Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Fanny Borower (geborene Schwarz) * 1876

Vogelhüttendeich 34 (Harburg, Wilhelmsburg)

1941 Riga
siehe auch den unter Thekla Bernau veröffentlichten Brief aus der Hartungstraße

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Vogelhüttendeich 34:
Wolf Borower

Wolf Borower, geb. am 20.2.1870, am 6.12.1941 nach Riga deportiert
Fanny Borower, geb. Schwarz, geb. am 21.11.1876, am 6.12.1941 nach Riga deportiert

Vogelhüttendeich 34

Wolf (oder Wolff, nachfolgend Wolf) Borower wurde in Neustadt bei Pinne im Landkreis Neutomischel in Posen (heute: Lwówek, Polen) geboren. Seine Eltern waren Minna, geb. Feldmann, und Liebermann Borower. Wolf Borower heiratete Fanny Schwarz, die in der Stadt Posen (heute: Poznán, Polen) geboren worden war. Sie war die Tochter von Malwina, geborene Elkeles, und Julius Schwarz. Das Ehepaar Borower blieb kinderlos, lebte in Berlin und meldete sich am 28.

Dezember 1903 mit dem Wohnsitz Brigittenstraße 9 erstmals in Hamburg an. Anfang September 1904 gingen beide wieder nach Berlin zurück. Wann sie sich dann genau in Harburg-Wilhelmsburg niederließen, ist anhand der Meldekartei nicht zu ermitteln.

Der Kaufmann Wolf Borower besaß seit Mitte der 1920er Jahre mehrere Häuser in Wilhelmsburg, lebte jedoch 1925/ 26 in Harburg, u. a. in der Mühlenstraße 5 (heute: Schlossmühlendamm). Spätestens seit 1936/37 lebte er mit seiner Frau Fanny in Wilhelmsburg, Vogelhüttendeich 68, in einer der beiden Wohnungen in der ersten Etage. Am 10. März 1928 ließ er seinen Schuhwarenhandel in das Handelsregister beim Amtsgericht Harburg eintragen. Als Adresse des Geschäftes gab er Fährstraße 73 an. Nach dem Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933 gingen dessen Einnahmen jedoch so weit zurück, dass er die Firma am 25. Mai 1935 wieder aus dem Handelsregister löschen ließ.

Als Wolf Borower am 21. Dezember 1938 von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten vorgeladen wurde, gab er als Besitz folgende Grundstücke in Wilhelmsburg an: Vogelhüttendeich 25/27 (zur Hälfte mit Alex Kessel, der in die USA emigrieren konnte; heute: Nr. 67/69), Vogelhüttendeich 68/70 (heute: Nr. 32/34), Henriettenstraße (heute: Ilenbrook) 13, Querstraße (heute: Schutenort) 1 und 3, Emilienstraße (heute: Schipperort) 10. Das Ehepaar Borower lebte von den Mieteinnahmen der Häuser und trug damit auch die Hypothekenschulden ab. Über die Konten verhängte der Oberfinanzpräsident am 24. Dezember 1938 eine "Sicherungsanordnung", denn – so die Standardbegründung – es sei damit zu rechnen, dass Borowers in nächster Zeit auswandern würden. Sie durften monatlich 275 RM für ihren Lebensunterhalt verwenden.

Vermutlich begannen Ende 1938 erste Verhandlungen zwischen Wolf Borower und potentiellen Käufern der Grundstücke. Das Grundstück Vogelhüttendeich 25 kaufte im Februar 1939 der Wilhelmsburger Milchhändler H. Cordes. Das Haus Vogelhüttendeich 27 gehörte 1942 M. Christensen aus Hamburg. Der Kaufvertrag für das Grundstück Vogelhüttendeich 68/70 wurde am 23. März 1940 mit Johann Blender aus Harburg abgeschlossen.

Nach Abzug der "Judenvermögensabgabe" sowie der Notarkosten wurden von den insgesamt durch die Grundstücksverkäufe eingenommenen 80000 RM nur etwas über 16600 RM auf das "beschränkt verfügbare Sicherungskonto" des Paares überwiesen.

Wolf und Fanny Borower, die weiterhin im Haus Vogelhüttendeich 68 lebten, verkauften die ihnen verbliebenen Grundstücke und Häuser in der Emilienstraße, Henriettenstraße und Querstraße schließlich 1941. Am 8. April 1941 beantragt, zogen sich die Verhandlungen bis zum Abschluss bis Dezember 1941 hin, bis der Notar und Rechtsanwalt Rich[ard] Wittber aus Harburg am 6. Dezember 1941 die Kaufvertragssache zwischen Fanny Borower abrechnete. Der Kaufpreis für die Grundstücke belief sich auf 56000 RM zuzüglich der Hypothekenzinsen von 186,47 RM. Abzüglich sämtlicher Schulden und Kosten wurden 12600 RM auf das "Sicherungskonto" überwiesen.

Fanny und Wolf Borower hatten Wilhelmsburg verlassen und lebten seit dem 12. November 1941 für kurze Zeit im "Judenhaus" Lenhartzstraße 3 in Hamburg-Eppendorf. Kurz vor ihrer Deportation nach Riga brachte die Gestapo sie mit neun weiteren Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Hartungstraße unter. In einem Brief berichtete ihre Mitbewohnerin Thekla Bernau kurz vor ihrer Deportation auch über Wolf und Fanny Borower: "Nun wissen wir es: Am 5. oder 6. Dezember geht es fort. Keiner fragt, wohin. Jeder weiß es, und keiner gesteht es sich ein. Wir sind jetzt elf in den zwei Zimmern Hartungstraße. Die Borowers sind die Ältesten und beide krank. Werden sie die Reise überstehen? Wolf B[orower] sagt zu seiner Fanni, es werde das gelobte Land. Und wenn sie wimmert und versucht, das geschwollene Knie auszustrecken, streichelt er sie und sagt, sie müsse sich über die Eisblumen an den Fenstern freuen. Solch schöne Eisblumen dieses Jahr! Wie nie zuvor. ..."

Am 6. Dezember 1941 wurden Fanny und Wolf Borower zusammen mit weiteren 966 Hamburger Jüdinnen und Juden nach Riga deportiert. Ihr Todesdatum ist unbekannt.

© Barbara Günther

Quellen: 1; 5; StaH, 332-8 Meldewesen, K 4398; 2 (R 1938/3641, Abl. 1998/01 J4 / 55 (+56), V 1/313); StaH, 213-13, AfW, Z 405; StaH, Adressbuch Harburg 1926, Adressbuch Wilhelmsburg 1937; 1942; Morisse, Heiko: Das "jüdische" Haus Lenhartzstraße 3, in: Koser/Brunotte, Stolpersteine Eppendorf, S. 438; "Keine Umstände!"; Thekla Bernaus letzter Brief, in: Sparr, Stolpersteine Winterhude, S. 55–57; Apel (Hrsg.), Tod, S. 105.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

druckansicht  / Seitenanfang