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Else Blumann * 1892
Rothenbaumchaussee 101-103 (Passage, vormals Schlüterweg) (Eimsbüttel, Rotherbaum)
HIER WOHNTE
ELSE BLUMANN
JG. 1892
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK
Weitere Stolpersteine in Rothenbaumchaussee 101-103 (Passage, vormals Schlüterweg):
Helene Blumann, Ida Blumann
Else Blumann, geb. am 26.12.1892 in Tostedt, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Rothenbaumchaussee 101-103 (Passage, vormals Schlüterweg 8)
Die Wirtschafterin und Kauffrau Else Blumann wurde am 26. Dezember 1892 in Tostedt in der Nordheide geboren. Ihr Vater, Carl Blumann, war Viehhändler. Die Mutter Henriette geb. Goldmann, kam aus einer wohlhabenden Harburger Familie. Else wuchs in gutbürgerlichem Milieu mit drei älteren Schwestern auf, Helene, Ida und Rosette, die als einzige heiratete. Else Blumann kam angeblich wegen einer Liebe nach Rendsburg. Sie war zunächst im Haushalt von Julius Michael Benjamin, Löwenstraße 1 (»Turmhaus« genannt), als Wirtschafterin tätig und pflegte ihn, nachdem dessen Frau Frieda 1925 gestorben war. Als Benjamin 1931 an schwerer Krankheit starb, übernahm Else Blumann seine Kurzwaren-Großhandlung, die er im Hof der Löwenstraße 16 betrieben hatte. Sie zog damit in die Kronprinzenstraße 3, wohnte aber zunächst noch in der Löwenstraße 1. Ihre Kundschaft hatte sie vor allem unter den mobilen Händlern, die mit einem »Bauchladen« unterwegs waren.
Else Blumann gehörte zu einem Kaffeekränzchen jüdischer und nichtjüdischer Nachbarinnen und Freundinnen im Neuwerk, darunter Frau Wingold. »Das war immer sehr lustig.« Else Blumann trug mit ihrem fröhlichen Temperament zu dem Spaß bei diesen Geselligkeiten bei. Schon in ihrer Familie in Tostedt hatte stets ein fröhlicher Grundton geherrscht. Auch die damals in der Kronprinzenstraße wohnende Familie Büddig gehörte zu ihrem Bekanntenkreis. Else Blumann pflegte weiterhin den Kontakt zu ihrer Familie in Tostedt und hatte im elterlichen Haus bis zuletzt ein Zimmer. Mit dem Boykott begann der Niedergang ihres Geschäfts. Nach dem Novemberpogrom wurde am 16. Dezember 1938 der Bücherrevisor Georg Sibbert als »Treuhänder« eingesetzt, um die Abwicklung der Kurz- und Wollwaren-Großhandlung der »Jüdin Else Blumann« bis zum 10. Januar 1939 durchzuführen.
Am 28. Oktober 1939 zog sie nach Hamburg in den Schlüterweg 8, wo sie zusammen mit ihren Schwestern Helene und Ida, die ihre Stellen als Modedirektricen verloren hatten, zur Miete wohnte. Auch ihr Neffe wohnte dort. Die Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde in Hamburg führte Ida als Verkäuferin und Helene als Buchhalterin. Beide Frauen zahlten geringe Steuerbeträge, während Else Blumann nicht veranschlagt wurde, da sie ohne Einkommen war. Am 18. November 1941 wurden die drei Schwestern mit dem zweiten Transport von Hamburg aus in das weißrussische Minsk deportiert.
Weißrussland gehörte wie die anderen besetzten Gebiete der Sowjetunion zu den »Bloodlands«. Millionen von Menschen waren hier zuerst unter Stalin durch die Hungersnöte als Folge der brutalen Zwangskollektivierung und durch den Großen Terror Opfer von Gewaltverbrechen geworden, ehe ab Juni 1941 die deutschen Besatzer das Blutvergießen fortsetzten. Was Else Blumann und ihre Schwestern in Minsk bis zu ihrem Tod erlitten, ist zu ahnen, wenn man die Erinnerungen der wenigen Menschen aus Westeuropa liest, die lebend das Ghetto von Minsk verlassen konnten. Schon die Ankunft in Minsk nach einer langen quälenden Bahnfahrt über Warschau war für die erschöpften Häftlinge voller Schrecken, wurden sie doch mit Gewalt von der deutschen SS oder litauischen Hilfstruppen brutal aus den Waggons herausgeprügelt. Dann folgte der lange Marsch in die Vorstadt mit kleinen Holzhäusern und wenigen Steinbauten und das Entsetzen beim Anblick der Räume in dem Schulgebäude, in dem sie untergebracht werden sollten. Um für die deutschen Juden Platz zu schaffen, waren die bis dahin darin lebenden einheimischen Juden ermordet worden.
Es gab zunächst weder Licht, noch Wasser, weder Fenster, Heizung noch Möbel. Alles, was die jüdische Gemeinde in Hamburg den Deportierten im Zug mitgegeben hatte – Matratzen, Lebensmittel, sogar Fahrräder – wurde von der SS beschlag- nahmt und nur eine kleine Menge an Lebensmitteln durfte ins Lager gebracht werden. Auch persönliches Gepäck war zum Teil geraubt worden. In den nächsten Tagen wurden die Räume, so gut es ging, mit den noch brauchbaren Möbeln der Vorbewohner ausgestattet, Fenster, Türen und Öfen repariert, eine Küche eingerichtet.
Arbeitskommandos mussten die Leichen Tausender einheimischer Juden begraben, Opfer einer Massenerschießung durch die SS am 9. November 1941 im weißrussischen Teil des Ghettos. »Viele von uns hatten noch nie einen Toten gesehen. Wir hatten niemals unter einer solchen ständigen Todesdrohung gelebt. Aber irgendwie gewöhnten wir uns auch daran, an Tod, Krankheit, Hunger und Kälte. Wir hatten noch die Hoffnung.« Weitere Transporte aus dem Reichsgebiet verschlimmerten die Bedingungen im Ghetto.
1942 und 1943 wurde das Ghetto »liquidiert«. Im Juli 1942 wurden die Menschen aus Berlin, Bremen, dem Rheinland, Wien und Brünn Opfer der Massenerschießungen; im Mai 1943 vernichtete die SS und die Polizei die Hamburger und weitere Rheinländer Juden. Die »Hölle von Minsk« überlebten nur Wenige. Else Blumann und ihre Schwestern waren nicht unter ihnen. In Weißrussland, Teil des Reichskommissariats Ostland, an dessen Verwaltungsspitze der schleswig-holsteinische Gauleiter Hinrich Lohse stand wurden 500 000 Juden ermordet. Hauptverantwortliche für die Durchführung der Massenmorde waren in erster Linie die Einsatzgruppen des SD und die Polizeibataillone; aber auch lokale Kollaborateure und Einheiten der Wehrmacht waren beteiligt – in Kooperation mit der deutschen Verwaltungsebene. Die Schwester Rosette Dörnbrack geb. Blumann war dank ihres arischen Ehepartners zunächst von den Deportationen ausgenommen. Zwischen Januar und März 1945 wurde die Deportation jüdischer Mischehepartner nach Theresienstadt von der Gestapo angeordnet. Ähnlich wie bei der drohenden Deportation von Frau X. in Rendsburg war es ein Bekannter der Familie, der Rosette Dörnbrack davor bewahrte. Der Tostedter Arzt Dr. Pieper bescheinigte ihr, dass sie transportunfähig sei. Zu diesem Zeitpunkt war das baldige Kriegsende mitsamt der Niederlage abzusehen – das KZ Auschwitz war seit Ende Januar von der Roten Armee befreit und alliierte Truppen hatten Teile Deutschlands besetzt. Unter diesen Umständen gab es jetzt mehr Menschen, die bereit waren, als Helfer aktiv zu werden, zum Teil auch, um sich für die Zeit nach dem Krieg rückzuversichern. So hatte der Arzt Martin Heinrich Corten, letzter Leiter der Hamburger Reichsvereinigung der Juden, erreichen können, dass die Gestapo ärztliche Atteste zur Zurückstellung Betroffener akzeptierte. In Tostedt erinnert seit 1999 eine Gedenktafel in der Stadtbücherei, veranlasst durch eine Großnichte, an die drei Blumann-Schwestern. In der Rothenbaumchaussee 101–103 (Passage, vormals Schlüterweg 8) wurden für die Schwestern Stolpersteine verlegt und in Rendsburg liegt ein Stolperstein für Else Blumann vor dem Haus Kronprinzenstraße 3.
Stand: September 2020
© Frauke Dettmer
Quellen: Lit.: Frauke Dettmer: "Bei uns war der Jude ebenso ein Mensch wie jeder andere." Lebenswege Rendsburger Juden 1933 bis 1945. Kiel, Hamburg: Wachholtz Verlag 2016.