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Hildegard Bloch (geborene Damitt) * 1912
Brüderstraße 2 (Hamburg-Mitte, Neustadt)
HIER WOHNTE
HILDEGARD BLOCH
GEB. DAMITT
JG. 1912
DEPORTIERT
RAVENSBRÜCK
ERMORDET 25.4.1942
Weitere Stolpersteine in Brüderstraße 2:
Wilhelm Quabeck
Hildegard Helene Bloch, geb. Damitt, geb. am 3.8.1912 in Berlin, inhaftiert am 4.1.1938 im KZ Fuhlsbüttel, verlegt am 27.1.1938 in das KZ Moringen, am 21.3.1938 in das KZ Lichtenburg, im Mai 1938 nach Ravensbrück, ermordet am 25.4.1942 in der Tötungsanstalt Bernburg a. d. Saale
Brüderstraße 2
Seit dem 15. September 1935 verbot das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre", eines der Nürnberger Gesetze, Eheschließungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen und stellte auch außereheliche Beziehungen unter Gefängnis-, im schlimmsten Fall unter hohe Zuchthausstrafen. Oft wurden die Paare, die unter dem Vorwurf der sogenannten Rassenschande polizeilicher und gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt waren, aus ihrem Umfeld denunziert oder standen unter Beobachtung der Gestapo. Bei Hildegard war das anders: Sie erstattete Selbstanzeige, aus Enttäuschung, da ihr nichtjüdischer Freund die Beziehung beenden wollte.
Die jüdische Hausangestellte Hildegard Bloch wurde am 3. August 1912 in Berlin geboren. Wer ihre Eltern waren, ist nicht überliefert. Am 14. Mai 1932 heiratete sie in Hamburg den wesentlich älteren Witwer Max Bloch. Nach dem standesamtlichen Eintrag war sie zu diesem Zeitpunkt noch in der Christburgerstraße 13, in Berlin-Mitte gemeldet, obwohl der gemeinsame Sohn Alfred am 22. Dezember 1931 bereits in Hamburg zur Welt gekommen war. Der zweite Sohn Karl-Heinz folgte am 9. Februar 1933. Die Brüder wuchsen im Jüdischen Waisenhaus am Papendamm auf.
Max Bloch war am 9. August 1885 in Frankfurt am Main geboren worden, wo die Eltern am 8. August 1879 geheiratet hatten. Sein Vater, der Schiffskoch Feodor Bloch (geb. 20.8.1853 in Berlin), soll auf See ertrunken sein. Seine Mutter Rebecka, geb. Fuld (geb. 13.3.1856 in Wolfenhausen), verdiente ihren Lebensunterhalt als Händlerin, sie starb am 6. Juni 1931 in Berlin.
In Berlin hatte Max Bloch am 7. Dezember 1909 in erster Ehe das "Dienstmädchen" Lene Weiß (geb. 22.1.1887 in Bielefeld) geheiratet, das bereits im Alter von 41 Jahren am 8. Oktober 1928 in Hamburg verstarb. Aus dieser Ehe stammten die Kinder Bertha (geb. 19.6.1915), Senta (geb. 1.8.1917) und Sohn Feodor (geb. 13.1.1919). Nach der Geburt von Feodor ließ sich Max Bloch als Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Hamburg registrieren. Die Familie wohnte einige Jahre in der Elbstraße 133 (heute Neanderstraße). Max Bloch arbeitete als Vertreter für einen Kunsthändler und konnte, als dieser im März 1933 Deutschland verließ, aufgrund seiner verminderten Arbeitsfähigkeit, nach einer Kriegsverletzung am linken Arm, keine andere Erwerbstätigkeit mehr finden.
Die Ehe von Max und Hildegard Bloch verlief unglücklich. Sie lebten zwischenzeitlich getrennt. Nach den Kultussteuerkarteikarten der Jüdischen Gemeinde wohnte Hildegard Bloch 1935 in der Brüderstraße 2. Im Anschluss folgten rasch wechselnde Unterkünfte als Untermieterin, wie in der Wexstraße 15, der heute nicht mehr existierenden Fischerstraße 6 im Stadtteil St.Pauli und im Neuen Steinweg 96. Max Bloch wohnte in der Grabenstraße 10, zuletzt in der Laeitzstraße 18 im heutigen Karolinenviertel.
Im Oktober 1936 lernte Hildegard Bloch in einem Lokal in der ehemaligen Michaelisstraße 50 den aus Kiel stammenden Schneidergesellen Harry Wilhelm Kock (geb. 1.10.1908) kennen. Im Mai 1937 zog er als Untermieter bei Max Bloch ein. Ende Mai versuchte er die Verbindung zu dem Ehepaar Bloch wieder zu lösen. Sein Arbeitgeber drohte mit Kündigung, sollte er nicht aus der "Judenwohnung" ausziehen, und auch ein Freund warnte ihn, sein Verhältnis mit einer Jüdin sei gefährlich. Nach einer erregten Auseinandersetzung drohte Hildegard Bloch mit einer Selbstanzeige: "Sie werde schon dafür sorgen, wenn sie ihn nicht haben könne, dass auch eine andere ihn nicht haben könne, und im Notfall würde sie selbst Anzeige erstatten, dann würden sie eben alle den Weg gehen, den sie gehen müssten." Am 16. Juni 1937 machte sie ihre Drohung wahr und ging zur Polizei.
Am 17. Juni wurde zunächst Max Bloch wegen "schwerer Kuppelei in Tateinheit mit Beihilfe zur Rassenschande" verhaftet. Am 12. November 1937 verurteilte ihn das Landgericht Hamburg zu einer dreijährigen Zuchthausstrafe. Er hätte, so hieß es in der Urteilsbegründung, das Verhältnis seiner Ehefrau zu einem "Arier" unterbinden müssen.
Harry Kock war am 21. Juni an seinem Arbeitsplatz im Neuen Steinweg 86 verhaftet worden, er erhielt eine Gefängnisstrafe vom einem Jahr und neun Monaten, die er in Harburg verbüßte. Max Bloch verbrachte seine Haftzeit bis zum 17. Juni 1940 in der Strafanstalt Fuhlsbüttel und wurde dann als "Schutzhäftling" in das KZ Sachsenhausen, in Oranienburg nahe Berlin überstellt.
Nach Angaben der Gedenkstätte Sachsenhausen wurde Max Bloch am 13. Juli 1940 als Häftling 27271 im Block 11 (Isolierungs-Block) verzeichnet, und am darauffolgenden Tag als verstorben "abgemeldet". Emil Büge (geb. 21.9.1890, gest. 13.11.1950), selbst als "Schutzhäftling" seit November 1939 im KZ Sachsenhausen interniert, hatte als Hilfsschreiber in der Politischen Abteilung der KZ-Kommandantur Zugang zu den Häftlingsunterlagen. Er verfasste heimlich Abschriften der dort registrierten Zu- und Abgänge der Häftlinge, die er später aus dem Lager schmuggeln konnte. Nach seinen, als zuverlässig geltenden im Jahre 2010 veröffentlichten Notizen "1470 KZ-Geheimnisse", in denen er u.a. Einzelschicksale der Häftlinge dokumentierte, hatte sich Max Bloch am 14. Juli 1940 in Sachsenhausen erhängt.
Hildegard Bloch war während der Gerichtsverhandlung lediglich als "Belastungszeugin" vernommen worden, da nach nationalsozialistischer Gesetzgebung Frauen in Fällen von "Rassenschande" nicht gerichtlich verurteilt wurden, es sei denn, wegen Meineids oder Begünstigung. Jedoch wurde ihr das größere Maß an Schuld zugewiesen, da sie "beide Angeklagten unter starkem Einfluss hatte". Nach Abschluss des rechtskräftigen Verfahrens befand sie sich vom 4. bis 27. Januar 1938 in Fuhlsbüttel in "Schutzhaft", bis sie ins KZ Moringen verlegt wurde. Am 21. März 1938 kam sie in das Frauenkonzentrationslager Lichtenburg, eine ehemalige Festung bei Prettin (Kreis Torgau) in Sachsen-Anhalt. Dort erhielt sie die Häftlings-Nr. 457 und wurde bei Auflösung des Lagers Mitte Mai 1939 in das KZ Ravensbrück bei Fürstenberg überstellt.
Unter der Tarnbezeichnung 14f13 (14f stand für Todesfälle im KZ, 13 für Vergasung) wurden zwischen 1941 bis 1943 arbeitsunfähige Häftlinge aus verschiedenen Konzentrationslagern ausgesondert. Die Selektion führte der Arzt Friedrich Mennecke durch. Unter ihnen befand sich auch Hildegard Bloch, sie wurde in der Gaskammer der Tötungsanstalt Bernburg a.d.Saale ermordet. Um die Mordaktion zu verschleiern, wurden fingierte Todesursachen und falsche Sterbedaten angegeben; ob Hildegard Blochs Todestag tatsächlich der 25. April 1942 war, bleibt somit ungewiss.
Ihr Sohn Alfred, der zuletzt bei Verwandten in Berlin lebte, wurde am 2. Juni 1942 im Alter von zehn Jahren aus der Israelitischen Erziehungsanstalt Beelitz zusammen mit weiteren Kindern und dem Heimleiter Sally Bein (geb. 6.11.1881) mit dem 14. Berliner Osttransport deportiert. Der Zielort des Transportes ist bisher nicht bekannt.
An seinen jüngeren Bruder Karl-Heinz erinnert ein Stolperstein vor dem ehemaligen Hamburger Waisenhaus am heutigen Martin-Luther-King-Platz. Er wurde am 11. Juli 1942 mit den letzten dort lebenden Kindern und ihren Betreuern nach Auschwitz deportiert.
Max Blochs Kinder aus erster Ehe überlebten den Holocaust. Sie waren nach dem Tod ihrer Mutter im Jüdischen Waisenhaus aufgewachsen. Feodor erhielt dort eine Ausbildung zum Koch, allerdings konnte er seine Gesellenprüfung nicht mehr ablegen. Er fuhr dann als Kochmaat zur See, Ende August 1938 auf der Fairplay X, auf einem der drei Schleppdampfschiffe, die die Eignerin der Fairplay Reederei Lucy Borchardt (geb. 1877, gest. 1969) nach ihrer Enteignung in die Emigration nach London mitnehmen durfte. Feodor Bloch gründete in England eine Familie und änderte seinen Namen in Brooks.
Seine jüngste Schwester Senta erhielt eine Ausbildung in der Kinderpflege. Während ihrer Tätigkeit im Haushalt der Familie Seelenfreund in Rendsburg wurde sie zusammen mit ihren Arbeitgebern, die Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit waren, im Oktober 1938 in der sogenannten Polenaktion nach Zbaszyn/Bentschen abgeschoben. Erst an der deutsch-polnischen Grenze wurde sie als deutsche Staatsbürgerin wieder zurückgeschickt. Senta fand dann Aufnahme bei ihrer verheirateten Schwester Bertha in der Glashüttenstraße 111, bis sie im März 1939 mithilfe der Jüdischen Gemeinde und dem "Bloomsbury House Comittee" eine Einreiseerlaubnis nach England erhielt. 1948 wanderte sie ins unmittelbar zuvor gegründete Israel aus.
Die ältere Schwester Bertha hatte im März 1935 den nichtjüdischen Martin Stüven geheiratet und wurde Mutter dreier Kinder. Weil sie in einer "privilegierten Mischehe" lebte, war sie zunächst noch nicht von den Deportationen betroffen. Nach eigenen Angaben stand sie seit 1942 unter Aufsicht der Gestapo und musste als Zwangsarbeiterin in der Chemischen Fabrik Heldmann in Hamburg-Bahrenfeld mit anderen Jüdinnen in einer sogenannten Judenkolonne Rattengift in Tüten abfüllen. Sie war wie die meisten Frauen und Männer aus "Mischehen" von Willibald Schallert, dem Leiter der Sonderdienststelle des Arbeitsamtes Hamburg, zu diesem "Arbeitseinsatz" verpflichtet worden. Als im Februar 1945 dann auch die "privilegierte Mischehe" keinen Schutz mehr bot, erhielt Bertha ein Einschreiben von der Gestapo: "Ich sollte mich vier Tage später für einen Transport bereitstellen und bekam einen Nervenzusammenbruch, da es sich hier nur um eine der bekannten Verschickungen nach einem KZ handeln konnte."
Sie verbrachte transportunfähig sieben Wochen im Israelitischen Krankenhaus und flüchtete Ende April zu Bekannten nach Lurup. Sie überlebte mithilfe ihrer Freunde und heiratete 1948 in zweiter Ehe Franz Gottfried Mischke (geb. 19.10.1915).
Nach dem Krieg strebte Bertha Mischke ein Verfahren an, mit dem Ziel, die Verurteilung ihres Vaters aufzuheben. Doch der leitende Oberstaatsanwalt hielt das Urteil wegen "schwerer Kuppelei" aufrecht, nur die "Rassenschande" wurde aufgehoben: "Da es sich hierbei um eine Straftat handelt, die alleine nach nationalsozialistischer Auffassung strafbar war." Das Gericht hielt in Übereinstimmung mit dem Staatsanwalt das heruntergesetzte Strafmaß von einem Jahr und neun Monaten Zuchthaus und drei Jahre Ehrverlust für eine gerechte Strafe. Erst 1969 wurde der "Kuppeleiparagraf" abgeschafft. An Max Bloch soll demnächst ein Stolperstein in der Grabenstraße 10 erinnern.
Für die Familie seines älteren Bruders Waldemar Bloch (geb. 25.3.1880) liegen Stolpersteine in der Marktstraße 5 (s. Stolpersteine in Hamburg-St. Pauli).
Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl
Quellen: 1; 4; 5; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 16 Untersuchungshaftkartei für Männer; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht-Verwaltung Abl. 2, 451 a E1, 1b und 1e; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsache 00299/38; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsache 01092/38; StaH 314-15 OFP_FVg 7308 Bloch, Senta; StaH 351-11 AfW 40741 (Mischke, Bertha); StaH 351-11 AfW 7783 (Bloch, Max); StaH 351-11 AfW 42809 (Brook, Peter Feodor); StaH 351-11 AfW 41679 (Levy, Ziona); StaH 351-11 AfW 32962 (Kock, Harry); StaH 332-5 Standesämter 9835 u 2034/1928; StaH 332-5 Standesämter 13844 u 287/1932; Schindler-Saefkow/Schnell: Gedenkbuch, S. 103; Auskunft aus der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen von Monika Liebscher, E-Mail vom 27.5.2008; Auskunft aus der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück von Dr. Insa Eschebach und Cordula Hundertmark, E-Mail vom 19.8.2008; Auskunft von Sven Langkammer, E-Mail vom 11.10.2013; Klee: "Euthanasie" S. 259; http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot14.html (Zugriff 25.1.2015); Büge: KZ-Geheimnisse, S. 194, S. 364; www.ancestry.de (Heiratsregister von Max Bloch und Lene Weiss in Berlin, Zugriff 16.4.2017); www.ancestry.de (Geburtsregister von Max Bloch, Frankfurt am Main, Zugriff 16.4.2017).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".