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Bereits verlegte Stolpersteine



Hedwig Cohn * 1887

Dorfstücken 2 (Wandsbek, Wandsbek)


HIER WOHNTE
HEDWIG COHN
JG. 1887
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1943 IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Dorfstücken 2:
Hans-Werner Cohn, Pauline Cohn

Pauline Cohn, geb. Schachna, geb. 14.7.1861, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort verstorben am 1.4.1944
Hedwig Cohn, geb. 21.3.1887, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 1.2.1943 in Auschwitz
Hans-Werner Cohn, geb. 27.3.1927, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 1.2.1943 in Auschwitz

Dorfstücken 2 (Albertstraße 1)

Die drei Stolpersteine für die Familie Cohn liegen etwas abseits in einem Quartier, das noch an die alte Bebauung Hinschenfeldes erinnert. Das nicht mehr existierende Haus Albertstraße 1, in dem die Cohns lebten, befand sich auf dem heutigen Fabrikgelände und war laut Adressbucheintrag Teil einer stadteigenen größeren Wohnanlage. Die kleinen Reihenhäuser verfügten über drei Räume und eine Küche.

Die Familie Cohn stammte aus der preußischen Provinz Posen, die nach dem Ersten Weltkrieg infolge des Versailler Vertrages in den polnischen Staat eingegliedert worden war. Viele ortsansässige Deutsche dort wurden in den Jahren 1920 bis 1929 von der polnischen Regierung enteignet; zudem sollte ihnen die polnische Staatsbürgerschaft nicht erteilt werden. Daraufhin kehrte ein Großteil der Deutschen ihrer Heimat den Rücken.

Die Cohns hatten Posen 1925 verlassen und in der Albertstraße eine neue Bleibe gefunden. In dem Reihenhaus lebten drei Generationen. Pauline Cohn war die Tochter von Koppel Schachna und dessen Ehefrau Berta, geb. Nathan. Sie wurde am 14. Juli 1861 in Rostazewo geboren. 1883 hatte sie Sigismund Cohn geheiratet, der bereits im Jahre 1905 in Krotoschin verstorben war. Die Eheleute bekamen zwischen 1885 und 1905 einen Sohn und fünf Töchter: Regina, Hedwig, Seraphine, Erna und Käthe. Außer Erna waren alle 1925 nach Deutschland gekommen. Der einzige Sohn hatte als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war gefallen. Die Trauer um ihn war in der Familie gegenwärtig, in den Wochen vor seinem Geburtstag am 18. August litt seine Mutter besonders.

Pauline Cohn lebte in der Albertstraße mit ihrer am 21. März 1887 in Wollstein geborenen zweitältesten Tochter Hedwig zusammen. Diese hatte eine Tochter: Irmgard Cohn war am 20. Juli 1920 in Krotoschin geboren worden. Am 27. März 1927 bekam die unverheiratete Hedwig Cohn noch ein zweites Kind, den Sohn Hans-Werner.

Pauline Cohn war eine lebenserfahrene, etwas strenge Frau, die viel durchgemacht hatte. Gefragt, warum sie nach dem Tod ihres Mannes nicht wieder geheiratet hatte, antwortete sie, es unterlassen zu haben, da nicht sicher sei, ob sie einen guten Vater für ihre Kinder bekäme. Während sie nun in Hinschenfelde den Haushalt versah und die Enkelkinder betreute, sorgte Hedwig Cohn, die vormals als Filialleiterin tätig gewesen war, für den Lebensunterhalt. Bis 1932 war sie als Vorarbeiterin bei einer Kakaofirma beschäftigt, die personell mit der früheren Schokoladenfabrik Reichardt verbunden war. Dann wurde die Firma geschlossen. Als Jüdin konnte Hedwig Cohn keine adäquate Stellung mehr finden und musste bald Pflicht- bzw. Zwangsarbeit leisten. Von etwa 1938 bis zur Deportation war sie bei der Wollkämmerei in Hamburg-Bahrenfeld zwangsverpflichtet, wo sie einer sogen. Judenkolonne zugeteilt und von anderen Arbeitskräften abgesondert beschäftigt wurde.

Es gelang der Familie nur unter Schwierigkeiten über die Runden zu kommen. Hedwig Cohn verdiente 1940 gerade einmal 18 RM pro Woche brutto und musste davon noch ihren Sohn und ihre Mutter unterstützen, deren Hinterbliebenenrente 35 RM monatlich betrug. Der Rentenanteil, den sie für ihren gefallenen Sohn erhielt, wurde ihr nach dem Machtwechsel 1933 gestrichen.

Die Familie war Mitglied der Jüdischen Gemeinde Wandsbek gewesen und gehörte nach der Zusammenlegung der Jüdischen Gemeinden 1938 dem Jüdischen Religionsverband an. Pauline und Hedwig Cohn konnten wegen ihrer geringen Einkünfte jetzt keine Gemeindesteuern mehr entrichten.

Der Sohn Hans-Werner Cohn war von Ostern 1933 bis Ostern 1941 schulpflichtig. Er besuchte die nahe gelegene Hinschenfelder Volkschule. Wann genau er zur Talmud Tora Realschule wechselte, konnte nicht geklärt werden. Er ging dort allerdings ab, bevor die Schule am 30. Juni 1942 geschlossen werden musste.

Die Tochter Irmgard hatte bis Ostern 1936 ebenfalls die Volksschule in Wandsbek besucht. Danach begann sie eine Lehre als Putz- und Verkaufslehrling bei der Firma Stern, die Hüte und Dekorationen herstellte. Nach Beendigung der Ausbildung beschäftigte die Firma sie weiter. Irmgard Cohn war häufiger Ziel antisemitischer Anfeindungen: Ein Lehrer in der Berufsschule diskriminierte sie als Jüdin, so dass sie schließlich der Schule fernblieb. Die Nachbarn in der Albertstraße waren nicht besser. Sie klopften an die Fenster und riefen "Jüdin" oder andere Schimpfwörter. Zudem war ihrem Verlobten auf der Straße vorgehalten worden, dass er sich als Soldat mit einer Jüdin verlobt habe. Dabei waren die Aussichten, eine Ehegenehmigung zu erhalten, gleich Null. Ferner verbot ihr der Vater einer Freundin den Kontakt zu seiner Tochter. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Im Februar 1942 wurde Irmgard Cohn von der Gestapo festgenommen und ins KZ Fuhlsbüttel verbracht. Ihr Vergehen: Sie hatte dagegen protestiert, den "Judenstern" tragen zu müssen, nur weil sie im Haushalt ihrer "volljüdischen" Mutter lebte. In ihrer Begründung gab sie an, ihr leiblicher polnischer Vater sei kein Jude, sondern Christ gewesen, sie selbst somit "Halbjüdin". Die Gestapo überprüfte die Angaben und zog Erkundigungen ein. Man glaubte ihr schließlich, denn am 13. März 1942 wurde sie entlassen. Mithilfe eines Onkels erreichte sie, dass sie am 16. Juni 1942 als "Mischling 1. Grades" anerkannt wurde. Der neue Status rettete ihr das Leben, denn sie wurde nicht deportiert – wie ihre Angehörigen etwa einen Monat später.

Während Irmgard Cohn inhaftiert war, hatte ihre Familie die Wohnung in der Albertstraße räumen müssen und zog nun ins Gumpel-Stift, das sich in der Schlachterstraße in der Hamburger Neustadt befand. Die alte Wohnung in der Albertstraße war nebst Mobiliar von den Behörden beschlagnahmt und versiegelt worden.

Am 19. Juli 1942 folgten Pauline, Hedwig und Hans-Werner Cohn dem Deportationsbefehl. Sie verließen die Schlachterstraße 40/42 bzw. 46/47 und fanden sich mit ihrem Gepäck in der Sammelstelle Schule Schanzenstraße 120 ein. Irmgard Cohn wollte ihre Angehörigen noch einmal sehen, obwohl das verboten war. Einen Tag vor ihrem 22. Geburtstag stand sie vor dem Eingang der Turnhalle und überredete den Türsteher, einen ihr bekannten Gestapo-Mann aus Wandsbek, sie hineinzulassen. Sie traf ihre Angehörigen und auch einige Nachbarn, die sie von Besuchen in der Schlachterstraße kannte. In der Verzweiflung des nahenden Abschieds fragte Irmgard Cohn ihre Mutter, warum sie nicht alle gleich Selbstmord begangen hätten. Unausgesprochen stand ihre Annahme im Raum, die Verwandten würden ohnehin in den Tod geschickt. Ihre Mutter erwiderte, um die Tochter nicht weiter zu beunruhigen, dass sie in Theresienstadt nur würden arbeiten müssen. Irmgard Cohn blieb skeptisch, sie fürchtete, ihre Angehörigen nicht mehr wiederzusehen.

Noch am selben Tag musste die Familie den Zug nach Theresienstadt besteigen, wo ihre Ankunft am 20. Juli registriert wurde. Etwa sechs Monate später, am 29. Januar 1943, wurden Hedwig Cohn und ihr Sohn Hans-Werner nach Auschwitz weiterdeportiert, wo sie am 1. Februar 1943 ermordet wurden.

Pauline Cohn blieb im Getto Theresienstadt zurück. Sie starb dort am 1. April 1944. Ihre Tochter Seraphine, ebenfalls dorthin deportiert, war bei ihr und konnte den Tod ihrer Mutter nach der Befreiung bezeugen.

Bei Kriegsende hielt sich Irmgard Cohn in der Nähe von Prag auf und schlug sich nach Hamburg durch, das sie im November 1945 erreichte. Nun begann das Warten auf die erhoffte Rückkehr ihrer Angehörigen aus den Konzentrationslagern. Doch nur ihre Tante Seraphine hatte überlebt. Irmgard Cohns Mutter und Großmutter, ihr Bruder und eine ihrer Tanten waren Opfer des Holocaust geworden. Ihre Mutter und ihre Tante Regina wurden in den 1950er Jahren rückwirkend auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

© Astrid Louven

Quellen: 1; AfW 140761, 210887, 200720, 270327; AB 1929 VI; 7; Wikipedia Stichwort Provinz Posen; Auskunft von Frau R. im Februar 2008.

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