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Wolf Zloczower * 1881
Stresemannstraße 71 (Altona, Sternschanze)
HIER WOHNTE
WOLF ZLOCZOWER
JG. 1881
DEPORTIERT 1941
LODZ
1942 WEITERDEPORTIERT
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Stresemannstraße 71:
Ettel Zloczower, Paulina Zloczower, Emanuel Zloczower, Thea Zloczower
Emanuel Zloczower, geb. am 12.9.1918, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 20.4.1942 weiterdeportiert, ermordet
Ettel Zloczower, geb. Poppel, geb. am 20.4.1888, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 20.4.1942 weiterdeportiert, ermordet
Paula Zloczower, geb. am 29.6.1916, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 20.4.1942 weiterdeportiert, ermordet
Thea Zloczower, geb. am 24.9.1924, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 20.4.1942 weiterdeportiert, ermordet
Wolf Zloczower, geb. am 17.10.1881, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 20.4.1942 weiterdeportiert, ermordet
Stresemannstraße 71 (General-Litzmann-Straße)
Das aus Rumänien nach Altona eingewanderte jüdische Ehepaar Zloczower geriet während der nationalsozialistischen Verfolgung mit seinen sieben Kindern in soziale Not. Die jugendlichen und erwachsenen Kinder kämpften darum, auswandern zu können. Jakob, Ferdinand und Josefine Zloczower gelang die Flucht. Die Eltern Wolf und Ettel Zloczower wurden 1941 zusammen mit ihren Kindern Paula, Emanuel, Thea und Rosa Bähr, geb. Zloczower, nach Lodz deportiert.
Wolf Zloczower wurde am 17. Oktober 1881 in der Gemeinde Millie im Bezirk Wiznitz im Herzogtum Bukowina geboren, das nach dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien kam und heute in der Ukraine liegt. Seine Frau Ettel, geb. Poppel, geboren am 20. April 1888, stammte aus Sadagora, einer Siedlung bei Czernowitz im Herzogtum Bukowina. Das jüdische Ehepaar lebte in Jadagina in Rumänien, wo die beiden ersten Töchter geboren wurden: am 20. März 1910 Josefine und am 20. Mai 1911 Rosa.
Um 1912 wanderten die Eheleute Zloczower mit den beiden Kleinkindern nach Deutschland aus und ließen sich in Altona nieder. Nach der Volkszählung von 1925 war mehr als die Hälfte der Altonaer Juden und Jüdinnen auf der Flucht vor dem sich verschärfenden Antisemitismus aus dem östlichen Europa eingewandert. Zloczowers besaßen keine deutsche Staatsbürgerschaft, sie galten als "staatenlos". Zwischen 1912 und 1924 bekam das Ehepaar sechs weitere Kinder: Am 8. November 1912 kam Jakob zur Welt, es folgten Pauline, genannt Paula, am 29. Juni 1916, Emanuel laut Kultussteuerkarte am 12. September 1918, Ferdinand am 9. Dezember 1920, David am 14. Juni 1922 – er starb offenbar im Kindesalter – und Thea am 24. September 1924.
Seit 1921 bewohnte Familie Zloczower eine Dreizimmerwohnung im Erdgeschoss der Juliusstraße 35, in unmittelbarer Nähe zur belebten Geschäftsstraße Schulterblatt, die die Grenze zwischen Hamburg und Altona markierte.
Wolf Zloczower meldete 1929 ein Textilgewerbe an. Als selbstständiger Händler betrieb er zwei "Abzahlungsgeschäfte" in Altona und Flensburg, d. h. er vergab Waren auf Kredit, die Kunden beglichen die Rechnungen in Ratenzahlungen. Ab 1930 brachen die Geschäfte ein, offenbar einerseits bedingt durch die Wirtschaftskrise, zum Anderen führte der zunehmende Antisemitismus dazu, dass Kunden ausblieben oder ihre Schulden nicht bezahlten.
Schließlich geriet die neunköpfige Familie mit der Miete in Rückstand, es drohte Obdachlosigkeit. Wolf Zloczower stellte einen Antrag auf öffentliche Unterstützung zum Erhalt der Wohnung. Um einer Räumung zuvorzukommen, beschlagnahmte die Wohlfahrtsstelle im September 1932 zeitweise die Wohnung und wies sie der Familie "als Unterkommen" zu. Auch erhielt die Familie Hilfe von zwei jüdischen Wohlfahrtsvereinen, die bis Mitte Oktober für die Miete aufkamen. Ab 1932 bezog Wolf Zloczower Leistungen vom Fürsorgeamt.
Die drei jüngsten Kinder gingen 1932 noch zur Schule; der zwölfjährige Ferdinand und der vierzehnjährige Emanuel besuchten die Talmud Tora Schule, die achtjährige Thea ging zur Israelitischen Volksschule Johnsallee.
Josefine hatte nach zehnjähriger Schulzeit auf der Israelitischen Töchterschule ein Jahr lang die Grone´sche Handelsschule bis zum Abschluss "Stenotypistin" besucht. Einige Jahre lang arbeitete sie als Kontoristin bei einer Blankeneser Lederfirma, bis ihr wegen ihrer jüdischen Herkunft gekündigt wurde. 1932 war sie als Haushaltshilfe bei einer Hamburger Familie tätig. Jakob hatte bis 1927 die Talmud Tora Schule besucht und 1930 eine kaufmännische Lehre abgeschlossen, fand jedoch wegen seiner jüdischen Herkunft keine Anstellung. 1932 arbeitete er kurzzeitig bei der Kommissionsfirma Max Popper im Schulterblatt, die ihrerseits vor dem Bankrott stand.
Im Herbst 1933 häuften sich erneut Mietschulden. Anfang Oktober stellte Wolf Zloczower bei der Wohlfahrtsstelle Altona einen Antrag "auf Gewährung von Hauszinssteuerschuldung": "Ich bin gekündigt worden und musste räumen." Er habe eine Vierzimmerwohnung neu angemietet im zweiten Stock der General-Litzmann-Straße 71, Ecke Juliusstraße, wo sich der Eingang befand. Er selbst verdiene nichts mehr. "Zwei meiner Töchter sind beschäftigt. (…) Habe früher ein Abzahlungsgeschäft gehabt und habe außenstehende Forderungen, von denen ich nichts zu erwarten habe." Seine nichtjüdischen Kunden würden ihre Schulden bei einem Juden nicht mehr bezahlen. Seine Ehefrau habe als Reinemachfrau gearbeitet, könne das körperlich aber nicht mehr leisten. Die Tochter Josefine sei als "Tagmädchen", als Dienstmädchen gegen geringen Lohn und "Morgenkaffee und Mittagessen" in Hamburg beschäftigt. Der Sohn Jakob verrichte Botengänge beim Schlachter Jonas in der Parallelstraße (heute Eifflerstraße) gegen volle Kost ohne Lohn. Die siebzehnjährige Paula hatte im April 1933 eine Lehre im Kaufhaus Finkels begonnen, das im Eckhaus Bahrenfelder Straße 106–110 in Ottensen von jüdischen Inhabern geführt wurde.
Der jüdische Hilfsverein "Ahavath Chesed" unterstützte den Antrag auf Fürsorgeleistungen in einem Schreiben: "Herr Wolf Zloczower ist Handelsmann und kann infolge der schlechten Wirtschaftslage seinen Lebensunterhalt nicht verdienen." Die Wohlfahrtsstelle notierte, dass lediglich Josefine und Paula Geld zum Lebensunterhalt der Familie verdienten; nach Abzug des Fahrgelds stünden monatlich 32,20 Reichsmark (RM) zur Verfügung. Das Amt vermerkte, die zusätzliche Unterstützung reiche nicht aus: "Es können nur 19,50 wchtl. bewilligt werden, von denen die Familie aber nicht leben kann."
Die Familie befand sich in Not. Die Maßnahmen zum Ausschluss von Juden und Jüdinnen aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben erschwerten es Jugendlichen, einen Berufsabschluss zu machen. Emanuel gelang es nicht, eine Lehrstelle als Tischler zu finden. Die Werkschule der Talmud Tora Schule bot Kurse an; 1934 nahm er an einem Tischlerkurs teil, Josefine an einem Kochkurs. Rosa fand 1935 eine Anstellung als Volontärin bei Käthe Lissauer, Damenmoden, in der Hamburger Steinwegspassage.
Im Herbst 1935 reduzierte das Wohlfahrtsamt Altona die Unterstützung der Familie auf 16,50 RM wöchentlich. Wolf Zloczower beschwerte sich und teilte schriftlich mit, "daß es eine Kunst ist bei dem gehabten Satz eine Familie satt zu bekommen und wie soll jetzt die Sättigung bei dieser Festsetzung von statten gehen? Nicht zu vergessen daß von dieser Unterstützung noch Kleidung, Licht, Feuerung usw. bestritten werden muß."
Der Israelitische Humanitäre Frauenverein Altona gewährte der Familie Winterhilfe.
1936 zog Tochter Rosa, nun verehelichte Bähr (Baer), nach Hamburg in die Bogenstraße 24. Emanuel war als Aushilfe bei einem Milchmann in der Gärtnerstraße, Josefine als Haushaltshilfe bei Familie Weinberg in der Bornstraße tätig. Jakob, der in der Juliusstraße 16 bei Wiemke wohnte, half als Bote bei der Schlachterei Kaiser in der Prinzenstraße aus. Paula hatte inzwischen eine Stelle als gelernte Verkäuferin im Kaufhaus Finkels inne.
1937 gewährte das Wohlfahrtsamt dem Ehepaar Zloczower und den fünf noch im Haushalt lebenden Kindern eine wöchentliche Unterstützung von 15 RM. Nach einem Hausbesuch berichtete die "Volkspflegerin": "Es handelt sich um ganz einfache Verhältnisse."
Ferdinand hatte nach Abschluss der Talmud Tora Schule 1935 eine kaufmännische Lehrstelle im Eisenwarengeschäft Levy und Co am Ausschläger Elbdeich gefunden. Doch die Fortbildungsschule am Lämmermarkt musste er nach einem Jahr verlassen, und zur Ablegung seiner Kaufmannsgehilfenprüfung wurde er als Jude nicht zugelassen. 1938 sah sich sein jüdischer Lehrherr gezwungen, das Geschäft aufgeben. Ferdinand half in einem Milchgeschäft aus, bis er zur Zwangsarbeit auf einer Baustelle verpflichtet wurde.
Auch sein Vater Wolf Zloczower leistete ab 1938 in Tiefstack "Unterstützungsarbeit". Der 56-Jährige musste "leichte Arbeiten drinnen und draußen" verrichten, keine "Erdarbeiten". Doch auch diese Arbeit war zu schwer für ihn. Anfang 1939 attestierte ihm ein Arzt einen Leistenbruch und starke Abmagerung infolge Überanstrengung und schrieb ihn vierzehn Tage lang arbeitsunfähig.
Alle Kinder der Familie Zloczower, inzwischen Jugendliche oder Jungerwachsene, wollten Deutschland den Rücken kehren. Als erstem gelang Jakob im Alter von 25 Jahren die Auswanderung nach Amerika. Am 26. Mai 1938 startete er von der Veddel aus die zwölftägige Schiffspassage mit dem Dampfer "SS Präsident Harding" über die Route Le Havre/Frankreich, Southhampton/England und Coth/Irland nach New York. Ferdinand und Emanuel wollten ihrem Bruder folgen. Im März 1939 unterstützte die jüdische Wirtschaftshilfe Ferdinand mit einer Umschulung, die ihn auf die Auswanderung nach New York vorbereiten sollte. Emanuel, der nun im Tiefbau arbeitete, wartete auf den gleichen Bescheid von der jüdischen Wirtschaftshilfe. Doch war es schwierig, in die USA zu kommen; Einwanderer benötigten ein Affidavit, d. h. eine Bürgschaft, und mussten warten, bis ihre Nummer in der Länderquote an der Reihe war.
In einem Bericht von Ende August 1939 hielt das Wohlfahrtsamt Altona fest: "Die Familie ist vollkommen mittellos." Im Winter 1939 erhielten Zloczowers von der jüdischen Wohlfahrtspflege Kohlen, Kartoffeln und Lebensmittel.
Paula, Emanuel, Ferdinand und die fünfzehnjährige Thea wohnten noch bei den Eltern. Paula hatte ihre Stelle im Kaufhaus Finkels verloren, das zu den jüdischen Unternehmen gehörte, die 1938 liquidiert oder "arisiert" wurden. Nachdem sie eine Zeitlang als "Morgenmädchen" in einer Familie gearbeitet hatte, bezog sie seit Juni 1939 Arbeitslosenhilfe und leistete auf Anweisung des Arbeitsamtes in der Wollkämmerei Wilhelmsburg Pflichtarbeit. Auch sie hoffte, auswandern zu können. Emanuel war kurzzeitig als Helfer in der Tischlerei Voigt in der Emilienstraße beschäftigt und sollte nun im Tiefbau in Lokstedt arbeiten.
Das Wohlfahrtsamt notierte im Sommer 1939, Emanuel, Ferdinand und Josefine stünden vor der Auswanderung. Auch Paula kämpfte um eine Ausreise. Ihr und Thea wurden im August 1939 als devisenrechtliche Voraussetzung für eine Ausreise "Unbedenklichkeitsbescheinigungen" erteilt. Kurz vor Kriegsbeginn, im August 1939, konnte Josefine, inzwischen verheiratete Piasek, mit einem Hausangestellten-Visum nach England entkommen, wo sie zunächst in einem Militärkrankenhaus als Küchenhilfe tätig war, dann in einem Altersheim arbeitete und schließlich als Haushaltshilfe in einer Familie lebte.
Seit Kriegsausbruch im September 1939 war eine legale Auswanderung über deutsche Überseehäfen nicht mehr möglich. Auf Paulas Kultussteuerkarte war der Eintrag "September 39 England" schon vorgenommen, doch wieder gestrichen worden. Im Oktober 1941 wurde die Auswanderung von Juden und Jüdinnen generell verboten. Nun stand ihnen die "Evakuierung" in die Lager und Gettos im Osten bevor.
Am 25. Oktober 1941 wurden die noch in Hamburg lebenden Mitglieder der Familie Zloczower ins Getto Lodz im deutsch besetzten Polen deportiert. Die Transportlisten für das von den deutschen Besatzern sogenannte Litzmannstadt enthielten unter den Nummern 992 bis 996 Wolf und Ettel Zloczower und ihre Kinder Pauline, Emanuel und Thea. Niemand von ihnen kehrte zurück. Sie wurden am 20. April 1942 weiterdeportiert, wahrscheinlich ins nahe gelegene Vernichtungslager Chelmno, wo die Gettoinsassen aus Lodz in umgerüsteten Lastwagen mit Gas ermordet wurden.
Auch Rosa Bähr, geb. Zloczower, gelangte gemeinsam mit ihrem Mann Erwin Bähr und den Kindern Hildegard, Judis und Denny mit dem Transport am 25. Oktober 1941 nach Lodz, wo die Familie ums Leben kam. Für sie liegen Stolpersteine in der Johnsallee 33 in Eimsbüttel, Rotherbaum.
Ferdinand Zloczower überlebte eine Odyssee durch verschiedene Haftanstalten und Lager. Der Neunzehnjährige war am 27. August 1939 in Flensburg, wo er Arbeit suchte, von der Gestapo verhaftet worden und saß drei Monate in der Flensburger Strafanstalt ein. Nach seiner Entlassung am 27. November 1939 war er arbeitslos und bezog ab 1940 Arbeitslosenunterstützung. 1940 nahm ihn die Gestapo in Hamburg in "Schutzhaft" und lieferte ihn ins KZ Sachsenhausen ein, wo er bis zum 12. September 1942 inhaftiert blieb.
1955 gab er im Wiedergutmachungsverfahren an: "Ich bin im Jahre 1940 als Jude von der Gestapo ohne jeglichen Grund verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert worden. Hier war ich bis zum Jahre 1942, dann wurde ich nach dem KZ Auschwitz verfrachtet. Die mir dort eintätowierte Nummer 70323 ist noch an meinem Arm. Hier war ich bis zum Jahre 1943. Von dort kam ich ins KZ Warschau und dann nach Dachau, und bin in Mühldorf O/Bayern am 1. Mai 1945 befreit worden."
Vom 13. August 1944 bis zu seiner Befreiung leistete er Zwangsarbeit als Mitglied des Kommandos Mühldorf, einem Außenkommando des KZ Dachau.
Nach Kriegsende reiste er 1946 nach Frankreich aus und emigrierte zwei Jahre später in die USA, wohin auch seine Schwester 1950 von England aus gelangte.
Stand September 2015
© Birgit Gewehr
Quellen: 1; 2 (FVg 3833 Zloczower, J. und FVg 5423 Zloczower J.); 4; 5; 8; AB Altona; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 5619 (Piasek, Josefine, geb. Zloczower), 5603 (Sloshower, Jack, früher Zloczower, Jakob), 5602 (Sloshower, Filo), 5601 (Fürsorgeakte Zloczower, Emanuel), 5600 (Fürsorgeakte Zloczower, Wolf) und 42642 (Zloczower, Emanuel); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 992 e 1 Band 1 (Deportationsliste Litzmannstadt, 25.10.1941); Archiwum Panstwowe w Lodzi, Ankunftsdokumente des Gettos Litzmannstadt.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".