Israel offiziell ausgerufen wurde. Sowohl Eli Pommeranz als auch Anna Chana (Anni) ließen sich von der britischen Mandatsverwaltung offizielle Dokumente ausstellen, die sie als "Palästinenser" auswiesen. Anna Chana (Anni) stand immer in engem Kontakt mit der Familie; entweder kam jemand zu ihr nach Hause in Israel oder sie und ihre Familie besuchten die USA.

Die jüngste Schwester, Elly Weissmann, legte ihren High School Abschluss ab und studierte anschließend an der Columbia University und an der University of Connecticut, wo sie ihren zukünftigen Ehemann Bernard (Bernie) M. Doff, geboren 1923, kennenlernte. Die beiden heirateten 1945 in New York. Im Jahr 1952 begleitete Elly ihren Mann, der mit dem US-Militär in Deutschland stationiert war, nach Oberstdorf. Sie bezahlte ihre Reise dorthin selbst und unterrichtete russische Soldaten, die zur US-Armee gewechselt waren, in Englisch. Elly und Bernie Doff hatten drei Töchter, Susan, Debra und Melissa, und vier Enkelkinder, Jason, David, Lily und Aubrey. Elly widmete sich der Familie, der Bildung und dem Reisen um die Welt. Sie war Lehrerin an einer öffentlichen Schule, unterrichtete Hebräisch und war Synagogenleiterin. Sie verstarb mit 97 Jahren am 21. Juni 2021.

Das Grundstück der Eltern in Altona, Adolfstraße 152, (heute Bernstorffstraße) wurde 1952 im Vergleichswege an die Nachkommen von Nechemiah und Scheindel Weissmann zurückgegeben.

Stand: März 2023
© Mitglieder der Familie Weissmann und Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; StaH 213-13 Landgericht Hamburg-Wiedergutmachung 27897 Morris Weissmann, 4996 Norbert (Nechemie) Weissmann, 4997 Simon Weissmann, 314-15 Oberfinanzpräsident F 2387 Nechemja Weissmann, 351-11 Amt für Wiedergutmachung 35061 Simon Whiteman (fr. Weissmann), 44620 Max (fr. Marcus-Heini) Weissmann, 45934 Anna (Anni) Hanna Pomeranz, 47309 Clara (Elly, Elli) Doff. Alina Bothe, Gertrud Pickhan (Hrsg.); Ausgewiesen! Berlin, 28.10.1938, Die Geschichte der "Polenaktion", Berlin 2018. Marian Wojciechowski, Die deutsche Minderheit in Polen (1920-1939), in: Deutsche und Polen zwischen den Kriegen. Minderheitenstatus und "Volkstumskampf" im Grenzgebiet (1920-1939). Texte und Materialien zur Zeitgeschichte, Bd. 9/1. hrsg. von Rudolf Jaworski und Marian Wojciechowski, München u.a. 1997, S. 6 ff. Otto Dov Kulka/Eberhard Jäckel (Hrsg.), Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945, Düsseldorf 2004, S. 780. Ina Lorenz und Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Band II, S. 1096-1107, Göttingen 2016. Michael Studemund-Halévy, Im jüdischen Hamburg Ein Stadtführer von A bis Z, Hamburg 2011, S. 140f. Jerzey Tomaszewski, Auftakt zur Vernichtung, Warschau 1998, S. 15 ff. Die Yad Vashem Enzyklopädie der Ghettos während des Holocaust, Band II N-Z, Göttingen 2014, S. 582. Lilli Heller, geb. Weissmann, Unveröffentliche Erinnerungen an die Tage der "Polenaktion 1938", 5.11.1974
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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