Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Sophie Gertrud Lasdun * 1914

Grindelallee 126 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1942 Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 126:
Selma Cohn, Josef Lasdun, Aurelia Lasdun, Charles Lasdun, Fanny Lasdun, Sulamith Lasdun, Valesca Lewin

Josef Lasdun, geb. am 6.12.1878 in Schatzk bei Minsk, interniert am 9.10.1942 in Westerbork, am 6.11.1942 von dort nach Auschwitz deportiert, am 9.11.1942 ermordet
Aurelia (Rahel) Lasdun, geb. Kaplan, geb. am 25. oder 28.10.1889 in Memel, interniert am 9.10.1942 in Westerbork, am 6.11.1942 von dort nach Auschwitz deportiert, am 9.11.1942 ermordet
Sophie Gertrud Lasdun, geb. am 28.7.1914 in Königsberg, interniert am 9.10.1942 in Westerbork, am 6.11.1942 von dort nach Auschwitz deportiert, am 9.11.1942 ermordet
Ita Leah Lasdun, geb. am 7.9.1915 in Hamburg, umgekommen, Ort unbekannt
Sulamith Lasdun, geb. am 18.11.1918 in Hamburg, interniert am 9.10.1942 in Westerbork, am 6.11.1942 von dort nach Auschwitz deportiert, am 9.11.1942 ermordet
Charles Lasdun, geb. am 7.6.1920 in Hamburg, am 16.2.1943 von Westerbork nach Auschwitz deportiert, ermordet
Fanny Lasdun, geb. am 31.5.1924 in Hamburg, interniert am 9.10.1942 in Westerbork, am 6.11.1942 von dort nach Auschwitz deportiert, am 9.11.1942 ermordet

Grindelallee 126

Nach gemeinsamen Jahren in Königsberg kam das Ehepaar Josef und Aurelia Lasdun noch während des Ersten Weltkriegs – wahrscheinlich 1915 – nach Hamburg, wo der Im- und Exportkaufmann Josef Lasdun zusammen mit seinem Bruder Leo Lasdun am 25. Januar 1920 in die Jüdische Gemeinde eintrat. Die Eltern von Josef Lasdun waren Beer und Goldt, geborene Nachamzik. Von den bis dahin geborenen Kindern Sophie Gertrud, Ita Lea, Theodor und Sulamith kamen alle außer der ältesten Tochter, die in Königsberg geboren wurde, in Hamburg zur Welt, Theodor am 11. März 1917. Bis 1926 wuchs die Familie um weitere drei Kinder: Charles, Fanny und Isaak Samuel, geboren am 26. März 1926, sodass aus der Ehe insgesamt vier Töchter und drei Söhne hervorgingen. Von den Töchtern überlebte keine, von den Söhnen zwei: Theodor und Isaak Samuel.

Josef Lasdun beantragte bereits 1931 ein Visum für die Niederlande, das ihm mit einer Gültigkeitsdauer von zwei Jahren ausgestellt wurde. Daraufhin verbrachte er bereits zwischen 1931 und 1933 immer wieder Zeit in den Niederlanden. Im April 1933 flüchtete er zunächst für drei Monate nach Amsterdam, wo er in der Plantage Kerklaan 16 unterkam, und von dort nach Zaandvort, wo er drei Jahre lang im Koninginnenweg 9 lebte. Um 1937 zog er nach Rotterdam, wo er noch im selben Jahr einen Personalausweis ausgestellt bekam.

Seine älteste Tochter Sophie Gertrud wollte im Laufe des Jahres 1933 – die Nationalsozialisten waren bereits an der Macht – eine Ausbildung zur Masseurin beginnen. Als ihr dies verweigert wurde, floh sie am 16. Oktober 1933 ebenfalls in die Niederlande. 1937/38 war sie für einige Zeit Patientin der psychiatrischen Klinik Apeldoorn.

Aurelia Lasdun folgte ihrem Mann 1937 oder 1938 in die Niederlande, vermutlich zusammen mit den Kindern Sulamith, Fanny und Isaak. Sie hatte zunächst noch das Abitur der Tochter Ita Lea an der Talmud Tora Schule am 25. Februar 1935 abgewartet. Nach Angaben der Brüder Theodor und Isaak kam Ita Lea aber nicht mit in die Niederlande, sondern wurde in Deutschland "gleich zu Beginn der intensiven Judenverfolgung" deportiert. Sie gilt nach Aussage des Internationalen Roten Kreuzes zum 8. Mai 1945 als verstorben. Ihre letzte Anschrift lautete: Deutschland, Westfalen. Sulamith Lasdun lebte bis zu ihrer Internierung in Westerbork im Oktober 1942 in Rotterdam und in Arnheim. Von dort aus wollte sie nach Palästina emigrieren, was ihr jedoch nicht mehr gelang. Noch im Mai 1941 hatte sie sich in Rotterdam mit Isaak (Isak) Glattstein verlobt. Er war am 11. Februar 1910 in Perekinsko (damals österreichisch-ungarisches Kronland Galizien, heute Ukraine) geboren worden und arbeitete als Textilhändler. Er wurde am 20. März 1945 in Auschwitz ermordet.

Charles Lasdun besuchte bis 1937 die Talmud Tora Schule. Angesichts der zunehmenden Verfolgung machte er keinen Abschluss und flüchtete im Oktober desselben Jahres zu seinem Vater nach Rotterdam, wo er als selbstständiger Vertreter arbeitete.

Mit der Besetzung der Niederlande im Mai 1940 durch die Wehrmacht ging die Judenverfolgung auch dort weiter. Nicht nur die geschäftliche Existenz, auch Leib und Leben waren zunehmend bedroht. Am 9. Oktober 1942 wurden Josef und Aurelia Lasdun ebenso wie ihre Töchter Sophie, Fanny und Sulamith in das "Durchgangslager" Westerbork eingeliefert, am 6. November 1942 von dort nach Auschwitz deportiert und am 9. November 1942 ermordet. Charles Lasdun wurde am 16. Februar 1943 von Westerbork nach Auschwitz deportiert und überlebte diesen Schreckensort ebenfalls nicht.

Wie der jüngste Sohn Isaak Samuel überlebte, war nicht zu klären. Er wurde am 9. April 1943 im Lager Vught interniert, es ist unklar, ob er zu den dort befreiten Häftlingen gehörte.

Der Flüchtlingsweg des ältesten Sohnes Theodor, der den Holocaust überlebte, zeigt, wie die Odyssee eines jungen Menschen innerhalb von fünfzehn Jahren verlaufen konnte: entwurzelt, von der Familie getrennt und ohne abgeschlossene Berufsausbildung flüchtete er von Deutschland über Russland, Japan und China in die USA. Eigentlich hatte er die Absicht, nach Mittlerer Reife und Handelsschule ins väterliche Geschäft einzutreten, sah sich aber im April 1933 als 16-Jähriger gezwungen, ebenso wie der Vater zu flüchten. Er erhielt vom litauischen Konsul ein Badevisum nach Memel und am Ende der Badesaison ein Studentenvisum nach Telsiai (Telshi), wo ein Rabbinerseminar existierte. Jedes Beschäftigungsverhältnis war ihm verboten, trotzdem musste er alle drei Monate das Visum unter großen Kosten und Schwierigkeiten verlängern lassen. Er besuchte die Vorbereitungsschule für das Rabbinerseminar. 1940 erhielt er vom japanischen Konsulat in Kowno (Kaunas) ein Transitvisum nach Japan und gelangte auf dem Weg durch Russland in die japanische Hafenstadt Kobe. Von dort wurde er nach mehrmonatigem Aufenthalt nach Shanghai deportiert und lebte vom 18. Mai 1943 bis zum 15. August 1945 im Getto Shanghai "gleich allen Flüchtlingen". Anfang 1947 erhielt er ein Studentenvisum in die USA und besuchte dort bis 1949 das Theologische Seminar in Cleveland/Ohio. Im Sommer 1949 heiratete er und lebte fortan als Buchhändler in New York. Isaak Samuel Lasdun lebte nach dem Krieg in Brüssel.

Stand: Juli 2017
© Dieter Wolf

Quellen: 1; 5; 8; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 2603, 43374, 40877, 42493 u. 42315; E-Mail-Auskunft v. Pauline Pieper, Medewerker Landelijk Steunpunt Gastsprekers WO II-Heden, Herinneringscentrum Kamp Westerbork, 10.10.2016; Digitales Archiv IST Bad Arolsen, Teilbestand 1.2.4.2. Dok. ID 12763704,12763705, 12763708, 12763711, 12763713, 12763716, 12763717, (Holland, Kriegszeitkartei der Juden); Teilbestand 6.3.3.2.Dok. ID 99416336 – Korrespondenzakte T/D 422931 und ID 99416345 – Korrespondenzakte T/D 422932; Teilbestand 3.1.1.3. Dok. ID 78772918 – Erfassung von befreiten Verfolgten an unterschiedlichen Orten; www.joodsmonument.nl/en/page/130867/isak-glattstein (Zugriff 25.12.2016)
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang