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Wilhelm Ahrnke * 1903
Sierichstraße 172 (Hamburg-Nord, Winterhude)
HIER WOHNTE
WILHELM AHRNKE
JG. 1903
EINGEWIESEN 1938
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 27.11.1941
HEILANSTALT TIEGENHOF
ERMORDET 15.8.1942
Wilhelm Heinrich Karl Ahrnke, geb. am 2.7.1903 in Hamburg-Winterhude, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 15.3.1938, verlegt in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn am 28.7.1941, deportiert in die Gau-Heilanstalt Tiegenhof (Dziekanka) bei Gnesen (Gniezno) am 27.11.1941, dort gestorben am 15.8.1942
Sierichstraße 172 (Winterhude)
Wilhelm Heinrich Karl Ahrnke kam am 2.7.1903 als zweites von vier Kindern des Straßenbahnschaffners Wilhelm Johann Heinrich Theodor Ahrnke und seiner Ehefrau Sophie Auguste Maria, geb. Olms, in Hamburg-Winterhude, Willistraße 31, zur Welt. Seine Eltern stammten aus Mecklenburg. Sie hatten am 30. März 1901 in Hamburg geheiratet. Wilhelm Ahrnkes ältere Schwester Martha Frieda Auguste Sophie war am 4.12.1901 geboren, seine beiden jüngeren Schwestern Gertrud am 14.8.1905 und Mathilda am 2.10.1907.
Wilhelm Ahrnke wurde am 15. März 1938 in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen. Das wenige, das wir über ihn wissen, ist den Personenstandsregister-Eintragungen über seine Eltern, seine Schwestern und ihn selbst entnommen Er war anscheinend nie verheiratet. Eine Patientenakte, die über sein Leben vor der Aufnahme in Alsterdorf nähere Auskunft hätte geben können, ist nicht erhalten.
Was wir über seine Krankheit wissen, ist einer Karteikarte entnommen, die für das ab 1934 aufgebaute Hamburger Gesundheitspassarchiv zum Zwecke der "erbbiologischen Bestandaufnahme" der Bevölkerung angelegt worden war. Danach war Wilhelm Ahrnke seit 1925 erkrankt. Es habe sich bei ihm um einen "völlig dementen, läppischen, sehr antriebsarmen Patienten gehandelt, der zur Umwelt kaum Beziehungen besaß." Er sei als im "Endzustand einer Schizophrenie" anzusehen und als unheilbar krank zu bezeichnen. Eine Arbeitsleistung sei bei ihm nicht vorhanden.
Am 28. Juli 1941 wurden mindestens 50 Männer aus den Alsterdorf Anstalten zunächst in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn überführt. Zu ihnen gehörte auch Wilhelm Ahrnke. Drei Tage später, am 31. Juli 1941, folgte ein weiterer Transport mit mindestens 20 Frauen.
Der Leiter der Alsterdorfer Anstalten, SA-Mitglied Pastor Friedrich Lensch, hatte drei Tage vor der Verlegung eine Liste mit den Namen der Alsterdorfer Anstaltsbewohnerinnen und -bewohner erhalten, die die Berliner Zentrale der "Aktion T4" auf der Grundlage der von ihm nach Berlin geschickten Meldebögen zusammengestellt hatte.
Langenhorn hatte sich zu dieser Zeit zur Zwischenanstalt für den gesamten Raum Hamburg und zur Drehscheibe der "Euthanasie" im Norden des Deutschen Reiches entwickelt. Ein zur Tarnung aufgebautes kompliziertes "Verschubungssystem" sollte die Angehörigen daran hindern, "den Verbleib der Kranken zu durchschauen" (Michael Wunder).
Wilhelm Ahrnke wurde am 27. November 1941 mit weiteren Frauen und Männern aus Langenhorn in die Gau-Heilanstalt Tiegenhof (Dziekanka) bei Gnesen (Gniezno) im heutigen Polen deportiert. Das Hamburger Gedenkbuch Euthanasie enthält die Namen von 66 ehemaligen Alsterdorfer Patientinnen und Patienten, die mit diesem Transport aus Langenhorn nach dem Tiegenhof gebracht wurden, vier der ehemals siebzig Alsterdorfer waren vorher in Langenhorn gestorben.
Insgesamt wurden aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn zwischen dem 14. und dem 27. November 1941 in mehreren Transporten 366 Menschen in die Gauheilanstalt Tiegenhof abtransportiert. (Das Hamburger Gedenkbuch enthält 206 Personen).
Die deutsche Wehrmacht besetzte nach dem Überfall Deutschlands auf Polen im Oktober 1939 die psychiatrische Anstalt Dziekanka in der Nähe von Gnesen, die fortan "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" hieß (Michael Wunder ). Bis zum Sommer/Herbst 1941 wurden polnische Patientinnen und Patienten in mehreren Aktionen ermordet, so im Dezember 1939 in Gaskammern des Fort VII bei Posen/Poznan, später in mobilen Gaswagen, bei denen die Auspuffgase oder Kohlenmonoxyd in den geschlossenen Frachtraum eingeleitet wurden.
Als die Patienten aus Hamburg in Tiegenhof eintrafen, wurden auch deutsche Patienten getötet, und zwar durch systematisches Verhungernlassen, durch Überdosierung von Medikamenten sowie durch Verwahrlosung. Zu diesem Zweck befanden sich in den Unterkünften der Patientinnen und Patienten separate Tötungszimmer, in denen den wehrlosen und entkräfteten Opfern tödliche Mittel injiziert, mittels Klistier eingeführt oder aufgelöst in Suppe verabreicht wurden.
In dieser Anstalt lebte Wilhelm Ahrnke etwa neun Monate, bis er am 15. August 1942 starb. In dem Sterberegistereintrag über seinen Tod ist als Todesursache "Fieberhafter Darmkatarrh" angegeben.
Aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten sind lt. Michael Wunder im Nationalsozialismus insgesamt 630 behinderte Kinder, Frauen und Männer in Zwischenanstalten oder direkt in Tötungsanstalten der "Euthanasie" abtransportiert worden. Von diesen Menschen sind – so der Kenntnisstand von 2016 – 511 getötet worden.
Stand: Juli 2021
© Ingo Wille
Quellen: Adressbuch Hamburg 1938; Standesamt Gniezno, Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, Erbgesundheitskartei, Sterberegisterauszug Nr. 96/1942 (Günther Gerth); Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner: Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, 3. Auflage, Stuttgart 2016, S. 36, 269 ff.; Enno Schwanke, Die Landesheil- und Pflegeanstalt Tiegenhof, Die nationalsozialistische Euthanasie in Polen während des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt/M 2015.