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Herbert Bittcher * 1908

Lönsstraße 35 (Harburg, Wilstorf)

Brandenburg
hingerichtet am 22.4.1944

Herbert Bittcher, geb. 6.2.1908 in Harburg, zum Tode verurteilt, Suizid am 22.1.1944

Stadtteil Wilstorf, Lönsstraße 35

Der Vater des Arbeiters und späteren Werkmeisters Herbert Bittcher war der Arbeiter Johann Bittcher, geb. am 23.2.1863 in Groß-Taroschnitz in der damaligen preußischen Provinz Posen. Dessen Frau Emilie Hastmann wurde am 17.3.1871 in Hamburg geboren.

Herbert Bittcher war Sozialdemokrat. 1925 trat er der Jugendorganisation des Reichsbanners bei, 1928 der SPD. Am 22. Juni 1933 verbot Innenminister Wilhelm Frick (NSDAP) der SPD und allen sozialdemokratischen Unterorganisationen jede politische Betätigung. Die Abgeordnetenmandate der SPD verfielen, das Vermögen der Partei wurde eingezogen. Herbert Bittcher blieb auch nach dem Verbot der SPD seiner Gesinnung treu. Einige Sozialdemokraten in Harburg gingen in den Widerstand, ob auch Herbert Bittcher dabei war, wissen wir nicht. 1941 trat er in die NSDAP ein, vermutlich musste er das, wollte er nicht seine Arbeit verlieren.

Herbert Bittchers Adressen lauteten (1922) Werderstraße 79 (heute: Grupenstraße), ab 1926 in Wilstorf Lönsstraße 35. Hier wohnten auch zwei seiner Brüder, Alfred Bittcher, geb. am 14.7.1903, und Georg, geb. am 5.7.1909.

Am 14. Oktober 1933 heiratete er Olga Skreb, geb. am 8.8.1908 in Harburg. Sie zogen im November in die Dürerstraße 56 (heute: Flebbestraße), dann am 10. Mai 1935 in die Claus-Groth-Straße 6 (heute: Freudenthalweg). Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Der erste Sohn Herbert Johann Bittcher wurde am 26.2. 1936 geboren. Als sie später erneut Nachwuchs erwarteten, zogen sie 1942 oder 1943 wieder in die Lönsstraße 35. Am 13.12.1942 wurde ihre Tochter Margret geboren.

Im Mai 1942 sprangen eine Kommunistin und drei Kommunisten, die in der Sowjetunion im Exil lebten, über Ostpreußen mit dem Fallschirm ab. Sie hatten den Auftrag, Kontakt zur Berliner Widerstandsorganisation um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack aufzunehmen. Einer der Fallschirmspringer verletzte sich schwer und beging beim Herannahen der Polizei Suizid. Ein weiterer wurde festgenommen.

Nur Wilhelm Fellendorf und Erna Eifler gelangten nach Berlin, obwohl sie von der Gestapo fieberhaft gesucht wurden. Die Kontaktleute, die sie in Berlin aufsuchen sollten, waren aber bereits in Haft. So schlugen sie sich nach Hamburg durch, wo Wilhelm Fellendorf Verwandte hatte. Katharina Fellendorf, seine Mutter, versteckte die beiden. Herbert Bittcher, der als Werkmeister bei den Phoenix-Gummiwerken arbeitete, war ein Cousin von Wilhelm Fellendorf. Auch er beherbergte zeitweise Fellendorf und Erna Eifler. Auf der Phoenix existierte eine Zelle der Widerstandsorganisation um Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen. Dazu gehörten Wilhelm Milke und Karl Kock. (siehe unter Karl Kock.) Mit ihrer Hilfe gelang es, Kontakte zur Hamburger Leitung der Widerstandsorganisation aufzunehmen, um Wilhelm Fellendorf außer Landes nach Skandinavien zu bringen. Auch Bernhard Bästlein selbst traf sich mit Fellendorf. In der großen Ver­haftungswelle gegen die Bästlein-Organisation im Oktober 1942 wurden auch Herbert Bittcher und Wilhelm (Willy) Milke auf der Phoenix von der Gestapo festgenommen.

Herbert Bittcher kam am 17. Oktober ins Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel und am 30. März 1943 ins Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Von Gestapo- und SS-Mann Henry Helms wurde Bittcher so brutal geschlagen, dass er bewusstlos wurde. Nach den Gomorrha-Luftangriffen im Juli 1943 bekam er Hafturlaub, wurde aber bald erneut festgenommen. Untertauchen konnte er nicht, weil die Gestapo in diesem Fall seine Frau in Sippenhaft genommen hätte.

Gegen insgesamt neun Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, die den beiden Fallschirmspringern geholfen hatten, prozessierte der "Volksgerichtshof" in Berlin. Dazu gehörten auch Herbert Bittcher und Wilhelm Milke. Sie wurden zu diesem Zweck nach Berlin überstellt, Herbert Bittcher am 12. November 1943 nach Alt-Moabit und dann ins Zuchthaus Berlin-Tegel. Den Vorsitz der Verhandlung gegen Herbert Bittcher, Wilhelm Milke und Wilhelm Fellendorfs Mutter Katharina am 12. Januar 1944 hatte Blutrichter Roland Freisler übernommen. Alle drei wurden zum Tode verurteilt. Wilhelm Milke wurde am 12. Januar, also am Abend des Todesurteils, in seiner Zelle in Tegel tot aufgefunden, Herbert Bittcher am 22. Januar. Der Gefängnispfarrer hatte noch in einem Schreiben an Olga Bittcher angeregt, dass ihr Mann ein Gnadengesuch einreichen sollte. Er wurde auf dem Berliner Friedhof Marzahn bestattet. Katharina Fellendorf wurde am 31. März in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

1984 wurde in Wilstorf eine Straße nach Herbert Bittcher benannt (Bittcherweg).

© Hans-Joachim Meyer

Quellen: VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Die anderen, s. Personenverzeichnis; Hochmuth/Meyer, Streiflichter, s. Personenverzeichnis; VVN-BdA Harburg (Hrsg.): Stumme Zeugen, s. Personenverzeichnis; Hochmuth, Niemand, s. Personenverzeichnis; StaH, 242-1-II Gefängnisverwaltung II; StaH, 332-8 Meldewesen, A46; StaH, 339-1-II Polizeibehörde II, Abl. 18.9.1984 Bd. 3; StaH, Adressbücher Harburg-Wilhelmsburg und Hamburg; VVN, Komitee-Akten; Anklageschrift Herbert Bittcher, Privatbesitz; Heyl/Maronde-Heyl, Abschlussbericht; Totenliste VAN.

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