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Erwin Bukschnewski * 1936
Domstraße 21 / Ecke Willy-Brandt-Straße (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)
HIER WOHNTE
ERWIN BUKSCHNEWSKI
JG. 1936
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
LODZ
Weitere Stolpersteine in Domstraße 21 / Ecke Willy-Brandt-Straße:
David Bukschnewski, Grete Bukschnewski, Ruth Bukschnewski
Dr. phil. David Israel Bukschnewski, geb. am 20.12.1872 in Wolkowysk, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort verstorben am 3.4.1943
Erwin Eisik Bukschnewski, geb. am 18.7.1936 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz
Grete Bukschnewski, geb. Steiner, geb. am 21.12.1900 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort verstorben am 18.1.1944.
Ruth Lea Bukschnewski, geb. am 11.7.1937 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort verstorben am 13.6.1944
Willy-Brandt-Straße 21/Ecke Domstraße, vor dem Zürichhaus (Gröningerstraße 6)
Als David Bukschnewski am 20. Dezember 1872 in Wolkowysk (heute Vilkaviskis/Litauen) zur Welt kam, gehörte seine Geburtsstadt zum Russischen Zarenreich. Seine Eltern waren der Landwirt Eisik/Isack Bukschnewski und Lea/Lina, geb. Lurie. Eine jüngere Schwester Miriam Paisner war am 15. Juli 1887 in Neustadt (heute Kudirkos Naumiestis/Litauen) geboren worden. Sie lebte später in New York. Seit wann, ist nicht überliefert.
Die ersten Schuljahre hatte David Bukschnewski in seiner Heimat verbracht. Im Alter von 20 Jahren, am 3. Dezember 1894, begann er an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin (heute Humboldt-Universität zu Berlin) ein Studium, dass die Fächer Philosophie, Mathematik, Physik, Botanik, Mineralogie und Technologie umfasste. Sein Hauptinteresse galt der Chemie und den verwandten Naturwissenschaften. Seine Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde "Über die Wanderung der Jonen" erschien im April 1901 in Berlin. Er hatte sie seinen Eltern gewidmet, besonders dem Andenken seiner "unvergesslichen Mutter", die in Wielkawiecz (heute Władysławów) einem Ort in Westpreußen verstorben war. Später verfasste er noch weitere wissenschaftliche Abhandlungen, so z.B. 1925 ein "Beitrag zur quantitativen Bestimmungen von Chlor in Benzaldehyd".
Etwa um 1902 hatte David Bukschnewski eine Assistentenstelle bei dem damals in seinem Fach bekannten Chemiker Gustav Weiss in der Hamburger Brandstwiete 46 angetreten. Das "öffentliche Chemische Laboratorium" bestand seit 1879 und war in der Mattentwiete 35 gegründet worden. Das Hamburger Adressbuch verzeichnete David Bukschnewski erstmalig im Jahre 1904 am Gänsemarkt 60. Zwei Jahre später wohnte er am Alsterdamm 3 (heute Ballindamm) in der dritten Etage und dann in der Altstadt in der Schmiedestraße 22. Mitglied der hiesigen Deutsch-Israelitischen Gemeinde wurde er 1910, dem Jahr, in dem ihn Gustav Weiss als beeidigter Handelschemiker und Mitinhaber in seine Firma aufnahm. 1913 wurde der Firmensitz in die Gröningerstraße 28 (heute Willy-Brandt-Straße) verlegt.
David Bukschnewski heiratete am 14. März 1912 Valentine Kauffmann (geb. 14.6.1883). Die Tochter des geschiedenen Ehepaares Lazar Kauffmann und Henriette, geb. von Block, stammte aus Zabern im Elsass. Als Trauzeugen fungierten Gustav Weiss und der Kaufmann Simon Arendt.
Das Ehepaar Bukschnewski zog in die Meldorferstraße 11 in Hamburg-Eppendorf. 1916 wurde David Bukschnewski als Soldat eingezogen. Nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg und dem Tod des Firmengründers Gustav Weiss wurde David Bukschnewski 1918 Alleininhaber des Labors. Er modernisierte es "nach den neusten Errungenschaften der Neuzeit" und erweiterte das Labor durch die Einrichtung einer Metall- und Hüttenabteilung, sowie einer Edelmetallprobieranstalt. 1919 wählte der Allgemeine Deutsche Ölhändlerverein E.V. in Bremen es zum "Vertrauenslaboratorium".
Für ein Jahr, von 1920 bis 1921, unterhielt David Bukschnewski eine "Chemische Schule" am ehemaligen Standort des Labors in der Brandstwiete 46. Seit 1924 war er als Probenehmer für Metalle, Erze und Hüttenprodukte vereidigt. 1931 erwarb David Bukschnewski ein vierstöckiges Kontorhaus in der Gröningerstraße 6 und verlegte seinen Arbeitsplatz dorthin. Seine Frau Valentine erhielt Prokura. Sie starb schon früh, am 3. April 1934, erst 51-jährig und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt. Ihre Ehe war kinderlos geblieben.
1935 ging David Bukschnewski eine zweite Ehe mit der 28 Jahre jüngeren Musiklehrerin Grete Steiner ein. Ihr erstes Kind Erwin Eisik kam am 18. Juli 1936 zur Welt, Ruth Lea folgte ein Jahr später am 11. Juli 1937. Beide Kinder wurden nach ihren verstorbenen Großeltern väterlicherseits benannt. Die Familie wohnte nun in der zweiten Etage der Gröningerstraße 6.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme begann die Verdrängung jüdischer Unternehmer aus dem deutschen Wirtschaftsleben. Zunächst wurde David Bukschnewski die Vereidigung als Handelschemiker entzogen. Zwar durfte er noch Aufträge annehmen, allerdings nur von ausländischen Kunden. Im Januar 1939 wurde sein Vermögen von der Zollfahndungsstelle überprüft und unter vorläufige "Sicherungsanordnung" gestellt, dieser Vorgang wurde von der Hamburger Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten bestätigt. Am 9. März 1939 begann die "Arisierung", sein Labor wurde behördlich geschlossen, unter Treuhandschaft gestellt und nur wenige Tage später vom neuen Inhaber Otto Kohlmeyer übernommen. Bis zum 31. Oktober blieb David Bukschnewski in seiner ehemaligen Firma als Angestellter beschäftigt, offenbar um eine reibungslose Übergabe zu ermöglichen. Sein Gehalt von 300 Reichsmark (RM) wurde auf ein "Sicherungskonto" überwiesen. Ebenso war sein Vermögen nach hohen Zwangsabgaben, wie "Judenvermögensabgabe" und "Reichsfluchtsteuer", auf diesem für ihn weitgehend unzugänglichen Sperrkonto festgesetzt worden. Über 500 RM durfte er monatlich verfügen. Alle weiteren Ausgaben bedurften einer Sondergenehmigung des Oberfinanzpräsidenten.
Vom 11. November bis zum 6. Dezember 1939 geriet David Bukschnewski aus unbekannten Gründen in "Schutzhaft". Sein Kontorhaus in der Gröningerstraße 6 wurde am 31. März 1941 von der Hansestadt Hamburg für 39.000 RM "übernommen" und bei einem späteren Luftangriff auf Hamburg zerstört. Zum Verkauf eines weiteren Hauses in der Detmerstraße 12 in Hamburg-Barmbek kam es nicht mehr.
Am 25. Oktober 1941 wurde das Ehepaar Bukschnewski mit beiden Kindern Erwin und Ruth aus der Gröningerstraße 6 nach Lodz deportiert. Ihr restlicher Besitz wurde beschlagnahmt und zugunsten des Deutschen Reiches vom Auktionshaus Schlüter, Alsterufer 12, versteigert. Die seitenlange Liste ihrer Wohnungseinrichtung gewährt Einblick in einen gutsituierten Hausstand. Er erzielte einen Erlös von 9035 RM, auch ein Klavier wurde aufgeführt. Wahrscheinlich hatte Grete Bukschnewski als Musiklehrerin Klavierunterricht gegeben.
Unter den Hamburgern, die am 25. Oktober 1941 am Hannoverschen Bahnhof, dem Gelände des heutigen Lohseplatzes, den Zug nach Lodz in die von den deutschen Besatzern umbenannte polnische Stadt Litzmannstadt besteigen mussten, befanden sich auch Gretes Eltern und ihre Geschwister Marianne (geb. 8.3.1905) und Robert (geb. 7.11.1913). Ihr Vater, der Kaufmann David Steiner (geb. 13.1.1871) stammte aus Patzau/Kalischt und war als Mitinhaber der Firma Arnold Kahler & Co. im Zucker-, Kaffee- und Salpeterhandel in der Brandstwiete 28/30 tätig gewesen. Seine Ehefrau Elsa, geb. Suchy (geb. 20.8.1881), war in Iglau zur Welt gekommen. Grete war das älteste ihrer drei Kinder, die noch in der Göbelstraße 10 geboren wurde. Später lebten sie in der Schlüterstraße 44, zuletzt in der Haus-Nr. 80.
Im Getto Lodz wurden die Familien getrennt. Gretes Eltern und ihre Geschwister kamen in der Rubenstraße 2 unter. David Steiner überlebte den ersten Winter nicht, er starb am 1. April 1942. Den Todeszeitpunkt seiner Tochter Marianne verzeichnete das Bundesgedenkbuch wenig später für den 25. April 1942.
Im Mai 1942 erhielt Familie Bukschnewski an ihrer Adresse im Getto Lodz in der Hohensteiner Straße 43 ihre "Ausreiseaufforderung" außerhalb des Gettos. David Bukschnewski richtete ein Gesuch an die jüdische Selbstverwaltung, an die "Aussiedlungs-Kommission". Er hoffte auf eine Rückstellung und begründete seine Bitte damit, dass er trotz seines hohen Alters seit dem 13. November 1941 freiwillig arbeite und seit dem 21. Januar 1942 auch als Hauswächter angestellt sei. Eine entsprechende Bescheinigung legte er bei. Der Antrag wurde genehmigt.
Seine Schwiegermutter Elsa Steiner gehörte am 12. September 1942 zu den alten, nicht mehr arbeitsfähigen Personen, die im Zuge der "Aktion Gehsperre" nach Chelmno/Kulmhof abtransportiert und dort in einem der mobilen Gaswagen ermordet wurden. Ihr Sohn Robert war, laut Eintrag im Totenregister, kurz zuvor, am 1. September 1942 im Getto verstorben.
Auch David Bukschnewski starb im Getto am 3. April 1943 im Alter von 71 Jahren, angeblich an Herzversagen, ebenso kam Greta Bukschnewski am 18. Januar 1944 im Getto ums Leben.
Ihre Kinder Erwin und Ruth mussten kurz nach dem Tod ihrer Mutter am 26. Januar 1944 innerhalb des Gettos in die Hertastraße 25 umziehen. Ruth erkrankte dann an einer Lungentuberkulose, sie starb am 13. Juni 1944, wie der Häftlingsarzt Czernichow bescheinigte. Laut der Datenbank des Jüdischen Friedhofes in Lodz wurde sie dort begraben.
Das Schicksal ihres Bruders Erwin Bukschnewski ist unbekannt.
An Familie Steiner erinnern Stolpersteine in der Schlüterstraße 80.
Stand: September 2018
© Susanne Rosendahl
Quellen: 1; 2; 4; 9; StaH 314-15 OFP, R 1939/0600; StaH 314-15 Abl. 1998 J1/125/28; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; StaH 332-5 Standesämter 1024 u 148/1934; StaH 332-5 Standesämter 8682 u 118/1912; StaH 332-5 Standesämter 13277 u 2981/1900; USHMM, RG 15.083, 301/150-152, Fritz Neubauer, Universität Bielefeld; Das Buch der alten Firmen der Freien und Hansestadt Hamburg, S.2 XIV; Hamburger Börsenfirmen, 1923, S. 1139; David Bukschnewski: Über die Wanderung der Jonen, Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin, 1901; Klein: Kulmhof/Chelmno, in: Benz/Distel (Hrsg.): Ort, Band 8, S. 301–323; diverse Hamburger Adressbücher; USHMM, RG-15_083M_0190_00000655 von Allison Zhang per Mail am 22.12.2015 und am 28.12.2015; http://www.jewishlodzcemetery.org/EN/CemeteryPlan/Default.aspx (Zugriff 25.12.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".