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Porträt Dr. Alfonso David de Castro
Dr. Alfonso David de Castro
© aus: Villiez: Mit aller Kraft verdrängt. S. 243

Dr. Alfonso de Castro * 1865

Hallerstraße 81 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Theresienstadt

Weitere Stolpersteine in Hallerstraße 81:
Olga de Castro

Dr. Alfonso David de Castro, geb. am 9.1.1865 in Altona, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, gest. 9.3.1943 ebenda
Olga de Castro, geb. Alexander, geb. am 17.5.1877 in Gablonz, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, am 15. Mai 1944 weiter deportiert nach Auschwitz, ermordet

Hallerstraße 81

Alfonso David de Castro stammte aus einer sefardischen Familie, die, verfolgt durch die portugiesische Inquisition, seit dem 17. Jahrhundert in Altona und Hamburg ansässig war. Der Familie entstammten mehrere bekannte Mediziner wie der Gynäkologe und Medizinethiker Rodrigo de Castro, der als ein bedeutender Arzt der Frühen Neuzeit in Deutschland gilt.

Alfonso de Castro erhielt 1891 seine Approbation und praktizierte über Jahrzehnte als Allgemeinmediziner und Chirurg in seinem Haus in der Hallerstraße 81. Er heiratete 1895 Olga, geb. Alexander, und hatte mit ihr zwei Söhne. Alfonso de Castro war zunächst Mitglied der portugiesisch-jüdischen Gemeinde, trat jedoch 1900 aus und ließ sich 1936 evangelisch taufen. Seine Frau konvertierte ebenfalls.

Die beiden Söhne studierten in den 1920er-Jahren in Deutschland. Der jüngere, Rodrigo Franz Curt, geb. 25.2.1903, wurde Jurist und Rechtsanwalt. Der ältere Gustav Hans Emanuel de Castro, geb. 25.6.1898, wurde Arzt. Er erwarb 1925 in Hamburg die Approbation und ließ sich 1926 in Winterhude, Epheuweg 3, später in der Rothenbaumchaussee 91, nieder. Beide verloren durch die NS-Berufsverbote ihre Existenzgrundlage. Der Jüngere flüchtete bereits Ende 1936, der Ältere 1939 aus Deutschland. Beide überlebten die NS-Zeit in der Emigration.

Zur Situation der Eltern gab Hans de Castro 1960 zu Protokoll: "Mein Vater betrieb eine umfangreiche und ertragreiche Praxis, die als eine der besten und größten unter den prakt. Ärzten Hamburgs galt. … Ich habe auch in der Hallerstraße in den Räumen meines Vaters praktiziert, wenn auch zu anderen Zeiten. … Ich habe auch Patienten meines Vaters für ihn behandelt. Mein Vater hatte eine besonders gelagerte Privatpraxis, die sich zum Teil aus sehr vermögenden und zum Teil aus unvermögenden Patienten zusammensetzte. Während er die letzteren für sehr geringes oder gar kein Honorar zu behandeln pflegte, berechnete er den vermögenden Patienten höhere Honorare … mein Vater (hatte) sehr viele Patienten sog. arischer Abstimmung, von denen ein Teil sehr schnell abwanderte." D.h., die Einkommenseinbußen waren demnach "sehr schnell" nach der Machtergreifung erheblich.

Alfonso de Castro verlor – ebenso wie die anderen Ärzte, die als jüdisch eingestuft wurden – 1938 die Approbation und wurde gezwungen, sein Haus zu verkaufen. Das Paar zog in die Bogenstraße 15. Ohne weiteres Einkommen, verarmten die Eheleute. Als sie zwangsweise dem Jüdischen Religionsverband (einer Zweigstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland) beitreten mussten, wehrten sie sich, als dieser am 26. Juni 1940 eine Einkommens- und Vermögensabgabe von ihnen verlangte. Sie mussten 1942 von der Bogenstraße in das "Judenhaus" in der Frickestraße 24 ziehen.

Das Ehepaar wurde dann am 15. Juli 1942 mit dem zweiten großen Transport von Hamburg ins Getto Theresienstadt gebracht. Dort starb Alfonso de Castro der Todesfallanzeige nach am 9.3.1943 an Altersschwäche und Kräfteverfall.

Olga de Castro überlebte bis 15. Mai 1944 in Theresienstadt. Dann wurde sie weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Beiden Söhnen de Castro gelang es unter besonderen Anstrengungen und trotz gesundheitlicher Spätfolgen wieder in ihren erlernten Professionen zu arbeiten.

Der ältere Sohn Gustav Hans Emanuel de Castro war sogenannter Frontkämpfer. Er war seit 1927 als Schiffsarzt und Tropenmediziner tätig. Er war verheiratet mit Elfriede de Castro, geb. Wellke. Sie hatten einen Sohn Alfonso, geb. 1932, der mit der Mutter in Hamburg überlebte. Elfriede de Castro war nicht jüdisch, lebte also in einer sogenannten Mischehe.

Hans de Castro stellte im Frühjahr 1936 zusammen mit seinem Cousin, dem Rechtsanwalt Dr. Carlos de Castro aus Berlin (geb. 1895), ein Arier-Gleichstellungs-Gesuch, vermutlich um den gefürchteten Entzug der Kassenarztzulassung zu vermeiden. Ein "hoffnungsloses Unterfangen". Eine derartige "Statusverbesserung" durch eine Befreiung nach §7 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 konnte nur der "Führer und Reichskanzler" erteilen.

Als Hans de Castro 1938 die Approbation verlor, war in der offiziellen Aufstellung jüdischer Hamburger Ärzte nichts über sein Kind und nichts über eine Auswanderungsabsicht bekannt. Er floh 1939 in die Niederlande mit der Absicht, in die USA zu emigrieren. Doch als seine Bürgin für das amerikanische Visum starb, blieb er zunächst in den Niederlanden. Elfriede de Castro unterzeichnete in den Jahren des Nationalsozialismus Briefe an Behörden in Sachen ihres Mannes regelmäßig mit "Heil Hitler". Die Ehe blieb über die Trennungsjahre hinweg bestehen. In welch schlechten finanziellen Verhältnissen er lebte, verdeutlicht ein Brief seiner Ehefrau an die Devisenstelle in Hamburg: "Im April dieses Jahres reiste mein Mann, Dr.Hans de Castro, nach Holland aus und nahm sein Fahrrad, welches ca. 11–12 Jahre alt ist, mit. Dieses Rad hat scheinbar auf dem Transport dorthin gelitten, denn bei der ersten Benutzung im Juni ’39 brach die Vordergabel. Da mein Mann keinerlei Mittel besitzt, um die Reparatur dort ausführen zu lassen, bitte ich den Betrag von RM 7,37 laut beiliegender Rechnung, hier bezahlen zu dürfen und ihm die Vordergabel, die die Wanderer-Werke besorgten, schicken zu dürfen. Ihre baldige Zusage erhoffend zeichne ich Heil Hitler! Elfriede de Castro, Hamburg 13, Rothenbaumchaussee 91."

Hans de Castro wurde 1939 in verschiedenen Lagern inhaftiert, bis ihm die Flucht nach Italien gelang. Er war dann 1940 bis 1944 in Mailand in einem Ambulatorium für Tropenkrankheiten tätig, musste jedoch im Untergrund leben. Er wurde im Februar 1944 verhaftet und im August 1944 in das KZ Buchenwald überstellt, wo er Schwerstarbeit im Steinbruch leistete und Opfer körperlicher Misshandlungen wurde. Er kehrte am Kriegsende nach Hamburg zu seiner Familie zurück und übte trotz schwerer gesundheitlicher Einschränkungen infolge der KZ-Haft den Arztberuf wieder aus. Der Sohn Alfonso war 13 Jahre alt, als sein Vater zur Familie zurückkehrte. Er wuchs mit dem gesundheitlich schwer beeinträchtigten Vater auf. Hans de Castro starb am 7. April 1965 in Hamburg.

Alfonso de Castro studierte Zahnmedizin. Er ist verheiratet mit Elisabeth de Castro. Er praktizierte langjährig in Hamburg und war in verschiedenen Funktionen als Standespolitiker in der Hamburger Zahnärztekammer aktiv.

Rodrigo Franz Curt de Castro hatte in Deutschland Jura studiert und in Hamburg seit dem 1.März 1930 als Rechtsanwalt gearbeitet. Er war verheiratet mit Gertrud de Castro, geb. Richter. Die Ehe überstand wie die seines Bruders die Trennungs- und Emigrationsjahre. Seine Witwe: "Als einem der Ersten wurde meinem Mann im Frühjahr 1933 die Zulassung zur Anwaltschaft in Hamburg genommen." Er klagte vergeblich gegen den Entzug der Anwaltszulassung. Er machte die Verfassungswidrigkeit des Hamburger Gesetzes am Maßstab der Weimarer Verfassung geltend und brachte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht dadurch zumindest in eine nicht geringe argumentative Verlegenheit. Ihm war entgegengehalten worden, dass der Entzug seiner Zulassung nicht mehr in die geminderte Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts in Hamburg falle. War doch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 23. Juni 1933 rückwirkend zum 1. März 1933 in Kraft getreten. Demnach war der Entzug der Zulassung gerichtlich nicht mehr nachprüfbar. Der Rechtsweg war "unzulässig". (Später gab es gar keine Klagemöglichkeit in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gegen Anordnungen der Geheimen Staatspolizei mehr, also nicht nur für Juden.)

Curt de Castro wanderte daraufhin Ende Juli 1936 nach Uruguay aus. Doch dort fand er keine passende Arbeit. Er konnte nur vom Verkauf seiner mitgebrachten Wertsachen und Möbel und der finanziellen Unterstützung Verwandter leben. Nach einer letztlich zweijährigen Suche zog er 1937 von Uruguay nach Chile. Er erklärte: "In Chile bekam ich gleich Arbeit … Ich arbeitete in einer Telefongesellschaft, wurde aber entlassen, weil eine deutsche Angestellte, die die Leiterin des dortigen Bundes deutscher Mädchen war, erklärte, sie könne nicht dieselbe Luft mit mir atmen. Mein Hauswirt hatte einen Laden und viele deutsche Kunden. Die Deutschen erklärten nun, sie würden seinen Laden meiden, wenn ich länger dort wohnte. Dadurch war der weitere Aufenthalt von mir in Chile unmöglich." So zog er 1938 weiter über England und Dänemark bis nach Schweden, wo er auf Dauer mit seiner Frau wieder Fuß fasste. In der Akte des Amts für Wiedergutmachung vom 1. Oktober 1962 findet sich zu seiner Zeit in Chile handschriftlich der Rand-Kommentar "Grimms Märchen".

In Schweden war Curt de Castro als Privatlehrer tätig. Sein Versuch, nach Kriegsende 1945 in Hamburg als Richter berufen zu werden, blieb erfolglos. Er konnte in Schweden die Staatsangehörigkeit erwerben, sein deutsches Abitur für Schweden komplettieren, schwedisches Recht studieren und das Studium bereits 1950 abschließen. Im Februar 1952 bestand de Castro in Schweden ein juristisches Examen, das ihm ermöglichte, 1960 in Schweden zum Richter ernannt zu werden. Er war dann in Lund tätig, vergleichbar einem Amtsgerichtsrat. Seine Witwe schrieb, er sei der erste nicht in Schweden geborene Richter gewesen. Curt de Castro starb in Lund/Schweden am 24. August 1962 mit 59 Jahren an einem Herzinfarkt.

Stand: September 2016
© Ulrike Martiny Schüddekopf

Quellen: StaH 522-1 Jüdische Gemeinde 992d Band 5 (Dr. Alfonso David de Castro und Dr. Hans de Castro); StaH 351-11_2133 Bd. 1 mit Beiakten und Bd. 2 (ab Blatt 302) (Dr. Hans de Castro); StaH 351-11 740 (Rodrigo Curt de Castro) mit 970 David Alfonso 20745 und Hans Gustav 21332; Lorenz/Berkemann, Hamburger Juden, Bd. I Kurzbiographie Curt de Castro, S. 557, Bd. VI S. 426–429 (Klage gegen Entzug der Anwaltszulassung); Hans de Castro: Kurzbiographie Bd. V, S. 332–333, Bd. III, S. 299 (Approbationsentzug), Bd. I, S. 489–490 und Bd. V, S. 332–333 (Arier-Gleichstellungs-Gesuch); Morisse, Ausgrenzung und Verfolgung, Bd. 1, S. 129–130; Anna von Villiez, Mit aller Kraft verdrängt, Hamburg 2009, S. 243; Mündliche Information zu Alfonso de Castro von der Zahnärztekammer Hamburg (Frau Mewes v. 12.2.2016).

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