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Walter Cahnbley * 1903

Reineckestraße 18 (Altona, Bahrenfeld)


HIER WOHNTE
WALTER CAHNBLEY
JG. 1903
IM WIDERSTAND / KPD
VERHAFTET 4.11.1935
KZ SACHSENHAUSEN
1937 ASCHENDORFERMOOR
1943 ´STRAFBATAILLON 999`
TOT 24.9.1944
GRIECHENLAND

Walter Cahnbley, geb. 26.10.1903 in Altona, mehrfach wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verhaftet, bei Einsatz mit Bewährungsbataillon 999 am 24.9.1944 umgekommen

Reineckestraße 18 (Altona, Bahrenfeld)

Walter Cahnbley wurde am 26.10.1903 als Sohn des Korbmachers John Louis Heinrich Cahnbley (*29.9.1863) und dessen Ehefrau Marie Christine Cahnbley, geborene Bathel (*22.12.1869) in Altona geboren. Er war das jüngste von fünf Geschwistern nach Louis Carl Wilhelm (*30.11.1892), Anna Caroline Louise (*26.12.1894), Carl Wilhelm (*27.3.1897) und John Louis (*26.2.1901).

Walter wuchs in Altona-Ottensen auf, und Altona blieb sein Lebensmittelpunkt bis ihn die Verhaftungen herausrissen. Er erlernte den Beruf des Steindruckers und arbeitete in dieser Funktion bei der Deutschen Reichsbahn. Er verheiratete sich am 3.12.1927 mit Elfriede Erna Igelbrink (3.7.1909-23.4.1955), einer Stenotypistin.

Die beiden bekamen zwei Kinder: Horst (*17.6.1930) und Lona (*30.4.1932). Die Familie lebte zunächst in der Friedensallee 51 (Ottensen), seit 1933 in der Eimsbütteler Straße 96 IV (bis 1937 gehörte Eimsbüttel zu Altona). Nach der Ausbombung 1943 fanden Cahnbleys Unterkunft in der Reineckestraße 18 (Bahrenfeld).

Walter Cahnbley kam aus einer politisch aktiven Familie. Vater John Louis war seit jungen Jahren Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei bzw. dann der Sozialdemokratischen Partei. Unter Kaiser Wilhelm II, während der Kanzlerschaft Bismarcks, waren diese Gruppierungen zeitweilig verboten ("Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie", 1878 bis 1890), Aktivitäten in ihrem Sinne waren strafbar. Noch 1896 stand John Louis unter offizieller Überwachung durch die preußische politische Polizei. (Altona gehörte seit 1867 zum Königreich Preußen.) Dennoch gründete er zusammen mit Genossen die Korbmacher-Gewerkschaft Altona.
Politisch sehr engagiert war auch Walters elf Jahre älterer Bruder Louis Carl Wilhelm: Aus dem linken Flügel der SPD kommend, war Louis über die Spartakusgruppe 1919 sofort in die gerade entstehende KPD gewechselt (Siehe www.stolpersteine-hamburg.de)

Auch Walter schlug den Weg nach radikal links ein. Zunächst Mitglied beim KJVD, dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands, wurde er bereits 1925, noch nicht 22 Jahre alt, als Vertreter des Roten Jugendsturms (RJS) in den Vorstand des Rotfrontkämpferbundes (RFB) Groß-Hamburg aufgenommen. Der RFB war der 1924 gegründete paramilitärische Wehrverband der KPD und stand in Konkurrenz bzw. feindlicher Gegnerschaft zu anderen Wehrverbänden der Weimarer Republik, dem republikanisch/sozialdemokratisch orientierten Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und dem rechtsgerichteten Stahlhelm und später dann der NS-Truppe der SA (Schutzabteilung). Der RJS war die Jugendorganisation des RFB. 1929 wurde der RFB verboten, die Mitgliedschaft war strafbar. Es bildete sich sofort eine Reihe von illegalen regionalen Tarnorganisationen mit weniger kämpferischen Namen. Für Altona, Hamburg und Harburg war das zunächst der "Wanderverein Brüder zur Sonne", der sich dann, noch im Jahr 1929, in "Norddeutscher Arbeiterschutzbund" (NASB) umbenannte. Es ist bislang nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich, dass Walter Cahnbley zu den Organisatoren gehörte. Obwohl die Justizbehörden im Oktober 1929 gegen den NASB Strafverfahren in Gang setzten, ist von einer Verhaftung Walter Cahnbleys nichts bekannt.

Mit der Übernahme der Macht in Deutschland durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 war der sicherlich längst polizeibekannte Kommunist Walter Cahnbley wie viele andere der KP-Genossen sofort der Verfolgung ausgesetzt. Zum ersten Mal festgenommen wurde er im Juni 1933 und als sogenannter Schutzhäftling für drei Wochen in Polizeihaft gebracht. Die Gestapo durchsuchte die Wohnung in der Eimsbütteler Straße 96 und beschlagnahmte Schriften und Bücher.

Am 12. Juli entließ die Reichsbahn ihn und begründete dies mit seiner Inhaftierung und politischen Einstellung. Diese Maßnahme war rechtlich abgedeckt durch das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.4.1933, nach dem jüdische und politisch missliebige Beamte aus dem Dienst entfernt werden konnten. Walter war Beamtenanwärter und stand kurz vor der Verbeamtung.
Die Entlassung brachte finanzielle Probleme, denn er fand keine feste und gut bezahlte Anstellung und musste Frau und zwei kleine Kinder ernähren, den inzwischen dreijährigen Horst und die ein-einhalbjährige Lona. Ehefrau Elfriede konnte nicht hinzuverdienen.

Walter Cahnbleys nächste Verhaftung folgte am 8.6.1934. Wiederum wegen des Vorwurfs der "Vorbereitung zum Hochverrat" kam er in Untersuchungshaft in das Gefängnis Altona, wurde aber nach vier Wochen am 4.7.1934 ohne Strafverfahren entlassen.

Dies änderte sich nach der Verhaftung am 23.1.1935. Das Hanseatische Oberlandesgericht verurteilte ihn am 13.2.1935 zu einem Jahr Gefängnis wegen "Vorbereitung zum Hochverrat". Die Entlassung folgte am 23.12.1935.

Doch die Gestapo hatte ihn auf der Liste, nahm ihn sofort wieder fest, brachte ihn zunächst in das KZ Fuhlsbüttel (Kola-Fu) und verlegte ihn dann in das KZ Oranienburg/Sachsenhausen.

Am 15.6.1936 wurde er von Sachsenhausen der Hamburger Justiz übergeben. Er kam wieder in Untersuchungshaft. Am 12.1.1937 verurteilte ihn das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) wegen des immer gleichen Vorwurfs der "Vorbereitung zum Hochverrat" zu vier Jahren Zuchthaus und vier Jahren Ehrverlust. Unter Anrechnung der gesamten bislang abgesessenen Untersuchungshaft legte das Gericht das "Ende der Verwahrungsfrist", so der Fachjargon, auf den 12.11.1939, 18 Uhr, fest. Ein beängstigender Zusatz zu dem Urteil lautete: "Anschluss-Strafe: Stapo".

Das Zuchthaus, in das Walter nun eingewiesen wurde, war nur dem Namen nach ein Strafgefangenenlager, in Wirklichkeit war es ein KZ schlimmer Ausprägung: Nach einer Zwischenstation im KZ Börgermoor kam er in das KZ Aschendorfermoor bei Papenburg. Dieses Lager gehörte zu den sogenannten Emslandlagern. In schwerster körperlicher Arbeit, die viele der Gefangenen zugrunde richtete, wurde von hier aus die Moorlandschaft trockengelegt und urbar gemacht. Aus dem KZ Esterwegen stammt das Lied "Wir sind die Moorsoldaten".

Wie es Walter Cahnbley in Aschendorfermoor im Einzelnen erging, wissen wir nicht. Aber das Lager war gefürchtet wegen der Brutalität, die dort herrschte, den Folterungen und Morden durch das Wachpersonal, Justizangestellten wie SA-Männern. Walter hatte wohl Kontakt nach draußen, denn am 11.1.1939 benachrichtigte die Lagerleitung Walters Ehefrau Elfriede, dass der "Zusendung von 10 RM für Zahnbehandlung keine Bedenken entgegen stehen". Das Gesuch Walters vom 31.1.1939 dagegen, ihm die Reststrafe von elf Monaten per Gnadenerweis zu erlassen, wurde von der Generalstaatsanwaltschaft beim OLG Hamburg am 1.3.1939 abgelehnt.

Elfriede Cahnbley in Hamburg litt unter der Trennung und der Angst um ihren Mann und war mit der alleinigen Verantwortung für die beiden kleinen Kinder überfordert. An zusätzliche Erwerbsarbeit war kaum zu denken. Der Versuch, die beiden in einem Kindergarten betreuen zu lassen, scheiterte nach kurzer Zeit. Sie wurden, so berichtete die Mutter später, als "Kommunisten-Bälge" angesehen und entsprechend behandelt.
In dieser Notlage sprang die Schwägerin Dorothea ein, die Ehefrau von Walters Bruder Louis Carl Wilhelm. Trotz der eigenen Bedrängnisse nahm sie die Kinder in ihre Familie am Steenkamp 27 auf, während Elfriede als Büro-Angestellte bei dem Hamburger Auktionshaus C. F. Schlüter Geld verdiente. Die Sonntage verbrachten die Kinder bei der Mutter. Schwägerin Dorothea versorgte die Kinder über mehrere Jahre, von 1936 bis Ende 1938.

Für die Zeit nach dem 12.11.1939, dem gerichtlich festgesetzten Entlassungstermin Walters, und dem Frühjahr 1943 haben wir keine gesicherten Kenntnisse über sein Leben und seinen Verbleib. Es ist anzunehmen, dass er zu dem offiziellen Datum aus Aschendorfermoor frei kam. Es gibt Hinweise, dass er wieder zur Familie zurückgekommen war, beispielsweise die Auskunft seines Sohnes Horst, der Vater habe mit ihm von einem Bodenfenster aus einem Bomberangriff auf Hamburg zugesehen. (Das erste Bombardement auf Hamburg war am 18.5.1940. Es war des Nachts, traf Industrieanlagen im Hafengebiet und verursachte weithin sichtbare Feuer.)

Aus Schreiben Elfriedes an die Sozialbehörde nach dem Krieg lässt sich schließen, dass Walter Cahnbley im Februar 1943 zum Militär eingezogen, als politisch Vorbestrafter jedoch in eine Sonderformation gesteckt und zum Truppenübungsplatz Heuberg in der Schwäbischen Alb abkommandiert wurde.

Er gehörte also zu den ersten, die in das neu geschaffene Strafbataillon 999 kamen, eine sog. Bewährungseinheit besonders für "wehrunwürdige" Nazi-Gegner. Sie waren immerhin gut genug für die gefährlichsten Einsätze, vor allem in Nord-Afrika, an der Ostfront, auf dem Balkan. Nach der Ausbildung auf dem Heuberg wurde Walters Einheit auf die Insel Karpathos in der südöstlichen Ägäis verlegt. Karpathos (ital. Skarpathos) war unter italienischer Herrschaft, mit dem Einsatz des Strafbataillons sollte es gegenüber britischen Angriffen abgesichert werden. Bei einer Seeschlacht mit den Briten zwischen Karpathos und Rhodos am 24.9.1944 wurde das Schiff, auf dem sich Walter befand, versenkt. Die Schiffbrüchigen wurden weiter beschossen. Fast drei Monate später, am 15.12.1944, wurde in Rhodos eine Leiche an Land gespült. Es war die von Walter Cahnbley.

Eine endgültige Ruhestätte bereitete ihm nach dem Krieg der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in der Kriegsgräberstätte Dionyssos-Rapendoza in der Nähe Athens. Alleine auf diesem Friedhof liegen in zwölf großen Gruften neben Walter weitere 9972 getötete deutsche Soldaten. Seine Grablage lautet Gruft 3/Reihe 15/Platte 11.
Walter Cahnbley war 41 Jahre alt geworden.

Elfriede Cahnbley starb am 23.4.1955 mit noch nicht einmal 46 Jahren, krank und abgekämpft von den Schrecken der NS-Zeit, der materiellen Not nach dem Verlust des Mannes und aller Habe durch den totalen Bombenschaden, den quälenden und sich über Jahre hinziehenden Auseinandersetzungen mit den Behörden um eine angemessene Abfindung für die Verfolgung und den Tod des Ehemannes und Vaters ihrer Kinder.

Sohn Horst (*1930), der Radiomechaniker geworden war, war nach Kriegsende der FDJ Westdeutschlands beigetreten und blieb in ihr aktiv, auch nach ihrem Verbot als "verfassungsfeindliche Organisation" (GG Art. 9) am 26.6.1951. Von Verhaftung bedroht, entwich Horst 1953 in die DDR.

Stand: Mai 2025
© Johannes Grossmann

Quellen: StaH 351-11_34178 (AfW), ebd. 351-11_34179: ebd. 741-4 Fotoarchiv A 252, A 467, K 2392, K 2428: ebd. 332-5_5124 (Sterbeurkunde Walter Cahnbley), _5780, _6278, _6287, _6298, _13681; Klaus Berking (Norderstedt): Privatarchiv, schriftliche und mündliche Auskünfte, 2024/25; Ossip K. Flechtheim, Die KPD in der Weimarer Republik, Hamburg 1986; Rotfrontkämpferbundhttps://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Frontk%C3%A4mpferbund; Hans Brunswig, Die Luftangriffe auf Hamburg im 2. Weltkrieg und ihre Folgen, Stuttgart 1985; https://kriegsgraeberstaetten.volksbund.de/friedhof/dionyssos-rapendoza.

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