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Max Cohn * 1872
Amundsenstraße 14 A (Altona, Altona-Altstadt)
HIER WOHNTE
MAX COHN
JG. 1872
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET
Max Cohn, geb. am 30.12.1872 in Altona, deportiert am 19.4.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 nach Treblinka, Todesdatum unbekannt
Amundsenstraße 14 A
Max Cohn ist als drittes Kind von Isaac Cohn und dessen Ehefrau Fanny Möller zur Welt gekommen. Beide Eltern stammen aus Altona. Zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung im Jahr 1868 waren dort 2.359 Juden verzeichnet.
Max Vater Isaac entstammte einer Altonaer Händlerfamilie, die sich zwei Generationen zurückverfolgen lässt. Er selbst war "Productenhändler", vermutlich kaufte er landwirtschaftliche Produkte bei Bauern auf und vertrieb diese in seinem Geschäft. Isaac (gestorben 1896) und seine dreizehn Jahre jüngere Frau Fanny (gestorben 1892) wurden auf dem Jüdischen Friedhof Altona am Bornkampsweg begraben, wo auch viele Verwandte bestattet sind.
Max Mutter Fanny hatte acht Geschwister. Ihr Sohn Max erfreute sich dementsprechend einer großen Zahl an Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen. Die Vorfahren von Fanny stammten aus Norddeutschland. Ihr Urgroßvater väterlicherseits – Jesaias Möller – kam aus der jüdischen Siedlung in Fackenbourg bei Lübeck.
Die meisten dort lebenden Juden kamen ursprünglich aus Polen-Litauen, wo sie seit dem Jahr 1000 weitgehende Autonomie genossen. Im Jahr 1648 begann ihrer Vertreibung und die Suche nach einer neuen Heimat.
Um Konkurrenz und Handel zu verhindern, verbat man Juden die Niederlassung in Lübeck. So siedelten sie sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts auf Gütern außerhalb der Stadt an. Die Lübecker konnten bei den Juden außerhalb des Zollgebiets günstiger einkaufen. Die Siedlungen erfreuten sich zunehmender Beliebtheit So auch die Fackenbourg-Siedlung auf dem Morier Kamp. Dort siedelten sich jüdische Handwerker, Gastwirte, Händler, Geldwechsler und Hausierer an. Im Jahr 1853 hob Lübeck sein Niederlassungsverbot für Juden auf. Die Zahl der jüdischen Bewohner in Fackenburg sank darauf wieder.
Auch Fannys Vater Jesaias – benannt nach seinem Großvater - verließ Fackenbourg. Fanny im Jahr 1845 in Altona geboren, wo schon seit dem Jahr 1584 Juden siedelten. Dem Verzeichnis der 1860 in Altona wohnenden Juden ist zu entnehmen, dass Jesaias sich als Kutscher, Handelsmann und Kammerjäger betätigte. Jesaias Ehefrau - Fannys Mutter - Mariane Hirsch stammte aus Kiel. Über sie ist nicht viel bekannt.
Fanny bliebt nach ihrer Hochzeit mit ihrem Mann Isaac in Altona-Altstadt. Es sind zwei Adressen der Familie bekannt: Breitestraße 145 und Langestraße 84 im Jahr 1878. Max war das dritte Kind der Familie. Sein ältester Bruder Josef (auch "Joseph") wurde im Jahr 1870 geboren, seine Schwester Emma folgte im Jahr 1871. Sein jüngerer Bruder Rudolf kam im Jahr 1878 auf die Welt (siehe www.stolpersteine-hamburg.de für Emma Weiland und Josef Cohn). Die Brüder wurden beschnitten. Es ist davon auszugehen, dass sie – wie damals üblich – religiös erzogen wurden. Er ergriff den Beruf des Musikers, genauso wie sein Bruder Josef. Es heißt er sei Pianist gewesen.
Als Max 19 war starb seine Mutter Fanny, vier Jahre später starb sein Vater Isaac. Als Dreiundreißigjähriger war Max Trauzeuge bei der Hochzeit seines Bruders Josef. In der Heiratsurkunde ist verzeichnet, dass er im Jahr 1906 in der Grossen Mühlenstraße 88 (heute Amundsenstraße) in Altona lebte.
Laut Altonaer Adressbuch lebte er im Jahr 1938 in der Großen Johannisstraße 75 im Südostteil der Altonaer-Altstadt. Die Straße existiert heute nicht mehr.
Im Jahr 1942 lebte Max im Daniel-Wormser-Haus in der Westerstraße 27 in Hamburg. Diese Unterkunft, welche 1909 in südlich vom Hauptbahnhof errichtet worden war, galt ursprünglich als Anlaufstelle für "Durchreisende" auf dem Weg "in die neue Welt", den USA. Benannt ist sie nach dem Gründer, einem ehemaligen Lehrer der Talmud Tora-Schule. Zum 30. April 1939 erließen die Nationalsozialisten ein Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden, das diesen den Mieterschutz nahm. Auch deshalb steigerten sich im Laufe der Jahre die Übernachtungszahlen im Daniel-Wormser-Haus. Möglicherweise musste auch Max notgedrungen dorthin ziehen.
Aufgrund seines Alters blieb Max von den Großtransporten 1941 verschont. Doch am 19.7.1942 wurde er mit dem Transport VI/2, nr. 96 nach Theresienstadt deportiert. Es wurden 801 Menschen befördert, unter anderem auch sein Nachbar Jesajas Cohn. Als Sammelstelle diente die Schule Schanzenstraße. Seit dem Jahr 2002 erinnert eine Gedenktafel an der heutigen Ganztagsgrundschule Sternschanze an die Deportierten. Jesajas wurde in Theresienstadt im Gebäude Q418, Zimmer 211 in der Neuen Gasse untergebracht. Wo Max lebte, ist nicht bekannt.
Aufgrund des Zustroms der neuen Transporte erreichte das Ghetto im September 1942 die Grenze seiner Aufnahmekapazität. Zwischen April und September vervierfachte sich die Zahl der Häftlinge. Oft herrschte ein unbeschreibliches Chaos – die neu Ankommenden wurden nur mit größten Schwierigkeiten auf Dachböden sowie in Schuppen in den Höfen der Häuser untergebracht. Die aus Deutschland ankommenden alten Menschen waren tief traumatisiert. Die SS begann mit den Transporten in die Vernichtungslager im Osten. Dies zunächst vor allem alte Juden, so auch den 69-jährigen Max.
Schon am 21. September 1942 fiel Max einer Teilräumungsaktion zum Opfer. Er wurde mit dem Transport Bp, nr. 832 ins Vernichtungslager Treblinka in Polen gebracht. Der Zug kam dort am 23. September 1942 an. Von den 2020 Passagieren überlebte nur einer. Viele Häftlinge starben schon bei Transport an Erschöpfung, Erstickung oder Verdursten. Wie Max starb ist nicht bekannt.
Treblinka war ein reines Vernichtungslager. Seit dem 23. Juli 1942 kamen täglich mehrere Züge mit deportierten Juden an. Sofort nach ihrer Ankunft wurden sie unter Schlägen aus den Zügen gejagt. Hinter dem Tor wurden sie nach Geschlechtern getrennt. Alle mussten sich sofort nackt ausziehen. Die Menschen mussten durch die Straße bis zur Gaskammer – genannt Himmelfahrtsstraße - nackt laufen. Die gesamte Prozedur des Ausziehens und der Weg zur Gaskammer dauerte nur kurze Zeit.
Die Gebrechlichen und Schwachen brachte man in ein angebliches Lazarett, wo sie sich entkleiden und auf einen Sandwall setzen sollten. Dann exekutierte man sie mit Blick auf die zuvor Erschossenen mit einem Genickschuss. Sie zur Gaskammer zu bringen, hätte den Ablauf verzögert. Man bevorzugte ihre Leichen über den Sandwall in eine Grube zu stoßen.
In den ersten Monaten wurden die Leichen in Massengräbern verscharrt. Um ihre eigenen Verbrechen zu vertuschen erließ die Nazi-Führung 1943 den Befehl, die Leichen zu exhumieren und zu verbrennen. Die Leichen wurden verbrannt. Bis Mitte 1944 wurde die menschliche Asche entlang der stockfinsteren Straße nach Treblinka verstreut.
Als die Sowjets 1944 in Treblinka einmarschierten, war die Vernichtungszone eingeebnet, umgepflügt und bepflanzt worden. Zurück blieben kleine Knochenstücke im Boden, menschliche Zähne, zerbrochenes Geschirr.
Es gibt viele Schätzungen über die Gesamtzahl der in Treblinka ermordeten Menschen. Die meisten wissenschaftlichen Schätzungen reichen von 700.000 bis 900.000, was bedeutet, dass in Treblinka mehr Juden ermordet wurden als in jedem anderen Vernichtungslager der Nazis außer Auschwitz.
An den Geschwistern Josef, Emma, Max und Rudolf, lässt sich nachvollziehen, wie die Nationalsozialisten die unterschiedlichen Lebensverhältnisse von Juden (nichtprivilegierte und privilegierte Mischehe, verwitwet, ledig) für die Wahl des Deportationszeitpunkts heranzogen. So erlitten alle Geschwister unterschiedliche Schicksale.
Max Onkel, Marcus Ruben Cohn war ebenfalls Händler. Sein Sohn Leopold Cohn (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) – ihr Cousin – gründete einen erfolgreichen Großhandel mit Getreide und Futtermitteln, gelangte zu beachtlichem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg und wurde Vorstandsmitglied der Getreidebörse. Im November 1938 wurde seine Firma zwangsliquidiert. Er und seine Frau Gertrud wurden am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert, wo sie ermordet wurden. Die Hamburger Handelskammer erinnert mit einem Stolperstein am Adolphsplatz 1 an ihn. Seine Nachkommen leben heute in New York.
© Katrin Holtsteger
Quellen: Dokumente aus dem Privatbesitz der Familie; StaH, Amt f. Wiedergutmachung, 351-11_1831; 351-11_1833; Jüdische Gemeinden, 522-1/ Hochdeutschen Israelitengemeinde in Altona; Verzeichnis der israelitischen Einwohner in Altona mit Index (1860), 158, S. 8. Geburts-, Heirats- und Sterberegister 1866 – 1874, 222 c, S. 40; Geburtenregister 224 a;
https://www.ancestry.de/ div.; https://www.christian-terstegge.de/hamburg/karten_altona/files/1860_altona_450dpi.jpeg; http://www.dasjuedischehamburg.de; http://www.jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html; https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/8288-max-cohn/; https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/8200-jesajas-cohn/; https://www.ik-h.de/ueber-uns/geschichte/; https://www.israeliten-luebeck.de/de/juden-von-fackenburg/; https://juedische-geschichte-online.net/thema/familie-und-alltag; https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_420719.html; http://hup.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2008/25/pdf/HamburgUP_HHF03_Lange.pdf; https://www.statistik-des-holocaust.de/; https://www.holocaust.cz/de/geschichte/ghetto-theresienstadt/dezimierungs--und-transitfunktion-von-theresienstadt/; https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/das-vernichtungslager-treblinka/; http://www.tenhumbergreinhard.de/transportliste-der-deportierten/bericht-transport/transport-21091942-theresienstadt.html; https://en.m.wikipedia.org/wiki/Treblinka_extermination_camp; https://de.wikipedia.org/wiki/Vernichtungslager_Treblinka; Haus der Ewigkeit - בית־עולם: Der jüdische Friedhof Stockelsdorf, 2019, Rolf Verleger, Nathanja Hüttenmeister, Solivagus Praeteritum; https://gedenkstaetten-in-hamburg.de/gedenkstaetten/zeige/namenstafel-an-der-schule-schanzenstrasse-fuer-die-deportationen-vom-15-und-19-juli-1942