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Emil Cohen * 1873

Dillstraße 8 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
EMIL COHEN
JG. 1873
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Dillstraße 8:
Caroline Cohen

Emil Cohen, geb. 15.11.1873 in Hamburg, deportiert am 20.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 nach Treblinka und dort ermordet
Caroline Cohen, geb. Cohn, geb. 15.1.1865 in Lübeck, deportiert am 20.7.1942 nach Theresienstadt und dort gestorben

Dillstraße 8

Emil Cohen kam am 15. November 1873 als zweites von drei Kindern Abraham und Fanny Cohens in Hamburg zur Welt. Diese besaßen eine Schneiderei in der Karolinenstraße 21 auf St. Pauli. Die Familie Cohen war jüdisch-orthodox und recht wohlhabend. Emils Eltern waren in Hamburg geboren, Abraham im Juli 1825 und Fanny (geb. Streim) im Juni 1840, sie wurden auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf begraben. Abraham Cohen lebte bis zum 4. November 1899 und Fanny, die nur 47 Jahre alt wurde, starb am 14. Januar 1887.

Emil war zu diesem Zeitpunkt erst 14 Jahre jung. Nach dem Tod der Mutter zog sein Vater in die Fettstraße 22 nach Eimsbüttel, wo er weiterhin als Schneider tätig war. Fannys Cohens Eltern, also Emils Großeltern, Ephraim Streim, ein Schneider, und Rieke (geb. Cohn), brachten noch einen Sohn zur Welt, Salomon Streim, der seinem Vater beruflich folgte. Er und seine Frau Johanna (geb. Sachs) bekamen zwei Söhne, Siegfried und Ernst, Emils Cousins.

Emils älterer Bruder Henry Cohen, geboren am 12. Juni 1869, heiratete am 10. Januar 1899 Pauline Rosa Reich, geboren am 18. März 1866, und noch im selben Jahr kam am zweiten Weihnachtstag deren Tochter Frieda Cohen zur Welt. Friedas Schwester Mathilde wurde fünf Jahre später, am 24. Oktober 1904 geboren. Der jüngste der Cohen-Brüder, Caesar, verstarb kaum einen Monat nach seiner Mutter am 4. Februar 1887. Er wurde nur vier Jahre alt, geboren war er am 13. Juni 1882. Wie seine Eltern wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf begraben.

Auch Emil heiratete. Seine Frau wurde Caroline (geb. Cohn), war kam als erstes von vier Geschwistern am 15. Januar 1865 in Lübeck zur Welt gekommen. Ihre Eltern, Suszmann Selig und Nanny Cohn (geb. Cohen) betrieben einen Kolonialwarenladen in der Beckergrube in Lübeck. Nach Caroline hatten sie noch drei Söhne bekommen: Iseie am 18. Juni 1869, Simon Suszmann am 11. August 1874 und Adolph am 18. Mai1872. Iseie zog genau wie seine vier Jahre ältere Schwester Caroline später nach Hamburg und eröffnete dort eine Badeanstalt in der Hochstraße 50 in Altona.

Der früh zur Halbwaise gewordene Emil heiratete die zwölf Jahre ältere Kaufmannstochter Caroline. Das Ehepaar eröffnete 1906 eine Milchhandlung in der Kurzestraße 12, 1908 verlegten sie Wohnung und Geschäft in die Heinrich-Barth-Straße 21 und von dort 1912 in die Dillstraße 8 im Grindelviertel, wo sie bis 1942 blieben. Emils Bruder Henry hatte ebenfalls eine Milchhandlung in der Dillstraße 20 betrieben, bevor er 1914 ein Verleihinstitut für Gesellschaftsutensilien eröffnete. Dort konnten Hotels, Restaurants und auch Privatleute feine Tische, Stühle, Service, Bestecke, Kristallgläser, Leuchter, Garderobenständer und vieles mehr für große Feiern und besondere Anlässe leihen. Das Geschäft war durch einen großen Kundenstamm sehr lukrativ und die Familie konnte sich eine "gediegene" 5-Zimmer-Wohnung in der Werderstraße 6 leisten. Auch ein Dienstmädchen wohnte mit ihnen zusammen. Die beiden Brüder lebten mit ihren Familien immer in Laufnähe, meist in derselben Straße.

Die Milchhandlung der Cohens wurde, wie viele andere Geschäfte, in den Jahren 1938 und 1939 von den Nationalsozialisten liquidiert. Ab 1940 mussten Emil und Caroline Cohen aufgrund der "Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen" vom 17. August 1938 "Israel" und "Sara" als zweite Vornamen annehmen. 1942 mussten die Cohens eine Straße weiter in ein "Judenhaus" in die Rutschbahn 25a ziehen. Diese Maßnahme der Nationalsozialisten diente der Gettoisierung der jüdischen Bevölkerung.

Das Geschäft von Henry und Pauline Cohen wurde zwar nicht arisiert, jedoch blieben ab 1933 die Kunden fern und die beiden mussten erst bei ihrem Neffen Fred Graydon ein Zimmer in der Beneckstraße 22 mieten und ihren gesamten Hausstand und das Ladeninventar zu Niedrigpreisen verschleudern. Weil Fred selber die Flucht plante, wanderten sie am 27. Januar 1939 in die Niederlande aus.

Am 20. Juli 1942 wurden Emil und Caroline Cohen gemeinsam mit Carolines jüngerem Bruder Iseie mit dem Transport VI/2 nach Theresienstadt deportiert. Caroline verstarb wahrscheinlich schon auf dem Weg nach Theresienstadt, war sie zum Zeitpunkt der Deportation doch schon 77 Jahre alt. Emil und Iseie wurden zwei Monate später, am 21.9.1942, beide im Transport Bp nach Treblinka weiterdeportiert, wo sie ermordet wurden. Emil war zum Zeitpunkt der Deportation 69 Jahre alt und Iseie 73.

Was wurde aus den anderen Familienmitgliedern?

Henry und Pauline Cohen wurden in Amsterdam am 6. April 1943 inhaftiert und in das Sammellager Westerbork eingeliefert. Von dort wurden sie am 27. April desselben Jahres ins Vernichtungslager Sobibor deportiert. Sie starben dort am 30. April 1943 mit 73 und 77 Jahren.

Der Cousin der Cohen Brüder, Siegfried, seine Frau Johanna und ihre drei Kinder starben in Auschwitz.

Mathilde Moses (geb. Cohen), Emil und Caroline Cohens Nichte, ihr Mann Salo Moses und deren zwei Kinder Alice, geb. am 12. April 1925 und Lisa Edith, geb. am 25. September 1929 wanderten wie Mathildes Eltern 1937 in die Niederlande aus. Sie zogen aus der Grindelallee 129 nach Amsterdam, in die Roerstraat 105. Bevor die Großeltern Henry und Pauline in die Biesboschstraatzogen, wohnten sie dort gemeinsam. Mathilde, ihr Mann Salo und deren zwei Töchter wurden 1942 in dem Sammellager Westerbork inhaftiert und von dort nach Auschwitz deportiert. Keiner von ihnen überlebte.

Frieda Cohen, Emil und Caroline Cohens Nichte, ist das einzoge Familienmitglied, das den Holocaust überlebt hat. Sie zog erst von Hamburg nach Berlin, in den Hohenzollerndamm 35. Frieda Cohen arbeitete als Schauspielerin, Schriftstellerin und Rundfunksprecherin. Sie heiratete, war jedoch schon 1930 wieder verwitwet, als sie in der Stolzenfeldstraße 6 wohnte. Als Frieda Rothgiesser lebte sie in London und lernte dort den deutschen Theaterdrehbuchautor Joachim Huth, geb. am 24. Mai 1905, kennen. Die beiden wanderten 1937 gemeinsam in die USA aus. Sie heirateten 1944 in New Rochelle. Frieda nannte sich mittlerweile Frances und Joachim John. Frances und John gingen zurück nach Europa und zogen erst nach Paris, wohnten 1958 in der ChampsElyseé 37 und dann 1960 in die Schweiz, nach Ascona an den Gardasee. John Huth starb im November 1984 in Bern; seine Frau Frances nur zwei Monate später im Januar 1985 mit 83 Jahren ebenfalls in Bern.


Stand: April 2019
© Charlotte Lüder

Quellen: Deportationslisten Theresienstadt 20.7.1942, http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_420719.html (zuletzt besucht am 30.1.2018); Deportationsliste Treblinka 21.9.1942, https://www.holocaust.cz/de/transport/24-bp-theresienstadt-treblinka/ (zuletzt besucht am 30.1.2018); StAHH332-5 Standesämter, Personenstandsregister, Sterberegister, 1876-1950, Signatur: 332-5_13272: Geburtsurkunde Frieda Cohen; Germany, BirthsandBaptisms, 1558–1898. Salt Lake City, Utah: FamilySearch, 2013, Filmnummern: 492232, 492234; Hamburger Adressbücher1902–1943; Adressbuch Berlin 1930; StAHH332-5 Standesämter, Personenstandsregister, Sterberegister, 1876–1950, Signatur:332-5_2794: Heiratsurkunde Salomon Streim; StAHH332-5 Standesämter, Personenstandsregister, Sterberegister, 1876–1950, Signatur: 332-5_8598: Heiratsurkunde Henry Cohen und Pauline Rosa Reich; Namensänderungsgesetz, Reichsministerium des Innern – Reichsgesetzblatt I 1938; Passagierliste 11.9.1937 Liverpool-New York: Board of Trade: Commercial and Statistical Department and successors: Outwards Passenger Lists. BT27. Records of the Commercial, Companies, Labour, Railways and Statistics Departments. Records of the Board of Trade and of successor and related bodies. The National Archives, Kew, Richmond, Surrey, England, offizielle Nummer:145925; Social Security Administration. Social Security Death Index, Master File. Social Security Administration, Nummer: 070-20-8712; Ausstellender Bundesstaat: New York; Veröffentlichungsdatum: Before1951; Social Security Administration. Social Security Death Index, Master File. Social Security Administration, Nummer: 557-48-8915; Ausstellender Bundesstaat: California; Veröffentlichungsdatum:1953; StAHH332-5 Standesämter, Personenstandsregister, Sterberegister, 1876-1950, Signatur: 332-5_222: Sterbeurkunde Caesar Cohen; StAHH332-5 Standesämter, Personenstandsregister, Sterberegister, 1876-1950, Signatur332-5_222: Sterbeurkunde Fanny Cohen; StAHH351-11 Amt für Wiedergutmachung 1890-2014, Signatur: 351-11_22559: Wiedergutmachungsakte Frances Huth.

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