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Alma del Banco
© Privatbesitz

Alma del Banco * 1862

Hasenhöhe 95 (Altona, Blankenese)

Freitod am 8.3.1943 HH

Alma del Banco, geb. 24.12.1862 in Hamburg, Freitod am 7.3.1943 (Tod 8.3.1943)

Am Weihnachtstag 1862 wurde Alma del Banco in Hamburg geborgen. Sie wuchs als jüngste Tochter einer assimilierten jüdischen Familie in gutsituierten Verhältnissen auf. Ihre Mutter hieß Therese del Banco; ihr Vater Eduard del Banco betrieb ein Handelsgeschäft für Rauchwaren, Borsten und Daunen.

Sigmund del Banco, der ältere Bruder Alma del Bancos, baute dieses Geschäft aus und konnte nach dem frühen Tod der Eltern seinen Schwestern und sich einen großzügigen Lebensstil finanzieren. Er und Alma del Banco blieben beide unverheiratet und teilten sich bis zu seinem Tod eine Wohnung am Jungfernstieg 50.

Im Alter von über 30 Jahren wandte sich Alma del Banco der Malerei zu und nahm ein Studium an der renommierten "Privaten Kunstschule für Damen" von Valeska Röver auf. Hier besuchte sie die Klasse von Ernst Eitner, der ein bekannter Vertreter der Freilichtmalerei war und dem Hamburgischen Künstlerclub von 1897 angehörte. Ernst Eitner beeinflusste das Frühwerk seiner Schülerin stark: Auch Alma del Banco wurde zunächst eine Freilichtmalerin. Um 1913 reiste die Künstlerin nach Paris. Angeregt von diesem Studienaufenthalt begann eine mehrjährige Phase der intensiven Auseinandersetzung mit den verschiedensten Künstlern und Kunstrichtungen der Moderne: mit Paul Cézanne, Fernand Léger, Henri Matisse und Franz Marc, mit dem Expressionismus und dem Kubismus.

Um 1918 malte die inzwischen weit über fünfzig Jahre alte Künstlerin die ersten Bilder in ihrer charakteristischen Handschrift, die ihr Hauptwerk prägt: Indem sie die Konturlinien auffallend dunkelfarbig gestaltete und die Sujets zu leicht eckigen Farbflächen abstrahierte, verband sie skizzenhafte und malerische Elemente zu spannungsvollen Kompositionen. Ihre Motive fand die Künstlerin in ihrer norddeutschen Umgebung, aber auch auf Reisen in Südeuropa. Darüber hinaus wurde sie eine gefragte Portraitistin.

Als sich 1919 die Hamburgische Sezession zusammenfand, gehörte Alma del Banco zu den Gründungsmitgliedern. Ähnlich wie bei den bekannteren Sezessionen in Berlin und Wien, die sich schon um die Jahrhundertwende gegründet hatten, bedeutete auch die Hamburger Gründung die Absage an eine konventionelle Kunstauffassung. Die Maler, Bildhauer und Architekten, die sich hier gruppierten, bildeten die Avantgarde Hamburgs, und Alma del Banco war eine der anerkannten Künstlerinnen der Sezession. Zusätzlich gehörte sie der von Ida Dehmel gegründeten Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen (heute GEDOK – Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V.) an, die 1926 als Ableger des "Frauenbundes zur Förderung deutscher bildenden Kunst" gegründet worden war. Alma del Banco engagierte sich im Beirat der Fachgruppe Malerei.

Die Verdrängung Alma del Bancos aus ihrem Beruf und aus der Öffentlichkeit ging Schritt für Schritt vor sich. Am 30. März 1933 wurde die zwölfte Ausstellung der Hamburgischen Sezession polizeilich geschlossen, da die "Ausstellungsobjekte in ihrer überwältigenden Mehrzahl zur Förderung des Kulturbolschewismus geeignet" seien. Kurz darauf wurde die Künstlergruppe aufgrund des für alle Vereine erlassenen Gleichschaltungsgesetzes aufgefordert, sich bedingungslos zum neuen Regime zu bekennen, das Führerprinzip zu praktizieren und ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Weder das eine noch das andere konnten die Mitglieder der Sezession mit ihrem politischen und moralischen Gewissen vereinbaren. Einstimmig beschlossen die Künstler daraufhin die Auflösung der Sezession und vertranken gemeinsam das Vereinsvermögen. Mit der Hamburgischen Sezession verlor Alma del Banco ihre wichtigste künstlerische Bezugsgruppe. Auch die GEDOK bekam die Machtübertragung an die Nationalsozialisten schnell zu spüren. Ende April 1933 fand eine Mitgliederversammlung statt, in der – wegen der bevorstehenden Gleichschaltung – die Auflösung der Ortsgruppe beraten werden sollte. Doch die Nationalsozialisten kamen diesem Ansinnen der Künstlerinnen zuvor, indem sie zu der Versammlung erschienen, den gewählten Vorstand gegen einen von ihnen bestimmten austauschten und den Ausschluss aller jüdischen Mitglieder durchsetzten.

Die dritte Vereinigung, der die Künstlerin angehörte, war eine gesellschaftspolitische: der ZONTA-Club. Der auch heute noch weltweit aktive Damenverein, der nur berufstätige, selbstständige Frauen aufnimmt, setzt sich für die Rechte und Unterstützung von Frauen ein, indem er politisch agiert und einzelne Projekte durch Stipendien und Zuschüsse fördert. Alma del Banco hatte den ersten deutschen Verein des aus Amerika stammenden Clubs 1931 mitgegründet. Um der Gleichschaltung zu entgehen, ließen die Damen ihren Verein aus dem Vereinsregister streichen und trafen sich nur noch heimlich im privaten Rahmen.

Alma del Banco zog 1934 in ihr Atelier in der Großen Theaterstraße 34/35. 1935 trat sie in der Hoffnung, der Ausgrenzung der Juden zu entgehen, aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft aus. Die Zwangsmitgliedschaft in der Reichskulturkammer bildete eine weitere Maßnahme gegen nicht genehme und "rassisch" verfemte Künstler: Jeder Kunstschaffende musste der Kammer beitreten und dafür seine "arische" Abstammung nachweisen. Die Nichtaufnahme oder der Ausschluss hatten automatisch den Wegfall der Kranken- und Sozialversicherung sowie Ausstellungs- und Tätigkeitsverbot zur Folge. Innerhalb der Jahre zwischen 1936 und 1938 wurden alle Juden, die aus noch nicht hinreichend erforschten Gründen zunächst Aufnahme gefunden hatten, ausgeschlossen – so auch Alma del Banco. 1937 begann die von großem Propagandawirbel begleitete Aktion "Entartete Kunst", die auch Alma del Bancos Bilder erfasste. Bei dieser Welle von Beschlagnahmungen von Kunstwerken aus öffentlichem Besitz wurden aus der Hamburger Kunsthalle 13 Werke der Künstlerin konfisziert, neun Bilder wurden zerstört, eines ist verschollen. Die Nationalsozialisten verbannten die Moderne aus den Museen und ließen nur noch eine deutschtümelnde, naturalistische Malerei gelten. Die einst so erfolgreiche Künstlerin, die zu den Größen der regionalen Kunstszene gehört hatte und die von Ida Dehmel als unbestritten "erste Malerin von Hamburg" bezeichnet wurde, erlebte die Verfemung und Vernichtung ihrer Kunst.

1938 starb der Bruder Sigmund im Alter von über 80 Jahren. Alma del Banco löste ihre Atelierwohnung auf und zog zu ihrem Schwager. Dieser hatte sich nach dem Tod seiner Frau Mitte der dreißiger Jahre in Blankenese in der Hasenhöhe 95 ein Haus gebaut und dies so konzipiert, dass Alma del Banco später zu ihm ziehen konnte: Im Obergeschoss richtete er für sie zwei Zimmer mit großen Atelierfenstern ein. Ab 19. September 1941 mussten Juden den "gelben Stern" tragen. Alma del Banco verließ nun, so die Erinnerungen ihrer Großnichte, nur noch selten das Haus. Tatsächlich stand sie unter Hausarrest. Im Oktober 1941 begannen die Deportationen. Anfang März 1943 erhielt die 80-jährige Alma del Banco einen Deportationsbefehl für den 10. März nach Theresienstadt. In der Nacht vom 7. auf den 8. März, also drei Tage davor, nahm sie sich das Leben. Die Großnichte besuchte gemeinsam mit ihrem Vater die Künstlerin noch am Nachmittag vor ihrem Tod. Ihr Entschluss, aus dem Leben zu scheiden, war – so die Großnichte – zu diesem Zeitpunkt schon beschlossene Sache. Heiter wie immer sei ihr Alma del Banco begegnet. An die letzten Stunden erinnerte sich der Schwager: Sie aßen zusammen Abendbrot. "Ach, haben wir nicht noch was Schönes?" fragte die Malerin. Ihr fielen von der Freundin geschenkte Buttermarken ein, und so aßen sie ihre Brote mit Butter. Anschließend nahm sie eine Überdosis Morphium zu sich und sagte euphorisch: "Besser kann man das gar nicht haben." Gegen Morgen starb sie.

© Friederike Weimar

Quellen: Bruhns, Kunst in der Krise, S. 48ff.; Archiv Verfolgte Kunst in Hamburg; Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (Hrsg.), Das Jüdische Hamburg, S. 31.

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