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Jenny Croner (geborene Meyer) * 1880
Marktstraße 94 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)
HIER WOHNTE
JENNY CRONER
GEB. MEYER
JG. 1880
DEPORTIERT 1941
LODZ
1942 CHELMNO
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Marktstraße 94:
Anna Croner, Leopold Croner, Meta Croner, Ruth Croner, Nathan Dan Croner
Diese Biographie wurde am 23.10.2013 aktualisiert. Die Aufschrift auf dem Stolperstein für Anna Croner hätte wie folgt lauten müssen:
Anna Croner, geb. 13.10.1914 in Hamburg, inhaftiert 1940 im KZ Fuhlsbüttel, verlegt am 29.5.1941 in das KZ Ravensbrück, ermordet am 20.3.1942 in Bernburg
Jenny Croner, geb. Meyer, geb. 3.4.1880 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, ermordet am 10.5.1942 in Kulmhof (Chelmno)
Leopold Croner, geb. 6.6.1916 in Hamburg, inhaftiert am 22.8.1941 im KZ Fuhlsbüttel, verlegt am 3.10.1941 in das KZ Neuengamme, ermordet im Juni 1942 in Bernburg
Meta Croner, geb. 13.5.1920 in Hamburg, überführt am 24.6.1941 aus dem KZ Fuhlsbüttel ins Polizeigefängnis Hütten, im Juli 1941 zurück ins KZ Fuhlsbüttel, 1941-1942 KZ Ravensbrück, dort gestorben am 20.10.42
Ruth Croner, geb. 14.6.1911 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 14.6.1942
Jenny Meyer war eine Tochter des Cigarrenfabrikanten Louis und seiner Ehefrau Charlotte Meyer, geborene Goldmann. Beide Eltern waren – so besagt es Jennys Geburtsurkunde – jüdisch. Jenny hatte sechs Geschwister. Namentlich bekannt sind Lizzy, die später Schmidt hieß, den Nationalsozialismus überlebte und zumindest in den 1950er Jahren in Hamburg wohnte; Meta, verheiratete Linsky, spätestens 1934 verwitwet und in Berlin lebend; Lotte, die in Berlin als Krankenschwester arbeitete.
Jenny wurde die Mutter von sieben Kindern. Am 24. Oktober 1903 bekam sie mit Georg Koch, der nicht jüdisch war, ein uneheliches Kind: Hermann Meyer – später in den USA Myers genannt. Als Hermann sieben Jahre alt war, heirateten Jenny und Walter Croner am 14. Dezember 1910. Walter wurde am 19. Juni 1879 in dem kleinen Ort Nipperwiese – heute Ognica – im damaligen Kreis Greifenhagen – Gryfino – bei Stettin geboren. Er war Kellner. Im Sommer 1911 kam die erste gemeinsame Tochter Ruth zur Welt. Am 2. September 1913 wurde Herbert geboren, im Oktober 1914 Anna.
Am 23. Juni 1915 wurde Walter Croner zum Kriegsdienst eingezogen. Am folgenden Tag beantragte Jenny Unterstützung bei der Wohlfahrtsbehörde, da sie "völlig mittellos" mit ihren vier Kindern zurückgeblieben war. Der Antrag wurde befürwortet, denn "die Verdienste des Mannes waren in der ganzen letzten Zeit sehr mäßig. Die Frau befindet sich in größter Not." Im Juni 1916 brachte Jenny ein weiteres Kind zur Welt: Leopold. Helene wurde am 3. Januar 1919 geboren und die jüngste Tochter Meta im Mai 1920. Nicht bekannt ist, wann Walter aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrte.
Seine Enkelin Jennie erinnert sich an Erzählungen, die besagten, dass er unter den Folgen von Senfgasangriffen litt, denen er im Stellungskrieg ausgesetzt gewesen war. Beruflich fasste er keinen Fuß mehr. Seit Januar 1920 saß er in Untersuchungshaft und wurde am 31. Januar 1921 wegen Hehlerei zu zehn Monaten Haft verurteilt. 1928 wurde er erwerbslos und blieb es bis zu seinem Tod am 29. August 1934. Die Familie benötigte seit Anfang der 1930er Jahre fast durchgehend finanzielle Unterstützung von der Sozialbehörde und lebte in Armut. Croners wohnten bis Ende September 1936 in der Marktstraße 5 und zogen dann in die Marktstraße 94.
Tochter Ruth stand 1931 als Kontoristin im Erwerbsleben. Ab Juli 1933 trat sie eine Stelle bei dem Handelschemiker Dr. Richard Levi in der Mönckebergstraße 9 an. Seit spätestens Mai 1938 rechnete sie mit ihrer Entlassung, da das Laboratorium "als jüdisches Unternehmen eingehen" sollte, so der Bericht der Fürsorgeakte. Im Februar 1939 war die "Arisierung" des Betriebes nahezu abgeschlossen. Ruth fand nach der Beschlagnahmung des Labors eine Stelle bei Willy Rendsburg, wo sie allerdings deutlich weniger verdiente. Bis 1941 war sie als Kontoristin erwerbstätig und steuerpflichtig.
Am 25. Oktober wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter Jenny ins jüdische Getto von Lodz deportiert. Auch dort war sie als Sekretärin tätig. Sie und ihre Mutter wohnten in der Flisacka 1 – Hausierergasse 1 – Wohnung 18. In der Wohnung 11 desselben Hauses war auch Benno Hauptmann aus der Bartelsstraße auf St. Pauli untergebracht. Am 10. Mai 1942 wurde Jenny Croner "ausgesiedelt". Das bedeutete im Mai 1942, dass sie ins Vernichtungslager Chelmno gebracht und dort ermordet wurde. Ruth wurde wenige Wochen später – so dokumentiert es die Liste der Gettobewohner von Lodz – am 14. Juni "ausgesiedelt". An ihrem 31. Geburtstag brachten die Nationalsozialisten sie um.
Jennys Sohn Herbert war von April 1929 bis Juli 1930 Lehrling in einer Fischräucherei. Er lebte bis Dezember 1930 – seit wann und warum ist nicht bekannt – in einem Waisenhaus. Dieses veranlasste am 8. Dezember seine Verlegung in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Im August 1931 wurde er – so die Fürsorgeakte – "aus der Obhut des Jugendamtes zu seinen Eltern entlassen". Er war bei verschiedenen Arbeitgebern tätig. Im Oktober 1931 trat er eine Lehrstelle als Kaufmann in einem Eisenwarengeschäft in Brunshaupten – heute Kühlungsborn in der Nähe von Bad Doberan – an.
Die neuen Arbeitgeber trugen ihm Aufgaben auf, die nichts mit seinem Lehrverhältnis zu tun hatten, und so machte er sich zwei Wochen später zu Fuß auf den Weg zurück nach Hamburg, wo er sechs Tage später ankam. Am 23. Mai 1932 bescheinigte seine Mutter der Sozialbehörde, "dass mein Sohn Herbert nicht mehr bei uns ist und wir ihn nicht mehr bei uns haben wollen". Herbert erklärte die Auseinandersetzungen mit seiner Familie damit, dass diese seine politischen Ansichten nicht teile. Er übernahm kleine journalistische Arbeiten bei linksgerichteten Zeitungen und Verlagen und betätigte "sich mit aller Kraft im politischen Sinne".
Im Juli 1932 wurde er zum "Freiwilligen Arbeitsdienst" eingezogen. Eine Weile fuhr er auf einem Kahn. Im Mai 1933 erlitt er einen epileptischen Anfall nach einer Kopfverletzung, die durch einen Arbeitsunfall in Freiburg an der Elbe verursacht wurde. 1934 und 1935 wurde er bei zwei weiteren Arbeitsunfällen erneut am Kopf verletzt und anschließend monatelang krankgeschrieben. Später arbeitete er als Portier, Zettelverteiler und Hausbursche. Mehrfach wechselte er seinen Wohnsitz. Am 7. Juli 1939 wurde er in Bremen-Oslebshausen in Strafhaft genommen.
Die Fürsorgeabteilung der Hamburger Sozialverwaltung ersuchte bei der Kriminalpolizeileitstelle Hamburg um Auskunft über den Beginn sowie die Dauer seiner Untersuchungs- und Strafhaft. Die Antwort ließ die zu erwartende Haftdauer offen. Herbert gab an, er sei vom 25. Oktober 1938 bis 1939 im KZ Fuhlsbüttel, 1939 bis 1942 in den Zuchthäusern von Celle und Hameln, schließlich zwischen 1942 und 1945 in den Konzentrationslagern Auschwitz, Warschau und Dachau inhaftiert gewesen.
In der KZ-Gedenkstätte Dachau ist belegt, dass Herbert Croner nach Auflösung des Warschauer Gettos mit 4000 anderen Häftlingen in das Konzentrationslager Dachau gebracht wurde. Er kam am 6. August 1944 dort an und wurde kurze Zeit später in das Außenlager Karlsfeld – zwischen Dachau und München – verlegt. Am 29. April 1945 wurde Dachau befreit. Herbert begab sich zunächst nach Frankfurt, wo er nach Familienangehörigen suchte. Im Dezember 1945 kehrte er nach Hamburg zurück und stellte einen Antrag auf Heimunterbringung. Später gelang ihm die Ausreise in die USA, wo er eine Familie gründete.
Jennys Tochter Anna besuchte die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße. Anschließend lernte sie zwei Jahre in der Israelitischen Haushaltungsschule in Bad Segeberg. Das muss Anfang der 1930er Jahre gewesen sein, denn ein Vermerk in der Fürsorgeakte ihrer Mutter Jenny besagt, dass Anna im Oktober 1931 in den Ferien nach Hause kam. 1933 wohnte und arbeitete sie als Hausangestellte in der Hansastraße 64 bei Michaelis. Im September des Jahres kam sie zurück in die Marktstraße. Sie war als Arbeiterin in Fischfabriken beschäftigt. Im Mai 1934 wurde sie arbeitslos.
Fast zwanzigjährig, am 11. Oktober 1934, gebar sie eine Tochter, Waltraut Charlotte. Über deren Vater berichtete sie später, er sei Deutscher, heiße Albert Stoll, sein Wohnsitz sei ihr nicht bekannt, er zahle – wenn auch unregelmäßig – Unterhalt. Während Anna bei "voller 48 stündiger Arbeitszeit" – wie von der Fischräucherei Boe & Kahle bescheinigt – für einen Stundenlohn von 0,43 RM arbeitete, zog ihre Mutter Waltraut auf. Später arbeitete Anna im Akkord bei der Kunstdarmfabrik von David Strekis.
Im Januar und Juli 1937 erlitt sie Fehlgeburten. Nach der zweiten Fehlgeburt wurde sie mit hohem Fieber für sechs Wochen ins Hafenkrankenhaus eingewiesen. Am Tag ihrer Entlassung ermittelte die Kriminalpolizei gegen sie, da – so der Bericht – der Verdacht bestehe, sie habe ihre Schwangerschaft durch einen kriminellen Eingriff unterbrochen oder von einer anderen Person unterbrechen lassen. Anna erklärte daraufhin, sie habe die Fehlgeburten absichtlich durch heiße Bäder herbeigeführt. Sie trage wegen der dauernden Krankheit ihrer Mutter zu einem wesentlichen Teil zur Aufrechterhaltung des Haushaltes bei, habe bereits für ein Kind zu sorgen und könne sich nicht vorstellen, ein weiteres ohne Vater großzuziehen. Sie wurde wegen Vergehens nach § 218 – also wegen Abtreibung – angeklagt.
Der ermittelnde Kriminal-Sekretär Andres ging in seinen Verdächtigungen noch weiter: "Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass sie mit einem deutschblütigen Mann Geschlechtsverkehr hatte, dessen Namen sie absichtlich verschweigt. Da ein Verdacht auf Rassenschande begründet erscheint, wurde dem 23. K eine Durchschrift zu weiteren Ermittlungen übersandt." Das 23. Kriminalkommissariat in Hamburg stellte vor allem Ermittlungen im Zusammenhang mit "Rassenschande"-Verdächtigungen an.
"Rassenschande"-Anschuldigungen wies Anna jedoch entschieden zurück und bekräftigte die Wahrheit ihrer Aussagen: "Wenn mir vorgehalten wird, dass meine Angaben über die beiden Männer, mit denen ich Geschlechtsverkehr hatte und die mich geschwängert haben, unglaubhaft erscheinen, so kann ich nur erklären, dass ich auch hier die Wahrheit gesagt habe. Mit deutschblütigen Männern habe ich bestimmt keinen Geschlechtsverkehr gehabt. Ich habe keinen Freund und auch sonst keinen Verkehr mit einem Mann aus Hamburg oder Umgebung. Ob es mir nun geglaubt wird oder nicht, ich habe in allen Teilen die volle Wahrheit gesagt."
Das Gericht schloss die Öffentlichkeit "wegen Gefährdung der Sittlichkeit" am Tag der Verhandlung, dem 9. Dezember 1937, aus. Jenny unterstützte ihre Tochter Anna und sagte im Prozess als Zeugin aus: "Sie ist ordentlich und ernährt mich mit. Wir haben immer auf St. Pauli gewohnt. Sie treibt sich nicht umher." Anna wurde zu sechs Wochen Gefängnis wegen zwei Abtreibungen verurteilt, was das Gericht als eine "milde ausgefallene Strafe" ansah. Zur Begründung hieß es, die ganze Last des Unterhalts für sie selbst und ihre kranke Mutter ruhe auf ihr. Anna bat um eine Verschiebung des Haftbeginns, die ihr nicht gewährt wurde. Am 25. Februar 1938 wurde sie aus der Haft entlassen.
Sie wurde erneut schwanger. Ab Februar 1939 brachte sie Waltraut im Israelitischen Tagesheim Jungfrauenthal unter. Am 27. März 1939 kam ihr Sohn Nathan Dan zur Welt. Mit ihm zog sie im April in das gegenüberliegende Haus in der Marktstraße 44 zu Meta Cohen und deren Kindern, kam jedoch wenige Monate später wieder in die Nummer 94.
Im Juli 1939 kam Waltraut mit einem Kindertransport nach England. Jennie, eine Nichte von Anna, berichtete, dass Waltraut dort vom Roten Kreuz an eine Adoptivfamilie vermittelt wurde. Anna fand erneut eine Stelle in einer Fischfabrik und brachte ihr Kind Dan tagsüber bei einer jüdischen Familie unter, der sie Pflegegeld zahlte. Später lebte Nathan Dan im Jüdischen Waisenhaus am Papendamm. Von dort wurde er im Juli 1942 mit 14 anderen Kindern, der Leiterin des Paulinenstifts, Hildegard Cohen, sowie deren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Anna wurde 1940 im Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftiert und von dort am 29. Mai 1941 ins KZ Ravensbrück gebracht. Sie wurde am 20. März 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet.
Leopold besuchte die Talmud Tora Realschule zumindest von 1923 bis 1931 – für diese Jahre sind seine Zeugnisse erhalten. Im August 1932 war er im "Freiwilligen Arbeitsdienst" in Blankenese. Ab 16. Januar 1933 wurde er als Mitglied der Jüdischen Gemeinde registriert und auf seiner Kultussteuerkarte als Arbeiter und – später – als Seemann eingetragen. Im September 1933 arbeitete er als Bote und gab seinen Eltern von seinem Wochenlohn zwei Drittel ab. Anfang April 1934 verließ er die elterliche Wohnung, da er nicht noch einmal zum "Freiwilligen Arbeitsdienst" wollte. Die Fürsorgestelle vermerkte: "Er fürchtete, als Jude dort schlecht behandelt zu werden. Die Eltern wissen nicht, wo er sich aufhält; er hat bisher nichts wieder von sich hören lassen."
Die Kultussteuerkarte enthält widersprüchliche Angaben über seinen Aufenthalt 1934: Er sei aus Deutschland verzogen, steht dort, und er sei in Haft. 1935 fuhr Leopold als Schiffsjunge zur See, ab August für eine Danziger Linie, ab Juni 1936 als Jungmann für die Reederei Arnold Bernstein und für weitere Reedereien. 1938 erkrankte er. Der Bericht zum Hausbesuch vom 4. Mai besagt: "Leopold ist zur Zeit wieder ganz im Hause. Er war vom 26.2. bis 19.4. mit Malaria im Tropenkrankenhaus. ... Leopold stempelt zurzeit als Arbeiter. Er gibt an, als Jude nicht mehr als Seemann vermittelt werden zu dürfen. Eine genaue Entscheidung darüber erwartet Croner noch vom Regierenden Bürgermeister." Einen Monat lang arbeitete er als Ziegler. Anschließend fuhr er als Leichtmatrose bei der Reederei Heinrich Arp zur See. Im Dezember kam er von See und bemühte sich in den folgenden Monaten darum, auf ausländischen Schiffen unterzukommen. Im Mai 1939 arbeitete er jedoch an Land. Vor Oktober 1939 wurde er erneut arbeitslos, später fand er eine Stelle als Bote. Am 22. August 1941 wurde er aus Gründen, die uns nicht bekannt sind, im Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftiert und von dort am 3. Oktober ins KZ Neuengamme verlegt. Dem Sonderstandesamt Neuengamme meldete der Kriminalsekretär Otto Apenburg, Leopold Croner sei am 11. Juni 1942 um zehn nach acht Uhr morgens durch Herz- und Kreislaufversagen nach Fleckfieber gestorben.
Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme weiß jedoch über Leopold Croner, dass er im Juni in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg ermordet wurde. Heute ist bekannt, dass der Beamte Apenburg dem zur Verschleierung eingerichteten Standesamt vorsätzlich falsche Todesursachen und -zeitpunkte etlicher Ermordeter meldete. Der Historiker Herbert Wagner schrieb über ihn: "Otto Apenburg, 1893 geboren, ... war Gestapobeamter im Rang eines Kriminalsekretärs. Im KZ Neuengamme leitete er die Politische Abteilung. Seine Aufgaben bestanden in der Überwachung der Häftlinge und der Tarnung von Morden (Exekutionen)."
Auch für ihre jüngsten Töchter Helene und Meta konnte Jenny Croner nicht selbst sorgen. Die Wohlfahrtsstelle genehmigte deren Unterbringung für den Monat August 1931 im Tagesheim in der Johnsallee 54. Sie bekamen dort Mittag- und Abendessen. Im September 1933 besuchte Helene noch die Schule, im Mai 1934 trat sie eine Lehre an und lebte – unklar ist, ob während oder nach der Lehre – eine Zeit lang in Berlin. Ende 1934 kam sie von dort in die elterliche Wohnung zurück. Wenige Tage, nachdem sie wieder in Hamburg war, arbeitete sie als Hausangestellte. Im April 1938 verließ sie Hamburg Richtung Flensburg, nach Gut Jägerslust. Ein knappes Jahr später, im März 1939, wanderte sie nach Holland aus und bereitete sich mit einer Ausbildung zum Palästina Pionier auf die Ausreise vor.
Der Krieg kam ihr zuvor. Sie musste in Zelhem bleiben. Holland wurde im Mai 1940 von deutschen Truppen besetzt. Im August 1942 heiratete sie den Juden Michiel Jacob, der einen Monat nach der Hochzeit verhaftet und vom Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert wurde. Helene überlebte in den Niederlanden und gründete dort später mit ihrem zweiten Ehemann eine Familie.
Meta besuchte die Töchterschule in der Karolinenstraße. Ein schulärztlicher Befund vom März 1933 besagte, sie sei körperlich bedürftig und benötige Freispeisung. Der wohltätige Schulverein bewilligte daraufhin zwei Speisekarten für April und Mai. Sie besuchte die Töchterschule bis zur 1. Klasse 1935. Im Februar 1936 wurde Meta von der Deutsch-Israelitischen Gemeinde für vier Wochen nach Hofheim verschickt. Im April 1936 trat Meta ihre erste Stelle im Haushalt von Adolf Lewi, dem Inhaber des Zigarren-, Zigaretten- und Tabakhauses "Victoria" an und gehörte nun der Jüdischen Gemeinde als Mitglied an. Im Mai erkrankte sie und wurde entlassen. Sie litt an Gastritis und Anämie, einer Mangelerkrankung. Ab dem Sommer fand sie wieder Arbeit und war seither bei wechselnden Arbeitgebern zumindest bis Februar 1939 beschäftigt.
Seit wann und warum Meta im Konzentrationslager Fuhlsbüttel gefangen gehalten wurde, ist uns nicht klar. Sicher ist, dass sie am 24. Juni 1941 für das 23. Kriminalkommissariat vom Konzentrationslager Fuhlsbüttel ins Polizeigefängnis Hütten überführt wurde. Im Juli 1941 wurde sie nach Fuhlsbüttel zurückverlegt und anschließend ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück eingewiesen, wo sie am 20. Oktober 1942 starb.
Jennys unehelicher Sohn Hermann, der wegen seines nicht jüdischen Vaters als "Mischling ersten Grades" von der Verfolgung nicht so hart betroffen war wie seine Mutter und Geschwister, lebte bis zuletzt bei der Familie. Sein Vater starb 1935 in Bremen. Hermann litt unter Magenkrankheiten und wurde mehrfach operiert. Er arbeitete zeitweise als Bote, bezog zum Teil Arbeitslosenunterstützung oder Pflegezulage. 1942 wurde er aufgefordert, die Wohnung in der Marktstraße 94 zu verlassen. In einem Gesuch beschrieb er nach Kriegsende in aller Kürze die Not und das Leiden seiner Familie:
"Meine Mutter Frau Jenny Croner, geb. Meyer wurde mit meiner Schwester Ruth am 24.10.42 nach Lodz zwangsverschickt und sind dort vergast. Meine 2 anderen Schwestern Meta und Anni sind im selben Jahr im K. Z. Lager Ravensbrück umgebracht. Mein Bruder Leopold ist auch 1942 im K. Z. Neuengamme ums Leben gekommen. Mein Neffe Dan ist in Auschwitz getötet worden. Meine Schwester Helene ist mit ihrem Mann nach Polen gekommen. Deren Schicksal ist mir unbekannt. Mir wurde 1942 von der Gestapo die Wohnung fortgenommen. Wir wohnten alle zusammen. Durch die Nürnberger Gesetze verlor ich 3 Mal meine Arbeitsstelle. Ich sollte die Aufräumungarbeiten mitmachen, wurde aber auf Grund von 4 überstandenen Operationen davon befreit. Auf Grund der Inhaftierungen meiner Geschwister bin ich mehrfach zur Gestapo hinbeordert worden und wurde dort wie ein Verbrecher behandelt. Dadurch und durch die Ungewissheit meiner eigenen Zukunft, ich hätte ja auch ins K. Z. kommen können, glaube ich den Beweis erbracht zu haben, dass ich seelisch genug während des Naziregimes gelitten habe. Meine ganze Familie bis auf einen Bruder, der bis 1945 im K. Z. Dachau war, von meiner Seite gerissen und getötet. Jegliche Arbeit nur kurzfristig wegen der Rassenfrage, mein Hab und Gut durch die Nazi verloren, ich glaube das genügt."
Für Nathan Dan Croner liegt ein Stolperstein am Martin-Luther-King-Platz 3. Dort befand sich das Waisenhaus am Papendamm.
© Christiane Jungblut
Quellen: 1; 4; 5; 8; ITS/ARCH/Ghetto Litzmannstadt, Ordner 6, Seite 185; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht Strafakten 1049/38; StaH 314-15 FVg 5954; StaH 331-1 II Polizeibehörde II, Abl. 15 vom 18.9.84, Band 1; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 030480 Croner, Jenny; StaH 362-6/10 Talmud-Tora-Schule, TT 14; Auszüge aus den Datenbanken der KZ-Gedenkstätte Neuengamme; KZ-Gedenkstätte Dachau; Persönliche Korrespondenz mit Jennie Cambron, der Tochter Herbert Croners; Wagner, Gestapo, 2004, S. 524.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.