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Auguste Algava (geborene Ziese) * 1888
Breitenfelder Straße 30 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)
HIER WOHNTE
AUGUSTE ALGAVA
GEB. ZIESE
JG. 1888
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
TOT 11. JULI 1943
Weitere Stolpersteine in Breitenfelder Straße 30:
Julius Algava
Julius Juda Algava, geb. am 12.5.1876, März 1943 verhaftet, deportiert, in Auschwitz ermordet am 15.6.1943
Auguste Algava, geb. Ziese, geb. am 18.1.1888, tot am 11.7.1943
Breitenfelder Straße 30, Hoheluft Ost
Die Familie Algava gehörte zur Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde, Nachfahren der Sepharden, die von der Iberischen Halbinsel vertrieben worden waren und sich dann gegen Ende des 16. Jahrhunderts auch in Hamburg angesiedelt und ihre eigene Gemeinde gegründet hatten.
Abraham Algava, genannt Adolf Algava, war in Hamburg am 18. Januar 1845 geboren worden. Seine Ehefrau Therese Algava, geborene Magnus, war am 14. November 1842 in Ludwigslust zur Welt gekommen. Sie hatten am 12. Juli 1869 in Hamburg geheiratet.
Vier Kinder bereicherten das Leben des Ehepaares: Samuel Vidal, geboren am 3. Juli 1870, Rike/Ricka, geboren am 5. Dezember 1872, am 4. Juni 1875 Minna Mariquita, die ein Jahr später am 4. Juni 1876 starb, und als jüngstes Familienmitglied Julius Juda Algava am 12. Mai 1876. Die Familie lebte seit 1871 in der Straße Krayenkamp 20 in der Neustadt.
Abraham Algava arbeitete seit 1867 in Hamburg als Tabakhändler. In der Ellerntorsbrücke 9 in der Neustadt lagerte er Rohtabak und trieb damit sehr erfolgreich Handel. Im Handelsregister ließ er sich am 5. Juni 1871 unter dem Namen "A. Algava jun." eintragen. Anfangs halfen Julius Juda als Packer und Handlungsgehilfe und auch sein Bruder Samuel Vidal Algava seinem Vater im Zigarrenhandel.
Als sich Samuel Vidal am 9. Oktober 1900 nach Oppenheim abmeldete, übernahm Julius Juda Algava die Geschäfte seines Vaters. Eingetragen in den Adressbüchern war Julius Juda Algava als "Tabakhändler und Makler Abraham Algava Junior", wohnhaft in der Wilhelminenstraße 62 in St. Pauli (heute Hein-Hoyer-Straße).
Seit 1902 wohnte Julius Juda Algava bei seinen Eltern in der Susannenstraße 8 im Stadtteil Sternschanze. Er unterstützte seine Mutter in der Pflege des Vaters, bevor dieser am 27. Dezember 1903 in Hamburg starb und auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt wurde. 1906 zog Julius Juda Algava mit seiner Mutter in den Eppendorfer Weg 9a nach Eimsbüttel, 1907 in die Goebenstraße 5. Therese Algava starb am 18. März 1909 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel neben ihrem Mann beigesetzt.
Julius Juda Algava blieb in der Goebenstraße 5, er wurde nun im Hamburger Adressbuch als Prokurist geführt und arbeitete bei der Firma Wagner als Disponent in der Elbstraße 76 – 84 (heute Neanderstraße) in der Neustadt.
Am 26. September 1913 heiratete er im Hamburger Standesamt 3 a die nichtjüdische Anna Auguste Bernhardine Ziese. Sie war am 18. Januar 1888 in Nordenham bei Delmenhorst geboren worden. Ihre Eltern hießen Ernst Friedrich Ziese und Anna Margarete Ziese, geborene Ostendorf.
1914 wohnte das frisch vermählte Paar in der Straße Beim Schlump 22 in Eimsbüttel, 1915 Beim Schlump 50 und ab 1916 Beim Schlump 52. Im Adressbuch ließ sich Julius Juda Algava jetzt als Einkäufer für Tabak eintragen.
Am 22. Juli 1915 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und wurde dann beim I Ersatz -Bataillon Infanterie Regiment 76 geführt, d.h. nicht eingesetzt.
1920 zog das Ehepaar Algava in die Breitenfelder Straße 30 nach Hoheluft-Ost. Julius Juda Algava arbeitete seit 1921 als selbstständiger Handelsvertreter mit der Geschäftsadresse Schauenburger Straße 47 in der Hamburger Altstadt. Über die Jahre von 1922 bis 1934 können wir nichts berichten.
Inzwischen hatten die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übernommen. Ihre antijüdischen Maßnahmen setzten den Eheleuten sehr zu, sie trennten sich räumlich. Auguste Algava blieb in der Breitenfelder Straße 30, Julius Juda Algava bezog 1939 ein Zimmer im Gebäude, in dem sich auch die Synagoge der portugiesisch-jüdischen Gemeinde befand, in der Innocentiastraße 37 in Harvestehude. Bis 31. Dezember 1939 gehörte er dieser Gemeinde als Mitglied an. Auch nach Beendigung der Mitgliedschaft blieb er in der Innocentiastraße wohnen.
Das Gebäude Innocentiastraße 37 war 1935 angemietet worden und konnte von der portugiesischen Gemeinde als Synagoge genutzt werden, nachdem diese die bisherige Synagoge in der Markusstraße hatte verkaufen müssen. Bis zum Ende des Jahres 1939 fanden in der Innocentiastraße noch Gottesdienste statt. Über dem Eingang stand zu lesen: "Heilige Gemeinde der Sefardim Bet Israel – Nahe ist Gott allen, die ihn rufen". Angelehnt an das Wort Sefarad (hebräisch: Spanien), weist die Bezeichnung "sefardische Juden" auf die ursprüngliche iberische Herkunft hin.
Julius Juda Algava musste wie alle "Volljuden" Mitglied der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland werden und damit der früheren Jüdischen Gemeinde Hamburgs, die sich seit 1939 Jüdischer Religionsverband e.V. nennen musste und Teil dieser Reichsvereinigung geworden war. Die Reichsvereinigung erhob von ihm wie von allen Mitgliedern ordentliche und manchmal außerordentliche Beiträge, die nach dem Einkommen und dem Vermögen der Betroffenen errechnet wurden.
Im Januar 1939 wurde die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben" erlassen. Auch für Julius Juda Algava kam diese Verordnung zum Tragen, da er als Handelsvertreter eine selbständige Tätigkeit ausübte. 1939 verlegte er seine Firma noch zur Stadthausbrücke 11 in die Hamburger Neustadt, doch 1940 musste er die Geschäftsadresse kündigen und ließ seinen Eintrag als Handelsvertreter im Adressbuch löschen.
1940 bezog Julius Juda Algava kein Einkommen mehr, 1941 war er auf die Unterstützung der jüdischen Wohlfahrt angewiesen.
Die Jüdische Gemeinde war nicht nur Zentrum für das religiöse Leben, sondern bot auch Versorgungseinrichtungen an. Dazu zählte bis Ende November 1941 die Essensausgabe an bedürftige Gemeindemitglieder in der Innocentiastraße 37 und ab 1941 die Volksküche in der Schäferkampsallee 27. Neben der Essensausgabe bot der Kulturbund im Gemeinschaftshaus in der Hartungstraße 9 Unterhaltungsmöglichkeiten für die jüdischen Menschen an. Vermutlich nutzte auch Julius Juda Algava diese Möglichkeiten der Versorgung und der Unterhaltung.
Er bezog Ende des Jahres 1941 eine Wohnung im Stift in der Kielortallee 22 in Eimsbüttel. Hier hatte Hirsch Berend Oppenheimer 1907-1908 ein Stiftgebäude nach Plänen des Regierungsbaumeisters Ernst Friedheim errichten lassen. Im Mitteltrakt des Hauses befand sich eine Synagoge. Das Stiftsgebäude diente in den 1940er Jahren als "Judenhaus".
Am 10. September 1942 wechselte Julius Juda Algava in eine Wohnung des "Judenhauses" in der Rutschbahn 25a in Rotherbaum, wo Partner aus Mischehen untergebracht waren.
Julius Juda Algava wurde, wie alle jüdischen Erwachsenen, zur Zwangsarbeit in so genannten Judenkolonnen eingesetzt, er musste in der Seifenfabrik Dralle arbeiten. (Die Dralle Parfüm- und Seifenfabrik bestand bis 1991 und war eine bekannte Marke. Seit 1920 befand sich deren Produktion im Altonaer Nernstweg 32-34 in Altona.). Die Zwangsarbeit organisierte der berüchtigte Willibald Schallert für das Hamburger Arbeitsamt.
Als in der Dralle-Fabrik ein Feuer ausbrach, beschuldigte Schallert Julius Juda Algava der Sabotage. Die Zwangsarbeiterin Lola Tech, die hier vom 20. November 1942 bis zum 4. Oktober 1943 eingesetzt war, gab später zu Protokoll, dass das Feuer im Keller ausgebrochen sei, und fügte hinzu, dass in dem Betrieb eine verbreitete antisemitische Stimmung geherrscht habe.
Die Gestapo verhaftete Julius Juda Algava noch in der Seifenfabrik Dralle und inhaftierte ihn vom 1. März 1943 bis zum 22. April 1943 in Fuhlsbüttel. Später stellte sich heraus, dass ein nichtjüdischer Angestellter in der Seifenfabrik vergessen hatte, seinen elektrischen Kocher auszustellen. Doch das half Julius Juda Algava nicht mehr, er war am 7. Mai 1943 nach Auschwitz deportiert worden. In Mischehe verheiratet und über 65 Jahre alt, hätte er eigentlich nach Theresienstadt deportiert werden müssen, doch ein Erlass vom Herbst 1942 bestimmte, dass Juden aus Haftanstalten und Konzentrationslagern nach Auschwitz überstellt werden sollten.
In Auschwitz erhielt er die Häftlingsnummer 120417. Offensichtlich wurde er zunächst noch zur Zwangsarbeit eingesetzt. Am 25. Mai 1943 und am 9. Juni 1943 wurde er im Buch der chirurgischen Abteilung des Häftlingskrankenhauses im Block 21 des Stammlagers Auschwitz I eingetragen. Es hatte sich ein Furunkel am Oberarm gebildet, der nach dem Stand der damaligen Medizin mit Zinksalbe behandelt wurde.
Der 67jährige Julius Juda Algava wurde am 15. Juni 1943 in Auschwitz mit Zyklon B ermordet.
Nachdem Auguste Algava die Nachricht vom Tod ihres Mannes durch einen Gestapobeamten erhalten hatte, starb sie am 11. Juli 1943 im Jüdischen Krankenhaus an einem Herzanfall.
Zum Schicksal der Geschwister von Julius Juda Algava:
Samuel Vidal Algava hatte am 10. November 1898 Hanchen, geb. Sommer, geboren am 18. April 1869, geheiratet. Sie bekamen den Sohn Adolf Abraham, geboren am 2. September 1899. Hanchen Algava starb am 4. Juni 1900 in Hamburg. Samuel Vidal Algava folgte am 1. Januar 1923 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Stuttgart beigesetzt. Über Adolf Abraham Algava‘s Schicksal haben wir keine Kenntnisse.
Rike/Ricka Algava hatte am 5. Januar 1899 Jacob Ruben, geboren am 13. August 1854, geheiratet. Sie bekamen die Kinder Jeanette, geboren am 28. September 1899, und Alfred Ruben, geboren am 17. Dezember 1900, verstorben am 3. Juli 1918. Rike/Ricka Ruben starb am 1. April 1928 und Jacob Ruben am 8. Januar 1932. Jeanette Ruben heiratete Raphael Friedländer. Das Ehepaar wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert und ermordet. An Jeanette und Raphael Friedländer erinnern Stolpersteine im Durchschnitt 1 am Grindel.
Stand: April 2023
© Bärbel Klein
Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; 6; 7; 8; 9; StaH; 331-1 II Polizeibehörde – Tägliche Zu- und Abgänge im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel 7254 (Julius Juda Algava); 351-11 AfW 16896 (Lola Tech); 342-2_D II 83 Alphabetische Listen der Wehrpflichtigen Band 1 Julius Juda Algava; 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht - Bürgerprotokoll AIf 228 Nr. 459; 332-3 Zivilstandsregister B 28 Heiraten Nr. 1631/1869 Abraham Algava/Therese Magnus, A 139 Geburten Nr. 6644/1872 Ricka Algava, A 196 Minna Mariquita Algava Nr. 807/1875; 332-5 Standesamt 1882 Geburten Nr. 2283/1876 Julius Juda Algava, 13004 Geburten Nr. 2600/1899 Adolf Abraham Algava, 13096 Geburten Nr. 2200/1899 Jeanette Ruben, 13408 Geburten Nr. 3536/1900 Alfred Ruben, 2909 Heiraten Nr. 1169/1899 Samuel Vidal Algava/Hanchen Sommer, 2923 Heiraten Nr. 9/1899 Jacob Ruben/Ricka Algava, 9551 Heiraten Nr. 460/1913 Julius Juda Algava/Anna Auguste Bernhardine Ziese, 15 Sterberegister Nr. 1534/1876 Minna Mariquita Algava, 2923 Sterberegister Nr. 939/1900 Hanchen Algava, 7971 Sterberegister Nr. 1151/1903 Abraham Algava, 622 Sterberegister Nr. 196/1909 Therese Algava, 8093 Sterberegister Nr. 130/1928 Jacob Ruben; 741-4 Fotoarchiv K2350, K4165, K4374, K2445, K2448, Mail von Bohdan Piętka, Auschwitz Forschungsabteilung, 20.7.2022; Antwortschreiben Bundesarchiv Sebastian Schlabitz vom 25.01.2023; Jüdische Baudenkmäler in Hamburg, Irmgard Stein, Hamburg 1984; Stefanie Fischer, Familie und Alltag, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 22.09.2016. [21.03.2023]; www.geni.com; www.wikipedea.org (Zugriff 27.12.2022).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".