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Bereits verlegte Stolpersteine



Max Carsch * 1880

Gneisenaustraße 35 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)


HIER WOHNTE
MAX CARSCH
JG. 1880
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Gneisenaustraße 35:
Gertrud Carsch

Johanna Koppel, geb. Carsch, geb. am 15.9.1883 in Emmerich am Rhein, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolpersteine Hamburg-Hoheluft-Ost, Gneisenaustraße 17


Gertrud Carsch, geb. Sollmar, geb. 25.4.1884 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Max Carsch, geb. 10.11.1880 in Emmerich, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Stolpersteine Hamburg-Hoheluft-Ost, Gneisenaustraße 35


Sophie Cohn, geb. Koppel, geb. 25.12.1891 in Hamburg, am 19.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 12.10.1944 weiterdeportiert nach Auschwitz, ermordet

Stolperstein Hamburg-Neustadt, Großneumarkt 38 (geplant)

Johanna Koppel, geborene Carsch, wurde am 15. September 1883 als Tochter der jüdischen Eheleute Jacob Carsch und Julie, geborene Rhée, in Emmerich am Rhein geboren. Jacob Carsch, geboren am 8. September 1838 in Mühlheim an der Ruhr, bekleidete das Amt des Hauptlehrers und Kantors in Emmerich. Er war ein angesehener Mann in seiner Gemeinde. Seine Ehefrau Julie war am 9. Februar 1847 in Preußisch Oldendorf, einer Kleinstadt im heutigen Regierungsbezirk Detmold in Nordrhein-Westfalen, zur Welt gekommen.

Julie und Jacob Carsch bekamen außer Johanna noch weitere acht Kinder: Helene Carsch, geboren am 13. Februar 1872 in Borgentreich in der Nähe von Höxter in Ostwestfalen, Bertha Carsch, geboren am 14. Juni 1876, Hermann Carsch, geboren am 23. Dezember 1877, Emma Carsch, geboren am 1. Mai 1879, Max Carsch, geboren am 19. November 1880, Simon Carsch, geboren am 3. März 1882, Frieda Carsch, geboren am 13. Juni 1887, und Hugo Carsch, geboren am 26. November 1890, alle in Emmerich. Hermann, Simon und Frieda starben im Kleinkindalter.

Johanna Carsch verließ ihren Heimatort erstmals im Oktober 1900. Sie meldete sich damals im Alter von siebzehn Jahren nach Barmen ab, heute ein Stadtteil von Wuppertal. Ende Januar 1901 kehrte sie zurück, verließ Emmerich jedoch erneut am 4. Februar. Nach vielen Ortswechseln kam sie schließlich 1909, sie war inzwischen 26 Jahre alt, nach Wilhelmshaven. Ihre Meldekarte der Stadt Emmerich bezeichnete sie als Modistin (alt für Putzmacherin).

Wir wissen nicht, ob sie den 1887 geborenen Hamburger Kaufmann Oscar Koppel bereits kannte oder wie und wann sie ihn kennengelernt hatte. Oscar Koppel, Sohn des jüdischen Ehepaares Meyer Koppel und Emma, geborene Blogg, war am 11. März 1887 in Hamburg-Neustadt, 1. Elbstraße 28, geboren worden. Er hatte eine ältere Schwester, Sophie, geboren am 25. Dezember 1891.

Oscar Koppel und Johanna Carsch heirateten am 12. April 1912 in Hamburg. Laut Heiratsregistereintrag war Johanna Carsch bei ihrer Heirat berufslos.

Das kinderlose Ehepaar wohnte in der Hamburger Neustadt, danach viele Jahre in der Gneisenaustraße 17 in Hoheluft-Ost. Dort hatte auch Johannas Bruder Max Carsch mehrere Jahre seinen Wohnsitz.

Max Carsch lebte in Hamburg zunächst als Geschäftsreisender für Schneiderbedarfsartikel. Er war seit 1909 mit Gertrud, geborene Sollmar, geboren am 25. April 1884 in Hamburg, verheiratet. 1910, als die Tochter Edith zur Welt kam, bezog das Ehepaar eine Wohnung in der Gneisenaustraße 35. Neben der glücklichen familiären Entwicklung verlief auch Max Carschs beruflicher Werdegang vielversprechend. Er stieg vom Geschäftsreisenden zum Großhändler für Schneiderbedarfsartikel auf. Mitte der zwanziger Jahre verlegte Familie Carsch ihren Wohnsitz in das Grindelviertel, zunächst in die Isestraße 30 und später in die Grindelallee 100.

Die anfängliche Wohnnähe der Familien Koppel und Carsch lässt vermuten, dass zwischen ihnen ein enger Zusammenhalt bestand. Dies war für Johanna Koppel wichtig, als ihr Ehemann am 2. Oktober 1937 im Alter von nur 50 Jahren starb. Nur vier Monate später wurde sie am 10. Januar 1938 in der Staatskrankenanstalt Hamburg-Friedrichsberg aufgenommen. Bereits am 18. Januar 1938 wurde Johanna Koppel von Friedrichsberg in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt. Dort blieb sie bis zum 23. September 1940.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden Jüdinnen und Juden, am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Johanna Koppels Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm oder Cholm verstorben sei. Auf dem Geburtsregistereintrag von Johanna Koppel wurde notiert, dass das Standesamt Chelm II ihren Tod am 30. Januar 1941 unter der Nummer 331/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Johannas Geschwister Hermann, Simon, Frieda und Hugo starben eines natürlichen Todes. Helene Carsch heiratete den niederländischen Bäcker Meyer de Zoete und zog zu ihm nach Arnheim. Sie wurde am 3. Dezember 1942 in Auschwitz ermordet. Emma Carsch wurde die Ehefrau des Bürstenfabrikanten Ernst Kirner aus Bollschweil im Schwarzwälder Hexental unweit Freiburg. Ihr weiteres Schicksal kennen wir nicht. Bertha Carsch lebte in Berlin. Sie wurde am 5. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort verstarb sie am 27. Januar 1943.

Johanna Koppels Bruder Max Carsch und seine Frau Gertrud, geborene Sollmar, mussten 1941 ihre Wohnung in der Haynstraße 20 in Hamburg-Eppendorf, die sie 1938 bezogen hatten, verlassen und in sehr beengten Verhältnissen in dem sogenannten Judenhaus Haynstraße 7 leben. Dort erreichte sie im November 1941 der Deportationsbefehl. Sie gehörten zu den 968 jüdischen Menschen, die am 8. November 1941 nach Minsk deportiert wurden. Max und Gertrud Carsch kamen dort ums Leben.

Johanna Koppels Schwägerin Sophie Cohn, Oscar Koppels ältere, 1891 geborene Schwester, heiratete 1919 den Schneider Samuel Cohn aus Adelnau (heute: Odolanow), 120 km südlich von Posen (heute Polen). Ihre Adresse zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung lautete Glashüttenstraße 36 im Stadtteil St. Pauli. Das Ehepaar wohnte lange Jahre im Lazarus-Gumpel-Stift in der Schlachterstraße 46 in der Hamburger Neustadt. Samuel Cohn starb am 26. März 1942 im Alter von 68 Jahren. Die nun alleinstehende Sophie Cohn erhielt den Befehl für den Transport nach Theresienstadt, der Hamburg am 15. Juli 1942 verließ. Am 12. Oktober 1944 wurde sie nach Auschwitz weiterdeportiert und kam dort ums Leben.

An Johanna Koppel erinnert ein Stolperstein in der Gneisenaustraße 17. Für Gertrud und Max Carsch liegen Stolpersteine in der Gneisenaustraße 35. Für Sophie Cohn ist ein Stolperstein am Großneumarkt 38 (ehemals Schlachterstraße 46) vorgesehen.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 2150 Geburtsregister Nr. 1261/1887 Oscar Koppel, 2261 Geburtsregister Nr. 5233/1891 Sophie Koppel, 3132 Heiratsregister Nr. 717/1909 Max Carsch/Gertrud Sollmar, 8151 Sterberegister Nr. 90/1937 Oscar Koppel, 9545 Heiratsregister Nr. 190/1912 Oscar Koppel/Johanna Carsch; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 36203 Edith Carsch, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27. 11941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Johanna Koppel der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Stadtarchiv Emmerich a. Rh., Standesamt Emmerich Geburtsregister 219/1883 Johanna Carsch; Stadtarchiv Emmerich a. Rh., Meldekartei Emmerich Mikrofilm 2/78, Meldekarten der Familie Carsch. Brocke/Pelzer/Schüürmann, Juden in Emmerich, S. 234f. Böhme/Lohalm, Wege in den Tod, S. 14, 44ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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