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Heinrich Blume * 1919

Kastanienallee 9 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
HEINRICH BLUME
JG. 1919
MEHRMALS VERHAFTET
ZULETZT 1940
KZ FUHLSBÜTTEL
NEUENGAMME
ERMORDET 27.2.1943

Weitere Stolpersteine in Kastanienallee 9:
Leo Hoffmann

Karl Heinrich "Heiner" Blume, geb. 18.6.1919, inhaftiert 1938, 1940, gestorben am 27.2.1943 im KZ Neuengamme, Außenlager Wittenberge

Kastanienallee 9 (Kastanienallee 38)

Heinrich Blume wurde als uneheliches Kind der Näherin Katharine Blume in Frankfurt/Main geboren. Sie stand angeblich "nicht in bestem Rufe" und "war unfähig, den schon an und für sich charakterlich schwierigen Jungen zu erziehen". Blumes Vater war der verheiratete Fensterputzer Heinrich Pfahl.

Bis zum vierten Lebensjahr wuchs Heinrich Blume in "kümmerlichsten Verhältnissen" bei seiner Mutter auf. Seitdem war er in verschiedenen Pflegestellen und in sechs verschiedenen Erziehungsheimen untergebracht. Blume unterstand der Amtsvormundschaft des Jugendamtes Frankfurt/Main. Immer wieder floh er aus den Heimen und Pflegestellen, so dass für ihn, als er 14 Jahre alt war, das Amtsgericht Frankfurt Fürsorgeerziehung anordnete. 1933 trieb er sich als Landstreicher herum und wurde in Ulm erstmals wegen Landstreichens, Bettelns und falscher Namensangabe zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach der Strafverbüßung wurde er in eine Zwangserziehungsanstalt eingewiesen, wo er als Pferdepfleger und Gespannführer eingesetzt wurde. 1934 bestrafte ihn das Amtsgericht Kassel wegen verschiedener Eigentumsdelikte und wegen falscher Namensführung und Vergehens gegen das Schusswaffengesetz mit sieben Monaten Gefängnis. Wieder in Freiheit, wurde er auf mehrere Bauernhöfe dienstverpflichtet. Im Februar 1937 folgte eine erneute Einweisung in eine Anstalt.

Am 20. März 1938 verließ er seinen Arbeitgeber und begab sich auf Wanderschaft nach Hamburg, wo er in verschiedenen Logierhäusern übernachtete. "Nach Hamburg kam er, um von hier aus zu versuchen in die Seefahrt zu kommen. Ein ganz unüberlegter Schritt und offenbar reiner Abenteuerlust entsprungen. Denn er musste sich vorher sagen, daß er ohne Papiere hier niemals eine Stellung erhalten würde. Seine geringen Mittel waren bald aufgebraucht, aus nahe liegenden Gründen wollte und konnte er sich zwecks Unterstützung und Unterbringung nicht an die Behörden werden und so geriet er dann auf der Suche nach Unterkunft und Unterhalt auf St. Pauli an Homosexuelle", heißt es später im Bericht der Ermittlungshilfe für Strafrechtspflege. Denn bis zum 18. Juni 1938 unterstand er noch der Fürsorgeerziehungsaufsicht des Oberpräsidenten für Nassau in Wiesbaden. "Er kam von einer Hand in die andere, es wurde an ihm herumerzogen und so ist es kein Wunder, daß seinem Charakter und seiner Haltung Stetigkeit und Festigkeit mangelt, und daß sich letzten Endes Unbotmäßigkeit, Unwahrhaftigkeit und ein starker Freiheitsdrang herauskristallisierte. Intellektuell scheint er gut veranlagt zu sein". Zu dieser Einschätzung kam die Ermittlungshilfe für Strafrechtspflege im Jahr 1938.

Im April 1938 geriet Heinrich Blume zum ersten Mal wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen in das Räderwerk von Polizei und Justiz. Im Bericht des 24. Kriminalkommissariats zur Bekämpfung der Homosexualität heißt es: "Es wurde in Erfahrung gebracht, daß ein junger Mann, der aus Frankfurt am Main hier zugewandert ist, sich hier unangemeldet aufhält und seinen Lebensunterhalt durch gewerbsmäßige widernatürliche Unzucht bestreiten soll. Der junge Mann soll mit seinen Freiern in Logierhäusern in der Finkenstraße in Altona absteigen. Seine Bekanntschaften sucht er in den als homosexuelle Verkehrslokale bekannten Spielhallen Minulla und Monte Carlo. Dieser junge Mann wurde am 13.4.38 in den späten Abendstunden auf der Reeperbahn ermittelt und festgenommen." Bei einem von der Polizei ermittelten Partner Blumes handelte es sich um den einschlägig vorbestraften Steward Willi Willmer (geb. 19.5.1900 Wandsbek, gest. 23.3.1943 KZ Neuengamme). Für diesen bedeutete das neue Verfahren wegen seines Verhältnisses zu Heinrich Blume das Todesurteil. In der Brauhausstraße 32 (früher Holstenstraße 34) in Wandsbek erinnert ein Stolperstein an sein Schicksal.

Vom 14. bis zum 22. April 1938 war Blume im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Anders als bei vielen vergleichbaren Angeklagten, die sich wegen ihrer Strichjungentätigkeit vor Polizei und Justiz verantworten mussten, zeigte der Ermittlungsbeamte im Fall des Heinrich Blume ein gewisses Verständnis für dessen Situation: "Blume, ein großer, strammer, kräftiger Mensch, ist nicht homosexuell veranlagt. Es handelt sich bei ihm um eine Erwerbstat aus Not, weil er in seiner Lage keinen anderen Weg sah. ... Offenbar ungünstige Erbanlagen, unsinniger und häufiger Wechsel von Erziehern, Umgebung und Eindrücken sowie grundsätzliche und planlose Erziehungsmaßnahmen ... im jugendlichen Alter haben ihn charakterlich verdorben, sodaß für seine Zukunft nicht viel Gutes zu erhoffen ist."

Landgerichtsdirektor Adolph Gernet, der vorsitzende Richter des Prozesses am 10. Oktober 1938 vor dem Landgericht Hamburg, schloss sich im Wesentlichen der Einschätzung der Kriminalpolizei an und verurteilte Heinrich Blume zu vier Monaten Gefängnis nach § 175 RStGB und nicht wegen "gewerbsmäßiger Unzucht" nach § 175 a Ziffer 4 RStGB. Aus dem Urteil: "Die erste Straftat in der Gastwirtschaft von Thomsen war lediglich eine Gelegenheitstat, zu der Blume gekommen ist, ohne hierbei die Absicht gehabt zu haben, sich durch den Empfang von RM 2,– eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Aber auch bei der zweiten Straftat in den Anlagen jenseits der Elbe handelt es sich um eine weitere Gelegenheitstat, ohne daß auch hier Blume einwandfrei nachzuweisen war, daß er die Absicht gehabt hat, sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen." Die Strafe war durch Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft verbüßt. Der minderjährige Heinrich Blume war fortan ein vorbestrafter "Hundertfünfundsiebziger" und hatte dadurch kaum noch eine Chance auf ein bürgerliches Leben.

Wieder in Freiheit, war Blume erwerbslos. Um seine Not zu lindern und an Geld heranzukommen, brach er die Kassen von drei Telefonhäuschen auf. Er wurde erwischt und mit neun Monaten Gefängnis bestraft. Die Haftentlassung fand am 1. August 1938 statt. Wegen seiner Vorstrafen konnte er keine geregelte Arbeit finden. Als die Polizei ihn schlafend in einem gestohlenen Auto erwischte, gab er an, dieses von einem ehemaligen Heiminsassen erhalten zu haben. Heinrich Blume saß vom 18. September 1939 bis zum 19. Februar 1940 erneut in Haft. Nach seiner Freilassung stand er unter "planmäßiger polizeilicher Überwachung". Bis zum 31. März 1940 arbeitete er als Platzarbeiter in einem Holzlager in Wilhelmsburg. Die Arbeit gab er wegen einer Kiefervereiterung auf.

Da er sich nicht mehr bei der Polizei gemeldet hatte, wurde nach ihm gefahndet. Am 14. April 1940 nahm ihn der Kriminalbereitschaftsdienst fest. Am Abend desselben Tages rief die Inhaberin des Hotels Seefahrt bei der Polizei an, um Blume und seinen Begleiter zu denunzieren. Blume wurde wegen Verdunkelungsgefahr vom 17. bis zum 26. April 1940 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Am 22. August 1940 musste er sich vor dem Landgericht Hamburg wegen "gewerbsmäßiger Unzucht" in zwei Fällen nach § 175 a Ziffer 4 RStGB verantworten. Aus dem Urteil: "Ihm wird vorgeworfen, gewerbsmäßiger Strichjunge zu sein. Schon in dem Verfahren aus dem Jahre 1938 ... ist diese Frage erörtert worden, konnte jedoch nicht mit Sicherheit zu Ungunsten des Angeklagten entschieden werden. In den hier zur Erörterung stehenden Fällen liegt die Sache so, daß der Angeklagte, wie er selbst zugibt, zur Zeit der Taten mittellos war. Es besteht daher der dringende Verdacht, daß er sich mit Boisen und Junge nur eingelassen hat, um dadurch Essen, Trinken, einen Kinobesuch und eine Bleibe im Hotel zu finden. ... Dem Angeklagten muß durch Strafen zum Bewusstsein gebracht werden, daß er dem Wege, auf den er geraten ist, ablassen muß, wenn er nicht zum gefährlichen Gewohnheitsverbrecher werden und in der Sicherungsverwahrung enden will. Je ein Jahr war die erforderliche Sühne." Zusammengenommen verurteilte ihn das Gericht zu einer 18-monatigen Gefängnisstrafe nach § 175 RStGB. Damit hatte sich das Gericht für das geringere Strafmaß entschieden.

Bereits im September 1940 stand Heinrich Blume erneut als Angeklagter vor dem Amtsgericht Hamburg, von dem er zu sechs Monaten Gefängnis wegen Diebstahls verurteilt wurde. Zusammen mit der vorhergehenden Strafe wurde eine Gesamtstrafe von einem Jahr und elf Monaten Gefängnis ausgesprochen. Vom 26. September 1940 bis zu seiner Überstellung an die Hamburger Kriminalpolizei verbüßte Blume die Haft im Strafgefängnis Wolfenbüttel. Zurück in Hamburg, wurde er im Polizeigefängnis Hütten inhaftiert und noch im September 1942 in das KZ Neuengamme verbracht, wo er die Häftlingsnummer 9835 bekam. Am 27. Februar 1943 wurde Heinrich Blume im Alter von 23 Jahren im Außenlager Wittenberge des KZ Neuengamme ermordet.

© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 b und 1 e; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 9682/38 und 4593/40; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 16.

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