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Wilhelm Brunke * 1903
Maretstraße 45 (Harburg, Harburg)
HIER WOHNTE
PATER
WILHELM BRUNKE
JG. 1903
VERHAFTET 30.11.1940
"VERSTOSS GEGEN DAS
LEBENSMITTELGESETZ"
1940 ERZIEHUNGSLAGER
BREITENAU
1941 DACHAU
ERMORDET 5.8.1942
Wilhelm Brunke, geb. am 21.1.1903 in Harburg, Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz, eingewiesen in das Arbeitserziehungslager Breitenau am 26.12.1940, überstellt in das KZ Dachau am 16.5.1941, ermordet am 5.8.1942
Stadtteil Harburg-Altstadt, Maretstraße 45
Wilhelm Johannes Josef Brunke kam als Sohn des katholischen Lokomotivheizers Christian Wilhelm Johannes Brunke und seiner ev.-luth. Ehefrau Anna Margaretha Dorothea Brunke, geb. Brenning, zur Welt. Die Familie wohnte im Harburger Phoenix-Viertel, einem Quartier, das im Zuge der raschen Industrialisierung Harburgs in den Jahren nach 1875 auf dem Krummholzberg entstanden war.
In diesem eng bebauten Wohngebiet verbrachte Wilhelm Brunke seine Kindheit, und hier ging er mit den Kindern aus der Nachbarschaft zur Schule. Seine Lehrer waren einigermaßen verwundert, als er eines Tages davon sprach, später einmal Priester werden zu wollen, was sie nicht ernst nahmen. Im Laufe seines Schülerlebens musste er dafür manchen Spott über sich ergehen lassen.
Dem zum Trotz trat Wilhelm Brunke am 28. März 1923 in [Bad-Soden-]Salmünster in den Franziskaner Orden ein und erhielt den Ordensnamen Thaddäus. Mit 27 Jahren wurde er zum Priester geweiht. Fast ein Jahrzehnt wirkte er dann als Kaplan in der Franziskanerpfarrei St. Bonifatius in Mannheim. Dieser Einstieg war nicht leicht. Als Norddeutscher mussten er und die Süddeutschen sich erst aneinander gewöhnen.
1933 übernahm er die weibliche Jugendarbeit in der Pfarrei. Es dauerte nicht lange, bis der totale Machtanspruch der Nationalsozialisten in das kirchliche Leben eingriff. 1937 wurde die kirchliche Jugendarbeit im öffentlichen Bereich vollends verboten. Sie war praktisch auf den Kirchenraum bei Androhung schwerster Strafen begrenzt. Damit begann für Pater Thaddäus eine gefahrvolle Gratwanderung. Aus Wanderungen in die Umgebung wurden Wallfahrten und aus öffentlichen Kirchenkonzerten feierliche Liederabende im Gemeindehaus, die nicht selten unter dem Gejohle zu leiden hatten, mit dem die Hitlerjugend das Geschehen von außen verfolgte.
Im August 1939, vier Wochen vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, wurde Pater Thaddäus von der Provinzleitung zum Guardian des Klosters Frauenberg bei Fulda berufen. Es fiel ihm außerordentlich schwer, die Pfarrseelsorge aufzugeben und die neuen Aufgaben anzunehmen. Von der Gemeinde verabschiedete er sich in seiner letzten Predigt mit den Worten: "Ich gehe nun fort von dem Altar, auf dem ich so lange das Opfer Christi darbringen durfte; fort von der Kanzel, auf der ich euch so oft das Brot des Evangeliums brechen durfte, fort von dem Beichtstuhl, in dem ich vielen, so hoffe ich, Vergebung und Frieden bringen durfte, fort von der Jugend, die ich so lange führen durfte. Ich werde diese Pfarrei niemals vergessen können. Auch euch möchte ich bitten, vergesst mich nicht und betet für den, der euch Gottes Wort verkündet hat, damit er selbst nicht verloren gehe."
Als Hausoberer eines Klosters hatte Thaddäus-Brunke auch dafür Sorge zu tragen, dass die Mitbrüder genug zum Essen und das Notwendige zum Leben hatten. Das wurde ihm zum Verhängnis.
Bereits am 2.1.1936 hatten die Nationalsozialisten ein Gesetz erlassen, das eine Ablieferungspflicht für landwirtschaftliche Produkte vorsah. Diese Situation wurde durch die Rationierung von Lebensmitteln seit dem 1. September 1939 noch verschärft. Das Horten von Lebensmitteln sollte mit allen Mitteln unterbunden werden. Wer dagegen verstieß, hatte mit harten Strafen zu rechnen.
Die Franziskaner lebten damals fast ausschließlich von Almosen und nahmen auch Naturalien für ihre seelsorgerischen Dienste dankbar entgegen, deshalb versuchten zahlreiche Bewohner ihnen mit Lebensmittelspenden, die sie heimlich ins Kloster transportierten, zu helfen. Eine dieser Hilfslieferungen wurde am 30.11.1940 von der Gestapo gestoppt. Bei dem anschließenden Ortstermin im Kloster Frauenberg wurde die Überschreitung des Lebensmittelkontingents aufgedeckt. 14 Tage später wurde das Kloster Frauenberg geschlossen und Pater Thaddäus wegen Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz verhaftet.
Als das Amtsgericht Fulda es ablehnte, sich mit dem Fall zu befassen, wurde der Verhaftete von der Gestapo am 26.12.1940 in das Arbeitserziehungslager Breitenau bei Kassel eingewiesen.
Dieses Lager hatten die Nationalsozialisten in dem ehemaligen Kloster gleichen Namens eingerichtet. Hier sollte den Häftlingen verdeutlicht werden, was ihnen `blühte´, wenn sie am Arbeitsplatz nicht die gewünschten Verhaltensweisen zeigten. Der Aufenthalt war auf etwa acht Wochen begrenzt, um die Häftlinge nach der `Disziplinierung´ wieder in der Produktion einsetzen zu können. Neben der Funktion als Arbeitserziehungslager war das Lager Breitenau auch gleichzeitig Konzentrationssammellager. Während der Haftzeit wurde entschieden, ob ein Gefangener zum Arbeitsplatz entlassen oder in ein Konzentrationslager überstellt wurde. Dies war das Schicksal etwa jedes fünften Gefangenen.
Am 16. Mai 1941 wurde Thaddäus-Brunke in das KZ Dachau bei München verlegt, wohin seit Ende 1940 alle inhaftierten Geistlichen, gleich welcher Konfession, überstellt wurden. Dort erhielt er als Schutzhäftling die Nummer 25 443, und gehörte zu den Personen, die in dem so genannten Priesterblock – oder auch Pfarrerblock - untergebracht waren. Dieser Lagerbereich bestand aus den drei Holzbaracken Nr. 26, Nr. 28 und Nr. 30 mit einer Grundfläche von jeweils 100 x 10 Metern. Das Areal war durch Stacheldraht vom restlichen Lagergelände abgetrennt. Den anderen Häftlingen war der Zugang zum Pfarrerblock untersagt. In einer Stube der Wohnbaracke Nr. 26 durften die inhaftierten Priester täglich Gottesdienste abhalten. In größeren Abständen erhielten sie im Unterschied zu allen anderen Häftlingen auch Lebensmittelpakete, womit sie sich sehr schnell die Missgunst ihrer Mitgefangenen zuzogen. Auch die Funktionshäftlinge, die die Arbeitskommandos anführten (Kapos), und die Bewacher aus den Reihen der SS waren nicht gut auf die `weltabgewandten und arbeitsscheuen Pfaffen´ zu sprechen und gaben ihrer Abneigung nur allzu oft in entwürdigenden Erniedrigungen und niederträchtigen Schikanen Ausdruck.
Insgesamt waren mehr als 3.000 Pfarrer, Ordensgeistliche und hohe kirchliche Würdenträger in der NS-Zeit im KZ Dachau inhaftiert. 1.034 von ihnen waren bei der Befreiung des Lagers durch amerikanische Truppen am 29. April 1945 nicht mehr am Leben.
Von Pater Thaddäus wird erzählt, dass er sich ungeachtet dieser Lebensumstände besonders um die Gestaltung der Gottesdienste mühte, aus denen alle Mitbrüder so viel Kraft schöpften. Einer seiner mitgefangenen Glaubensbrüder, der Fuldaer Diözesanpriester Josef Albinger, berichtete später: "[P. Thaddäus] war bei den priesterlichen Mitgefangenen sehr beliebt. Er überließ sein hartes Schicksal ganz dem Willen Gottes und seiner barmherzigen Gnade. Das Leben im KZ betrachtete er als eine harte, aber gute Schule für das Verstehen der Menschennot und das Suchen und Finden von Wegen zu den Menschenherzen. Er war ein Mann, der kein Opfer scheute, niemals war es ihm um seine Person zu tun. Für die Not des Nächsten hatte er stets ein Auge."
15 Monate unter den Bedingungen des Konzentrationslagers reichten aus, im Pater Thaddäus aus einem lebensfrohen jungen Mann und einem glaubensstarken Priester in einen an Entkräftung Dahinsiechenden zu wandeln. Im Juni 1942 erlitt er als 39-jähriger einen ersten leichten, am 4. August 1942 gegen 14.00 Uhr bei der Arbeit einen zweiten schweren Schlaganfall, bei dem er die Sprache verlor und einseitig gelähmt wurde. Nachdem ihm die Krankensalbung und die hl. Kommunion gespendet worden waren, ereilte ihn in der folgenden Nacht gegen zwei Uhr der Tod.
Sein sterblicher Leib wurde dem Krematorium in Dachau übergeben. Seine Eltern erhielten anschließend eine Urne mit Asche, die auf dem Friedhof seiner Heimatstadt Harburg beigesetzt wurde.
Nach 1945 wurde in der Kirche des Klosters Frauenberg eine Gedenktafel enthüllt, die an Pater Thaddäus Brunke erinnert.
Auch in der Mannheimer St. Bonifatiuskirche trägt eine Gedenktafel dazu bei, dass er im Gedächtnis vieler Menschen der Pfarrgemeinde und darüber hinaus als begnadeter Jugendseelsorger in der Zeit des Nationalsozialismus fortlebt.
Stand: April 2019
© Klaus Möller
Quellen: Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, Namensliste der Häftlinge und Zugangsbücher; Harburger Adressbuch 1903; Helmut Moll (Hrsg. im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, 6. neu strukturierte und erweiterte Auflage Paderborn 2015; Reiner Albert, Günther Saltin, Zwischen Konformität und Gewissen. Zeugnis Mannheimer Katholiken im Dritten Reich, Ostfildern 2003; Internationaler Tracing Service Bad Arolsen.