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Joseph Andrade * 1862

Semperstraße 39 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
JOSEPH ANDRADE
JG. 1862
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 22.8.1942

Joseph Andrade, geb. am 17.5.1862 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 22.8.1942

Semperstraße 39

Joseph Andrade wurde am 17.5.1862 als zweitjüngstes Kind des Maklers Abraham Joseph Israel Andrade (geb. ca. 1832, gest. 22.10.1882) und Rahel/ Rosalie, geb. Levy (geb. 18.3.1835 in Altona, gest. 25.2.1899), in Hamburg geboren. Der Vater war im Tabakgeschäft tätig.

Joseph Andrade wuchs mit drei Schwestern auf. Die älteren, Sara und Jehudith, waren am 17.11.1858 und am 15.12.1860 geboren worden und die jüngste, Zipora, war am 13.2.1866 zur Welt gekommen. Die Familie gehörte zur Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde, Nachfahren der Sepharden, die von der Iberischen Halbinsel vertrieben wurden und sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts unter anderem auch in Hamburg angesiedelt und ihre eigene Gemeinde gegründet hatten.

Anders als sein Vater ergriff Joseph Andrade keinen kaufmännischen Beruf, sondern verließ die Schule und heuerte im Alter von 14 Jahren als "Schiffsjunge" an. Die Familie wohnte in dieser Zeit in der Neustädter Fuhlentwiete 24 und - da sie im Hamburger Adressbuch nicht verzeichnet war - wahrscheinlich zur Untermiete.

Joseph Andrade blieb bei der Seefahrt. Bei einer seiner Reisen infizierte er sich mit Malaria. Deshalb musste er im Alter von 58 Jahren, im Oktober 1920, die Seefahrt aufgeben, da er unter wiederkehrenden Fieberschüben litt. Bis Ende 1921 erhielt Joseph Andrade noch Erwerbslosenunterstützung, dann musste er beim Wohlfahrtsamt Fürsorgeunterstützung beantragen. Im April 1922 fand Joseph Andrade wieder Arbeit als Wächter bei dem Bootsvermieter Hermann Bodewei. Jedoch erkrankte er im Oktober wieder schwer und musste bis Dezember 1922 im Eppendorfer Krankenhaus behandelt werden.

Wieder arbeitslos geworden, blieben alle Bemühungen, erneut eine Stelle als Wächter zu finden, erfolgslos. Anspruche auf Alters- oder Invalidenrente hatte Joseph Andrade nicht, wie es hieß, sei die "Anwartschaft" erloschen. Ab Oktober 1923 wurde er laufend von der Fürsorgebehörde unterstützt.

Als alleinstehender Seemann wohnte Joseph Andrade zur Untermiete, viele Jahre bei dem Ehepaar Selck in Altona in der Bleicherstraße 15, dann im Stadtteil Winterhude in der Forsmannstraße 26 und zuletzt in der Semperstraße 39. Als seine mittlerweile verwitwete Logiewirtin Louise Selck am 16. September 1935 verstarb, zog Joseph Andrade am 1. Oktober 1935 übergangsweise zu seiner ledigen Schwester Jehudith, die seit 1927 eine 1-Zimmer-Wohnung im jüdischen Hertz-Joseph-Levy-Stift am Groß Neumarkt 56 bewohnte. Kurz darauf fand er in der Nähe seiner Schwester, in der heute nicht mehr existierenden Schlachterstraße 28, bei dem Händler Karlstedt eine Unterkunft.

1937 zog Joseph Andrade noch drei Mal um, im Januar zunächst wieder ins Hertz-Joseph-Levy-Stift, diesmal zu dem Handlungsgehilfen "A. Levy". Im April wohnte er bei dem Kaufmann "G. Jahnke" in der Straße Hütten 67 und im Oktober in der Zeughausstraße 34 bei "Wagner". Nach einem Eintrag in der Fürsorgeakte lebte er "in geordneten Verhältnissen" in sauber gehaltenen Zimmern. Tagsüber ging er zu seiner Schwester Jehudith, die ihn mit verpflegte. Am 24. Februar 1939 wurde Joseph Andrades Fürsorgeakte mit dem Vermerk "wegen Einweisung ins Stift" geschlossen, die monatliche Unterstützung von 39 RM wurde eingestellt. Joseph Andrade fand wieder Aufnahme bei seiner Schwester Jehudith, bis sie im Alter von knapp 81 Jahren am 16. Januar 1941 im Jüdischen Krankenhaus in der Johnsallee 54 an Speiseröhrenkrebs verstarb. Zu diesem Zeitpunkt wurde das ehemalige Hertz-Joseph-Levy-Stift bereits als sogenanntes Judenhaus genutzt.

Nach dem Tod seiner Schwester wurde Joseph Andrade in das "Jüdische Altenheim Nordheim-Stift" in die Schlachterstraße 40/42 eingewiesen, dort erhielt er seinen Deportationsbefehl.

Am 19. Juli 1942 wurde Joseph Andrade nach Theresienstadt deportiert. Bereits einen Monat später, am 22. August 1942, verstarb er im Alter von 80 Jahren.

Joseph Andrades Schwester Sara hatte am 24. März 1879 in Altona den nichtjüdischen Schneider Friedrich Wilhelm Heinrich Albert Wolf (geb. 15.8.1841 in Reichenbach, gest. 30.4.1892) geheiratet: Sie starb verwitwet am 18. August 1926 und hatte zuletzt in der Emilienstraße 65 gewohnt.

Die jüngere Schwester Zipora hatte am 17. Oktober 1901 ihren Cousin geheiratet, den Zigarrensortierer Joseph Andrade (geb. 9.2.1870, gest. 15.3.1933). Sie starb am 26. Juli 1905 im Alter von 34 Jahren an einem Herzklappenfehler in ihrer Wohnung in der Steinstraße 72 in Altona.

Stand: Dezember 2020
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 1; 3; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 884; StaH 332-5 Standesämter 5260 Nr. 1422/1905; StaH 332-5 Standesämter 8174 Nr. 20/1941; StaH 332-5 Standesämter 5239 Nr. 303/1899; StaH 332-5 Standesämter 8614 Nr. 649/1901; StaH 332-5 Standesämter 2600 Nr. 266/1879; StaH 332-5 Standesämter 913 Nr. 278/1926; StaH 332-5 Standesämter 128 Nr. 2896/1882; StaH 332-5 Standesämter 346 Nr. 959/1893; StaH 332-5 Standesämter 142 Nr. 799/1883; StaH 332-5 Standesämter 50 Nr. 5933/1895; StaH 332-5 Standesämter 1057 Nr. 605/1908; StaH 332-5 Standesämter 1249 Nr. 7172/1936; StaH 332-5 Standesämter 1008 Nr. 87/1933; 332-5 Standesämter 5216 Nr. 1175/1892; StaH 111-1 Senat 40538; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5, Transport nach Theresienstadt am 19. Juli 1942 Liste 1; www.jüdischer-friedhof-altona.de (Zugriff 18.11.2020); www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/4205-josef-andrade/(Zugriff 18.11.2020); Adressbücher Hamburg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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