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Albert von Appen * 1896

Unzerstraße 16 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
ALBERT VON APPEN
JG. 1896
IM WIDERSTAND / SPD
VERHAFTET 20.3.1935
SACHSENHAUSEN
1940 DACHAU
"VERLEGT" 18.2.1942
HARTHEIM
ERMORDET 18.2.1942

Albert Heinrich Friedrich von Appen, geb. am 31.12.1896, im Widerstand (SPD) verhaftet und inhaftiert in den KZs Sachsenhausen, Dachau, ermordet in der Tötungsanstalt Hartheim am 18.2.1942

Unzerstraße 16 (Altona-Altstadt)

Albert Heinrich Friedrich von Appen wurde als zweiter von drei Söhnen des Arbeiters Johann Friedrich Heinrich von Appen, geboren am 17.11.1867 und seiner Ehefrau Sophie Marie Amelie, geb. Dehn, am 31.12.1896 in der heute nicht mehr bestehenden Großen Johannisstraße 51 in der damals selbstständigen Stadt Altona geboren.

Der ältere Bruder, Heinrich Friedrich Wilhelm, war am 11.12.1894, der jüngere Bruder, Karl Wilhelm Hermann, am 5.1.1899 zur Welt gekommen. (Heinrich Friedrich Wilhelm starb wenige Monate nach seiner Geburt am 17. März 1895, Karl Wilhelm Hermann am 20. Januar 1943 im Allgemeinen Krankenhaus Altona.)

Albert von Appens Eltern bekannten sich zur protestantischen Konfession und ließen ihre Kinder evangelisch taufen.

Über Albert von Appens Kindheit und Schulzeit ist uns nichts bekannt. Er erlernte den Beruf des Drehers, eine qualifizierte Ausbildung.

Während des Ersten Weltkriegs war Albert von Appen vom 10. Oktober 1915 bis zum 22. Juni 1918 zum Militär eingezogen, wo und in welcher Funktion wissen wir nicht. Seit einer Verwundung, die er im Jahre 1916 erfuhr, litt Albert von Appen an einer linksseitigen Lähmung, die ihn während seines restlichen Lebens beeinträchtigte.

1915 trat er in die SPD ein und blieb Mitglied bis zu ihrem zwangsweisen Ende am 22. Juni 1933. 1924 fungierte er als Bezirksleiter für Bahrenfeld, Sülldorf, Steenkamp, Niendorf, Wedel und Altona.

Von 1924 bis 1927 gehörte Albert von Appen auch dem Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" an. Diese Selbstschutzorganisation diente während der Weimarer Republik der Abwehr gewalttätiger Aktivitäten rechtsextremer Verbände. Im Reichsbanner waren gegen Ende der Weimarer Republik etwa ein bis zwei Millionen Mitglieder vor allem aus SPD und Gewerkschaften versammelt. Die Organisation wurde im März 1933 von den Nationalsozialisten verboten.

Entgegen der Erwartung vieler Sozialdemokraten, die nach der Machtübergabe an Adolf Hitler am 30. Januar 1933, spätestens aber nach der Beschlussfassung des sog. Ermächtigungsgesetzes am 23. März 1933 einen kraftvollen und entschiedenen Widerstand der demokratischen Parteien und Organisationen gegen das nationalsozialistische Regime für notwendig hielten, hielt der SPD-Parteivorstand bei seiner Linie der Gesetzestreue zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen gegen die Partei und ihr nahestehende Organisationen fest. Noch auf der letzten Reichskonferenz am 26. April 1933, die anstelle eines Reichsparteitages abgehalten wurde, fand die Politik des Parteivorstandes, keinen Anstoß zu erregen, eine Mehrheit.

Trotz oder wegen der Enttäuschung vieler Sozialdemokraten über das defensive Verhalten der SPD-Führung bildeten sich sehr bald überall im Deutschen Reich, so auch in Hamburg und im benachbarten, damals noch selbstständigen Altona neben kommunistischen Widerstandsgruppen auch Gruppen von Sozialdemokraten, die den Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur in der Illegalität aufnehmen wollten. Ihnen schloss sich Albert von Appen an.

Aus der Anklageschrift gegen die Widerstandsgruppe, die in Altona und Umgebung aktiv war und der Albert von Appen angehörte, wissen wir, dass die Polizei seit dem Frühjahr 1934 dort "eine rege staatsfeindliche Betätigung früher der SPD und dem Reichsbanner ‚Schwarz-Rot-Gold‘ angehöriger Kreise feststellte". Der 1911 geborene Zimmergeselle Fritz Kessler war die zentrale Figur des Widerstandes in Altona. Die Gruppe ließ u.a. die Schulungsschriften "Sozialistische Aktion", "Rote Blätter", und die Prager Beschlüsse der Exil-SPD, die in einer Broschüre mit dem Tarnnamen "Die Kunst des Selbstrasierens" verborgen waren, unter vertrauenswürdigen Personen zirkulieren. Außerdem wurden geringe Geldbeträge für die Widerstandsarbeit und zur Unterstützung notleidender SPD-Genossen gesammelt.

Albert von Appen erklärte sich im Juli 1934 zu einer Mitarbeit in der illegalen Arbeit bereit, als Fritz Kessler ihn angesprochen hatte. Die Untergrundarbeit gestaltete sich laut Anklageschrift wie folgt: "Eine oder zwei Wochen später kam [Hermann] Evers zu von Appen und übergab ihm in einem Umschlag je drei Stücke der ‚Roten Blätter‘ und der ‚Sozialistischen Aktion‘ sowie 15 Wertmarken á 5 Stück zu 50 Reichspfennig und zehn Stück zu zehn Rpf. Evers erklärte, der Erlös sei zur Kostendeckung und für die politischen Gefangenen bestimmt, und vereinbarte mit von Appen einen Zeitpunkt für die Abrechnung. Von Appen verteilte die Schriften und die Marken an sechs seiner Bekannten namens Meyer, Novak, Baumhauer, Wegner, Haberlandt und Kielbasewicz; einige Marken im Gesamtwert von 70 Rpf. übernahm er selbst. Zwei Marken zu 50 Rpf. vernichtete er, zwei weitere im gleichen Wert gab er an Evers zurück. Von Meyer, Novak, Wegner und Haberlandt erhielt von Appen Beträge von 10-20 Rpf., insgesamt lieferte er an Evers etwa eine Reichsmark bis 1,50 Reichsmark ab."

Albert von Appen wurde am 3. Januar 1935 verhaftet, in "Schutzhaft" genommen und am 20. März 1935 in das Gerichtsgefängnis Altona in Untersuchungshaft überstellt.
Zuvor hatte er bis zu seiner Verhaftung bei seinen Eltern in der Christiansstraße 21 (die Straße existiert nicht mehr) in Altona gewohnt.

In zwei Hochverratsprozessen mit den Bezeichnungen "Kessler und Genossen" sowie "Imbeck und Genossen" wurden im Juli 1935 insgesamt 58 Personen, darunter zwei Frauen, angeklagt, "im Jahre 1934 in Altona und Umgebung gemeinschaftlich handelnd, das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern, vorbereitet zu haben, wobei die Tat darauf gerichtet war, zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhalt herzustellen oder aufrecht zu erhalten, und bei einigen Angeschuldigten auch darauf, durch Verbreiten von Schriften die Massen zu beeinflussen." Ein weiterer Vorwurf lautete, die Angeschuldigten, also auch Albert von Appen, hätten Vorbereitung zum Hochverrat begangen, in dem sie den Wiederaufbau der SPD betrieben hätten.

Am 26. November 1935 sprach das Kammergericht Berlin, das in Altona tagte, sein Urteil: Albert von Appen erhielt eine Zuchthausstraße von einem Jahr und sechs Monaten bei Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für zwei Jahre. Die Verurteilung von Appens und der anderen wurde in den Altonaer Nachrichten veröffentlicht.

Nach seiner Haftentlassung wurde Albert von Appen am 2. September 1939 erneut, dieses Mal jedoch ohne Angabe eines Verhaftungsgrundes in "Schutzhaft" genommen und in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingeliefert. Wenige Tage später, am 9. September, wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt.

Von Sachsenhausen erfolgte am 28. August 1940 eine Verlegung von 1000 Häftlingen in das Konzentrationslager Dachau. Unter ihnen war Albert von Appen. In Dachau wurde er unter der Häftlingsnummer 15664 geführt.

Mit dem Ziel der "Entlastung" der im Herrschaftsbereich der SS befindlichen Konzentrationslager von "kranken" und "nicht mehr arbeitsfähigen" Häftlingen begann im April 1941 die "Sonderbehandlung 14f13". Die Ziffern- und Buchstabenkombination setzte sich zusammen aus der Zahl "14" für den Inspekteur der Konzentrationslager, dem Buchstaben "f" für Todesfälle und der Zahl "13" für die Todesart, hier die Tötung durch Gas in Tötungsanstalten der T4-"Euthanasie"-Organisation. Ärztekommissionen, zusammengestellt aus Gutachtern der "Euthanasie"-Morde, selektierten aus den von den Lagerkommandanten vorausgesuchten Häftlingen diejenigen, die der "Sonderbehandlung", also der Ermordung, zugeführt werden sollten. Davon betroffen waren Häftlinge mit körperlichen unheilbaren Leiden oder Kriegsbeschädigungen sowie solche, die wegen Straftaten inhaftiert waren, außerdem als "Ballastexistenzen" bezeichnete und als nicht weiter nützlich einsetzbar angesehene Häftlinge.

Eine dieser Ärztekommissionen wies den linksseitig gelähmten Albert von Appen im Konzentrationslager Dachau denjenigen zu, die zum Sterben bestimmt waren. Er wurde am 18. Februar 1942 in die Tötungsanstalt "Schloss Hartheim" bei Linz überstellt und noch an demselben Tag mit Kohlenmonoxid ermordet. Als Todesursache wurde "Versagen von Herz und Kreislauf bei Ascites und Oedemen" angegeben.

Albert von Appens Leichnam wurde verbrannt und seine vermeintliche Asche am 23. Februar 1942 dem Friedhof Altona, Stadionstraße, übersandt. Die Urne wurde am 22. April 1942 im Grab UI.III.03.76 auf dem Hauptfriedhof Altona beigesetzt.
Nach dem Ende des Krieges wurden die sterblichen Überreste umgebettet. Sie befinden sich seitdem auf der Kriegsgräberstätte Altona, die auch als Ehrenfriedhof bekannt ist.

Da die letzte bekannte Wohnadresse Albert von Appens, Christiansstraße, nicht mehr existiert, erinnert ein Stolperstein an ihn in der nahegelegenen Unzerstraße 18.

Stand: April 2022
© Bärbel Klein

Quellen: StaH 213-8_976 monatliche Verzeichnisse der entstandenen Schutzhaftkosten; Geburtsurkunde 332-5_3742/1894; Geburtsurkunde 332-5_644/1895; Geburtsurkunde 332-5_57/1897; Geburtsurkunde 332-5_145/1899; Heiratsurkunde 332-5_1183/1927; Sterbeurkunde 332-5_495/1942; 741-4_K 4376; 741-4_K 4360; 741-4_K 4175; BBA R 3018/ NJ 4195; BBA R 3018 NJ 902; Nachweis Sachsenhausen D 1 A/1024, Bl. 272,273; Copy of 1.1.38.1 [4076783], ITS Digital Archive Bad Arolsen; Copy of 1.1.38.1 [4076723] ITS Digital Archive Bad Arolsen; Copy of 1.1.6.2 [9963690] 7105; ITS Digital Archive Bad Arolsen Einsicht 7.3.2017, www.ancestry.de; Hauptfriedhof Altona UI.II.03.76; Ehrenfriedhof 30.XVI.10.355b; FZH die Signatur: 833-8, SPD 1933-1945, Prozesse II. (Einsicht 26.4.2020). Karl Ditt, Sozialdemokraten im Widerstand, Hamburg 1984, S. 51. Astrid Ley, Vom Krankenmord zum Genozid, Die "Aktion 14f13" in den Konzentrationslagern, in Dachauer Hefte 25, s. 36 ff.

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